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Personalmarketing
«Frechmutige» Personalwerbung
Auffallen oder untergehen
Obwohl Unternehmen sich im Wettbewerb um Fachkräfte vom Mainstream abheben müssen,
werden viele Stellen nach wie vor sehr bieder und unauffällig beworben. Ein Plädoyer für mehr
«Frechmut» im Personalmarketing.
«In dieser Welt ist alles eine Frage des
Marketings. Es geht um die Kunst, auf
sich aufmerksam zu machen, durch das
mediale Gebrüll hindurch gehört zu wer-den.
Und jetzt geht es nur noch darum,
ob Sie wissen, was zu tun ist, unbekannter
Polizist. Wie man die Muskeln anspannt.
Wie stark sie sind, spielt keine Rolle, ent-scheidend
ist, wie man sie einsetzt.»
Was dieses Zitat aus «Zorn», einem Thril-ler
von Arne Dahl, mit einem frischen
Arbeitgeberauftritt zu tun hat? Im Per-sonalmarketing
dreht sich vieles darum,
wie Arbeitgeber mit ihren Botschaften
auf dem Arbeitsmarkt gehört werden.
Gerne verstecken wir uns hinter zu klei-nen
Budgets, fehlenden Kompetenzen,
der mangelnden Akzeptanz in den Ge-schäftsleitungen
oder gesetzlichen Ein-schränkungen.
Das ist vielleicht im Ein-zelfall
richtig, als Einstellung aber fatal.
Ich fi nde, dass frische Ideen und erfolgrei-che
Konzepte in Personalmarketing und
Employer Branding weniger eine Frage
der «Muskelmasse», also der Ressour-cen,
sind. Sie entstehen viel eher aus dem
cleveren Einsatz der vorhandenen Mittel.
«Die Muskeln richtig anspannen und ein-setzen
», wie es der Mörder in «Zorn» in
seinem Brief an seine Verfolger nennt.
Darum geht’s. Nicht Budgets, personelle
Mittel oder Kompetenzen, sondern die
persönliche Einstellung entscheidet in
der Personalgewinnung. Ich nenne diese
Einstellung «Frechmut».
Die fünf Essenzen von «Frechmut»
1. Frech
Der Aussenauftritt vieler Firmen muss
professioneller werden. Die Positionie-rung
als attraktiver Arbeitgeber wird
gerade für Unternehmen, die nicht auf
die Strahlkraft ihrer Marke oder ihrer Pro-dukte
personalSCHWEIZ Sonderausgabe «Rekrutierung» September 2014
zählen können, überlebenswichtig.
Marketing- und Vertriebskompetenzen
werden im HR immer wichtiger. Wer im
«war for eyeballs» auf dem Arbeitsmarkt
wahrgenommen werden will, darf in der
Personalwerbung Seriosität nicht mehr
länger mit Langeweile verwechseln.
2. Mut
HR muss unternehmerisch denken und
handeln. Dazu gehört der Mut, neue We-ge
zu beschreiten, ganz bewusst Neues
auszuprobieren und etwas zu wagen –
und in Kauf zu nehmen, dabei auch mal
zu scheitern. Auf diesem Weg wird Zu-versicht
und eine «Es-kommt-schon-gut-
Mentalität» zur neuen Währung.
3. Leidenschaft
Den Personalern muss man vermehrt an-merken,
dass sie sich bewusst und genau
für dieses Berufsfeld entschieden haben.
Das spürt man, indem HR eine professio-nelle
Neugierde für das Business entwi-ckelt,
einen Plan hat und diesen hartnä-ckig
verfolgt – und indem Begeisterung
und Freude spürbar sind.
4. Ego
Im Dienstleistungsmarketing ist das
«fünfte P» zentral: People. Gerade HR-Entscheider
sollen verstärkt sichtbar sein
und ihrem Unternehmen ein (Arbeit-geber-)
Gesicht geben. Das funktioniert
nicht in den HR-Amtsstuben, sondern
am Markt.
Wer zudem sein Wirken und sich selber
unbescheiden ins Schaufenster stellt,
schafft Aufmerksamkeit und gewinnt an
Reputation. Dies wiederum schafft neue
Kontakte, öffnet Türen und ermöglicht
es, künftig noch etwas mehr zu wagen.
Von Jörg Buckmann
Mit pointierten Kampagnen wie dieser konnten die VBZ den Frauenanteil massgeblich steigern.
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Personalmarketing
Buchtipp
personalSCHWEIZ Sonderausgabe «Rekrutierung» September 2014
5. Tun
Wenn HR aus der verwaltenden Rolle
herausfi nden will, muss es noch mehr
Macherqualitäten entwickeln. Kann
man das lernen? Nein. Diese Kompe-tenz
wächst durch das Brechen von
Mustern, durch «Experimentieren statt
Duplizieren». In dieser Lust am Entde-cken
und Machen steckt viel Kraft – und
diese ist nötig, denn der War for Talents
wird künftig nicht mehr mit den Waffen
unserer Grossväter geschlagen werden
können.
Die Werbung macht’s vor
Wenn es denn stimmt, dass wir in einem
Kampf um immer weniger werdende
Talente stehen, dann müssen wir uns
und unsere Stellen auch endlich besser
vermarkten. Dabei lohnt es sich, bei der
«richtigen» Werbung ein paar Kniffe ab-zuschauen.
Denn im Kern geht es immer
um das Gleiche: Verkaufen. Die Spiel-regeln
sind an sich einfach: An die Ziel-gruppen
denken und klare Botschaften
kommunizieren, die bei den potenziellen
Bewerbern ankommen.
Ein unverwechselbarer Auftritt auf dem
Arbeitsmarkt basiert auf der Betonung
der Unterschiede. Darauf, dass sich ein
Arbeitgeber mit dem, was er zu bieten
hat, differenziert. Die pfi ffi gste Personal-werbung
nützt nichts, wenn konkrete
Botschaften über Arbeitgebervorteile
und die emotionalen Aspekte der Un-ternehmenskultur
fehlen. Die inhaltliche
Differenzierung von Mitbewerbern ist
entscheidend, sonst bleiben Sie als Ar-beitgeber
konturlos und austauschbar.
Unterschiede herausschälen
Im Personalmarketing dreht sich (fast) al-les
um die Frage: Was habe ich zu bieten?
Was die Unique Selling Proposition (USP)
im Konsumgütermarketing, ist die Emplo-yer
Value Proposition (EVP) für das Perso-nalmarketing.
Das erschreckt viele Unter-nehmen,
es tönt so mächtig und gross.
Dabei ist das Herausschälen der Arbeitge-bervorteile
gar nicht so schwierig. Oliver
Mattern, Employer Branding Spezialist,
bringt es auf den Punkt: «Um in einem
mittelständischen Unternehmen das, was
wir EVP nennen, auf den Punkt zu brin-gen,
brauchen Sie gesunden Menschen-verstand,
einen halben Tag Zeit und eine
Handvoll Leute, die das Unternehmen gut
kennen». So sind wir bei den Verkehrsbe-trieben
Zürich (VBZ) an das Thema heran-gegangen.
Das Resultat eines spannenden
und intensiven Nachmittags kommunizie-ren
wir seit Jahren konsequent, so zum
Beispiel auch im Abspann der Jobvideos.
Forscher wollen entdeckt haben, dass je-den
Tag bis zu 10 000 Werbebotschaften
auf uns einprasseln. Wer in diesem «war
of eyeballs» seine Produkte, Dienstleis-tungen
oder eben Arbeitsplätze an den
Mann oder an die Frau bringen will, muss
erst einmal auffallen. Markus Ruf ist zwei-facher
Werber des Jahres und weiss, wie
das geht. Er zitiert dazu den deutschen
Dichter Friedrich von Logau: «In Gefahr
und grosser Not, bringt der Mittelweg
den Tod.» Etwas weniger barock formu-liert:
«Wer sich nicht vom Mainstream ab-hebt,
wird in diesem untergehen – kann
also auch kein Interesse wecken und kei-ne
Sympathie gewinnen.»
Dieser Mainstream in der Personalwer-bung
ist in den Stellenbörsen besonders
gut sichtbar. Dort haben sich die seit über
50 Jahren in Form und Inhalt praktisch un-veränderten
Werbemittel Stelleinserate
schadlos in das Internetzeitalter gerettet.
Web 2.0? Video? Dialog? Fehlanzeige:
Belanglosigkeit und Langeweile in Rein-kultur.
Dass es auch anders geht, beweist
etwa die Swisscom mit ihren neuen Stel-lenanzeigen
(siehe Artikel S. 28).
Emotionen auslösen
Die Personalwerbung muss verstärkt die
Gefühle der Zielgruppen ansprechen
und Emotionen auslösen. Damit das ge-lingt,
braucht es auch in der Vermark-tung
von Arbeitsplätzen Kreativität, eine
Prise «Frechmut» und Professionalität.
Markus Ruf bringt es auf den Punkt: «In
der Personalwerbung wird Langeweile
oft mit Seriosität verwechselt. Ein lang-weiliges
Unternehmen aber zieht kaum
spannende und motivierte Leute an.»
Damit sich das ändert, braucht es un-ter
anderem auch neue Talente für die
Personaler und Recruiter: Know-how in
Marketing und Vertrieb, in der Kommu-nikation
und in Public Relations sowie
ein Grundverständnis über das Zusam-menspiel
von Mensch und IT-Systemen
werden zu neuen Kernkompetenzen im
HR.
Jörg Buckmann und
sein Autoren-Team zei-gen
Ihnen in «Einstel-lungssache:
Personal-gewinnung
mit Frech-mut
und Können»
(Springer Gabler Verlag),
wie Sie mehr Würze in
Ihr Personalmarketing bringen.
Bestellung und weitere Informationen:
blog.buckmanngewinnt.ch/frechmut/
frechmut-das-buch-2
Autor
Jörg Buckmann ist seit
2007 Leiter Personal-management
bei den
Verkehrsbetrieben Zürich
(VBZ). Auf seinem Blog
blog.buckmanngewinnt.ch
berichtet er über frische
Personalgewinnung.
Tipps für «frechmutige» Personalwerbung
1. Was haben Sie zu bieten? Nehmen Sie sich ein weisses Blatt, ein paar Kolleginnen aller
Hierarchiestufen und einen halben Tag Zeit. Und fast schon fertig ist Ihre Employer Value
Proposition. Oder schaufeln Sie etwas Budget frei und holen Sie sich Unterstützung.
2. Schauen Sie mal wieder ins Schaufenster Ihrer Personalwerbung, ins Internet und auf
Ihre Stellenanzeigen. Würden Sie sich selber bei Ihrem Unternehmen bewerben? Neh-men
Sie Verbesserungen heute noch in Angriff, auch kleine.
3. Vertrauen Sie nicht auf vermeintliche Sicherheitslösungen. Man kann Werbung mit
einem Auftritt in der Manege vergleichen: Das Publikum liebt Kunststücke, die hoch
oben unter der Zirkuskuppel vorgeführt werden. Wer sein Stück nur 10 Zentimeter über
dem Boden aufführt und auch noch ängstlich ein Auffangnetz darunter zieht, darf sich
nicht wundern, wenn kein Mensch hinguckt.
4. Verwechseln Sie Langeweile nicht mit Seriosität. Ein langweiliges Unternehmen zieht
kaum motivierte Leute an. Gestalten Sie Ihre Personalwerbung so überraschend und
unterhaltsam wie die Produktwerbung Ihres Unternehmens.