Der Beweisantrag im Strafprozessrecht nach §§ 244, 245 StPO ermöglicht den Prozessbeteiligten das Einführen von Beweismitteln im Rahmen eines Strafverfahrens. Das Referat gibt einen kurzen Überblick über die Anforderungen, die Formulierung eines Beweisantrags sowie die Ablehnungsgründe des Gerichts.
1. Referat: Der Beweisantrag
05.02.2014
Dipl.-Jur. Conrad S. Conrad
Der Beweisantrag (Vgl. §§ 244, 245 StPO)
I. Grund & Funktion
Das Ziel des Strafverfahrens ist die Ermittlung der Wahrheit. Daraus folgt die Pflicht des Gerichts im
Wege des Strafverfahrens, die der Entscheidung zu Grunde liegenden Tatsachen umfassend zu
untersuchen und aufzuklären.
Die Prozessbeteiligten können jedoch Beweisanträge stellen, um so das Gericht zu verpflichten,
diesen vorgetragenen Beweisen im Rahmen der Beweiserhebung nachzugehen und so der
Wahrheitsfindung und Aufklärung des Sachverhalts gerecht zu werden. Das Recht der Stellung von
Beweisanträgen lässt sich unmittelbar aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs.
1 GG ableiten.
Prozessbeteiligte: StA, Nebenkläger, Privatkläger und Angeklagte/Verteidiger
1. Was ist ein Beweisantrag?
Eine Definition existiert nicht, aber BGH erklärt: Beweisantrag ist jedes ernsthafte Verlangen eines
Prozessbeteiligten, dass über eine bestimmte Tatsachenbehauptung durch ein bestimmt bezeichnetes
und nach der StPO zulässiges Beweismittel Beweis erhoben wird (BGHSt 1, 29; 6, 128; NStZ 1981,
261).
Der Beweisantrag besteht aus 2 Elementen: Beweistatsache und Beweismittel
Beweistatsache = Antragsteller muss eine zu beweisende Tatsache vorbringen, die seiner Meinung
nach feststeht und nicht nur möglicherweise gegeben ist.
Es muss Konnexität zwischen Beweismittel und Beweistatsache bestehen!
2. Arten der Beweismittel
Beweismittel können der Zeugenbeweis, Urkundenbeweis, Sachverständigenbeweis oder
Augenscheinsbeweis sein.
- Augenscheinseinnahme (Anschauung einer Sache, Besichtigung eines Ortes)
- Vernehmung eines Zeugen (nach Ladung in der Verhandlung)
- Sachverständiger (Gutachten bzw. Vernehmung als Sachverständiger in der Verhandlung)
- Verlesung einer Urkunde (z.B. Brief, Attest, Vertrag, Mail, Protokolle)
Zu unterscheiden:
a) Präsente Beweismittel
Zeuge oder Sachverständiger ist geladen und erschien bzw. Beweismittel wie Urkunde oder
Gegenstand sind vor Ort in der Hauptverhandlung.
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b) nicht präsente Beweismittel
Beweismittel sind nicht vor Ort und müssen erst herbeigeholt werden, Zeugen nicht erschienen, Ort
des Beweismittels ist unbekannt.
3. Zeitliche Wirkung
Der Beweisantrag kann grundsätzlich von Beginn des Ermittlungsverfahrens bis zur
Urteilsverkündung gestellt werden.
a) Ermittlungsverfahren
Im Ermittlungsverfahren werden Beweisanträge wie Beweisermittlungsanträge behandelt und
müssen nicht durch die Staatsanwaltschaft beschieden werden.
b) Zwischenverfahren
Auch im Zwischenverfahren ist das Gericht nicht verpflichtet, den Beweisantrag zu bescheiden oder
diesem nachzukommen.
c) Hauptverfahren
Erst mit Eröffnung des Hauptverfahrens besteht eine Pflicht des Gerichts die Beweisanträge zu
behandeln, also entweder stattzugeben oder abzulehnen. In zeitlicher Hinsicht muss die Bescheidung
bis zum Ende der Beweisaufnahme erfolgen. Hilfsbeweisanträge oder Eventualbeweisanträge
müssen erst im Urteil beschieden werden.
Beweisanträge sind aufgrund des Mündlichkeitsgrundsatzes schriftlich zu stellen und mündlich
vorzutragen während der Hauptverhandlung.
Sonderfall in der Praxis: Frist durch das Gericht
Das Gericht setzt der Verteidigung eine Frist der zur Stellung von Beweisträgen (Um
Rechtsmissbrauch und Prozessverschleppung vorzubeugen).
-> Problem: Verspätete Beweisanträge (trotz § 246 StPO!) daher unzulässig? Wohl nein (str), Frist nur
Indiz für Verschleppung; Wenn (die Verspätung) nachvollziehbar begründet ist, dann Antrag zulässig.
4. Sonderfall: Bedingter Beweisantrag
Der bedingte Beweisantrag ist an Bedingungen geknüpft. Der Antrag wird zwar vorher gestellt, soll
aber nur dann gelten, wenn die Bedingung eintritt.
z.B.
- Hilfsantrag
- Eventualbeweisantrag
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5. Abgrenzung
a) Beweisermittlungsantrag (Gericht soll Sache weiter erforschen, Behörde hinzuziehen usw.) ist das
einfache Begehren des Antragstellers an das Gericht [oder StA im Ermittlungsverfahren], in
bestimmter Weise und zu einem bestimmten Anhaltspunkt ermittelnd tätig zu werden. Hier fehlt es
dann an einer der notwendigen Voraussetzung des Beweisantrags.
b) Beweisanregung
Weniger stark ausgeprägt wie der Beweisermittlungsantrag.
II. Formulierung des Beweisantrags
Der Beweisantrag setzt sich zusammen aus der Beweisbehauptung und dem benannten Beweismittel
(Konnexität) und muss in jedem Fall richtig formuliert werden. Andernfalls wird er i.d.R. abgelehnt.
„In der Strafsache gegen……..
wird beantragt, den Zeugen F, wohnhaft in…, zu laden und zu vernehmen. Dieser erklärt, dass
der Angeklagte den ganzen Abend bei ihm war, da sie zusammen das Fußballspiel geschaut
haben. Damit wird deutlich, dass der Angeklagte zur Tatzeit nicht am Tatort war, sondern in
der Wohnung des F.“
„In der Strafsache gegen…..,
wird beantragt, das hiermit dem Gericht übergebene Schreiben der Firma A. vom 12.03.2011
als Urkunde zu verlesen
zum Beweis der Tatsache, dass die Behauptung der Zeugin Z, der Angeklagte sei zum
Tatzeitpunkt arbeitslos gewesen, unrichtig ist.“
Checklist: Merkmale des Beweisantrags
- Wann? (Zeitpunkt des Verfahrens)
Im Ermittlungsverfahren -> An die StA zu stellen
In Hauptverhandlung -> An das Gericht zu stellen
- Womit? Mit welchem Beweismittel?
- Welches Beweisziel soll errungen werden?
- Wie stehen diese miteinander in Verbindung (Beweisbehauptung und Beweismittel)?
- Wo ist das Beweismittel zu finden? (Adresse, Ort…)
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4. Referat: Der Beweisantrag
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III. Ablehnung des Beweisantrags (Ablehnungsgründe)
Die Ablehnung kann nur in Form eines Gerichtsbeschlusses erfolgen, der begründet und vor
Beendigung der Beweisaufnahme bekannt gegeben werden muss.
1. Präsente Beweismittel – Ablehnung nach § 245 Abs. 1, Abs. 2 StPO
präsente Beweismittel können bei der Beweisaufnahme nur in besonderen Fällen abgelehnt werden,
z.B. wenn die Beweiserhebung unzulässig ist - § 245 Abs. 1, Abs. 2 StPO.
2. Nicht präsente Beweismittel - Ablehnungsgründe (Vgl. 244 Abs. 3 – 5 StPO)
a) Beweisverbot (Beweiserhebungsverbot / Beweisverwertungsverbot)
zwingende Ablehnung; z.B. Beweismittel ist unzulässig oder Beweiserhebung ist unzulässig (z.B.
Folter, Keine ordnungsgemäße Belehrung, illegale TKÜ). - § 244 Abs. 3, S. 1 StPO.
b) Beweiserhebung ist „offenkundig überflüssig“
Betrifft bspw. Tageszeit, Erdkunde, Zauberei (allgemeinkundige Tatsachen); Gerichtsurteile
(gerichtskundige Tatsachen). - § 244 Abs. 3, S. 2 StPO.
c) Beweiserhebung (der Beweis) ist unerheblich und ohne Bedeutung für die Entscheidung
z.B. Vernehmung von Personen, die nicht dabei waren, Fragen nach Religion oder Vergangenheit.
- § 244 Abs. 3, S. 2 StPO.
d) Beweismittel ist „ungeeignet“
z.B. Vernehmung eines Blinden bei optischen Fragen. - § 244 Abs. 3, S. 2 StPO.
e) Beweismittel ist unerreichbar
z.B. Vernehmung eines Zeugen, dessen Wohnort unbekannt ist, Verlesung einer Urkunde, die nicht
aufzufinden ist usw. § 244 Abs. 3, S. 2 StPO. Hier erfolgt eine Güterabwägung (Kosten/Zeit).
f) Die Tatsache ist schon erwiesen
Problem: Weitere Zeugenvernehmung, wenn Sache eindeutig ist und Gericht es als erwiesen ansieht.
§ 244 Abs. 3, S. 2 StPO.
g) Prozessverschleppung droht
Wenn der Beweisantrag allein zum Zweck der Prozessverschleppung gestellt wird. § 244 Abs. 3, S. 2
StPO.
Prozessverschleppung liegt vor, wenn…
aa) Nichts Sachdienliches (Nach Ansicht des Gerichts) dabei herauskommt.
bb) Das Verfahren erheblich verzögert werden würde.
cc) Antragsteller dies weiß und allein die Verzögerung damit bezweckt.
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5. Referat: Der Beweisantrag
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h) Ablehnung des Sachverständigen bei Sachkunde des Gerichts
So kann z.B. das Gericht i.d.R. die Glaubwürdigkeit eines gesunden Zeugens selbst überprüfen. - §
244 Abs. 4 S. 1 StPO.
i) „Nicht erforderlich“
Wenn die Inaugenscheinnahme einer Sache oder die Zeugenvernehmung eines im Ausland lebenden
Zeugen nach Auffassung des Gerichts nicht erforderlich ist. - § 244 Abs. 5 StPO.
IV. Mögliche Folgen der Ablehnung
Lehnt das Gericht den Beweisantrag zu Unrecht ab, kann eine Revision gem. § 337 StPO begründet
sein.
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