Groups 2010.09: Free/Open Spectrum (Digital Sustainability)
Groups 2010.09: Free/Open Spectrum (Digital Sustainability)
1. Weiden auf der digitalen Allmend
Open Spectrum
Matthias Roggo
Moritz Vifian
Herbstsemester 2010
ETH Zürich
2.
3. Die Autoren
Matthias Roggo, maroggo@student.ethz.ch
Moritz Vifian, mvifian@student.ethz.ch
studieren beide Elektrotechnik im 3. Semester.
Hintergrund
Dieser Bericht entstand im Rahmen der Vorlesung «Digitale Nachhaltigkeit in der
Wissensgesellschaft» bei Dr. Marcus M. Dapp. Er darf gemäss folgender Creative Commons
Lizenz verwendet werden:
«Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.5 Schweiz», siehe
http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5/ch/
Aufgabenstellung
Neben den ganzen digitalen Ressourcen, die wir in der Vorlesung behandeln, gibt es noch
eine noch weniger spürbare Ressource, die für die digitale Welt aber auch sehr bedeutsam
ist: das Wellenspektrum zur Datenübertragung. Wofür setzt sich die «Free/Open Spectrum»|
Bewegung ein? Worin wird ein Problem gesehen und wie sieht der «open spectrum» Lösungs-
ansatz aus? Z.B. bei GSM und Wifi. Führt uns an das Thema heran, indem ihr uns folgende
Initiativen/Projekte erklärt:
Bereich GSM
– Was kann man mit der Software openBTS anstellen? Erläutert in diesem Zusammen-
hang auch wie das Mobilfunknetz (grob) funktioniert und welche Rolle darin Carrier,
Telefongesellschaften, Gerätehersteller, und natürlich Kunden spielen.
– Was würde sich ändern, wenn es mehr «open spectrum» gäbe?
Bereich WiFi
– Was wollen die Leute von http://start.freifunk.net/ erreichen? Wie erfolgreich sind sie
dabei? Gibt es das in der Schweiz auch?
– Was ist das FCC in den USA? Welche Rolle spielt es im Themenfeld "open spectrum"?
Wie bewertet ihr die jüngste Entscheidung des FCC?
3
6. 1 Traditionelle Nutzung
Einleitung
Dieser Bericht befasst sich mit den möglichen Perspektiven eines offeneren Frequenzspek-
trums - open spectrum. Was hat eine Deregulation auf die zukünfte Entwicklung von WLAN
und Mobilfunknetzen wie GSM für Auswirkungen, die heute beide auf der Prämisse «einge-
schränkter und fixer Arbeitsfrequenzbereich» aufbauen?
Uns wurde sehr schnell klar: Weder der GSM- noch WLAN-Standart sind mit der Aufgabe
dieser Grundannahme kompatibel. Unübersehbar ist jedoch, dass gerade in diesen beiden
Bereichen vermeintliche Axiome umgestossen werden, was dynamischere Infrastrukturen
ermöglicht – und das Erreichen eines Ziels, das allen drei Entwicklungen zugrunde liegt: Der
massiven Reduktion der Grenzkosten, was eine dezentralere «digitale Allmend» in greifbare
Nähe rückt.
1 Traditionelle Nutzung
Der erste Teil unserer Arbeit befasst sich mit dem Status quo. Um zu verstehen, wie die heutigen
Strukturen erforderlich geworden sind, benötigt man ein gewisses technisches Grundwissen.
Dieses haber wir deshalb so kompakt als möglich auf den Infrastruktur-wesentlichen Bereich
zusammengefasst.
Unsere Fragestellung für den ersten Teil:
– Was passiert eigentlich im «Äther»; welche Daten werden tagtäglich per Funk übertra-
gen?
– Wer verwaltet diese Ressource?
– Welche Infrastruktur ist nötig, um ein GSM-Netz zu betreiben?
– Wer verwaltet und kontrolliert eigentlich das Internet?
1.1 Elektromagnetisches Frequenzspektrum:
Die Nutzung des Elektromagnetischen Spektrums reicht sehr weit zurück, und dennoch ist
die Regulation heute noch ähnlich restriktiv wie anfangs des 20. Jahrhundert. Was sind die
Hintergründe für das «Bewirtschaften» der Frequenzen?
1.1.1 Geschichte der «Funkerei»
Zum ersten mal «gefunkt»
Die ersten Experimente mit Radiowellen wurden 1888 von Heinrich Hertz durchgeführt, nach-
dem James Clerk Maxwell 1864 deren Existenz vorhergesagt hatte. So konnte Guglielmo Mar-
6
7. 1.1 Elektromagnetisches Frequenzspektrum:
coni bereits 1896 über eine Strecke von 5 km funken – diese unmodulierten oberwellenreichen
Pulse konnten schon zur Übertragung von Morsesignalen genutzt werden. 1
Bald darauf folgten eine erste transatlantische Funkverbindung (1900) und die Ausrüstung
erster Handelschiffe (1902) mit dieser neuen Technologie. Durch eine enge Zusammenar-
beit mit dem englischen Staat gelang es Marconi innert Kürze, eine Monopolartige Stellung
einzunehmen. Da Nachrichten, die mit Anlagen der Konkurrenz verschickt wurden, nicht
weiterübermittelt werden durften (Marconi konnte dies durch den Einsatz eigener Funker
sicherstellen), gerieten bisweilen Schiffe in Seenot, die ihr SOS nicht weiterleiten konnten.2
Internationale Rundfunkkonferenz Berlin 1906
Aufgrund dieser Vorfälle wurde an der Berliner Konferenz von 1906, an der 29 Staaten teilnah-
men, erstmals der Grundsatz aufgestellt, dass Nachrichten unabhängig vom Gerätehersteller
weiterverbreitet werden müssen. Dieses Prinzip findet auch heute noch Anwendung, etwa in
der Kommunikation zwischen Internet-Servern.
Erstmals wurden auch Frequenzbänder festgelegt, da mit der damaligen Stand der Technik
mehrfaches Verwenden einer Frequenz unmöglich war: Seefunk (500 - 1000 kHz), Küstenstatio-
nen (150 - 188 kHz) und militärische Stellen (188 bis 500 kHz) bekamen Spektren zugewiesen;
Amateurfunker mussten sich nun auf den Kurzwellenbereich beschränken. Dies war der
Beginn der Spektrumsregulierung, wie wir sie heute kennen.
3
1.1.2 Lizenzvergabe
Die internationale Frequenzvergabe ist heute Aufgabe der Internationalen Fernmeldeuni-
on (ITU), die auf den 1865 gegründeten Internationalen Telegraphenverein zurückgeht und
als Organ der UNO fungiert. Diese regelt die Frequenzvergabe auf internationaler Ebene. Die
Recommendations, die verschiedene ihrer Studiengruppen zu technische Fragenstellungen
herausgeben, bekommen aber erst durch Normierungsbehörden und Ämter wie ISO (interna-
tional), FCC (USA) oder das BAKOM (Schweiz) bindenden Charakter. Auf europäischer Ebene
wird im Rahmen des CEPT (Conference Européenne des Administration des postes et des
télécommunications) verhandelt.4
Die Frequenznutzung in der Schweiz ist in der Regel Konzessionspflichtig. Ausgeschlos-
sen davon sind Militär und Zivilschutz, Frequenzen über 3 GHZ und gewisse Spektren bei
geringen Leistungen.
Für alles Andere erteilt das BAKOM räumlich, zeitlich und personell eingeschränkte Konzes-
sionen, die für Private kostenpflichtig sind. Aufgrund der stark unterschiedlichen Konzessi-
onstypen bewegen sich die Preise zwischen 12.- (Jedermannsfunk um 27 MHz) und 50’000.-
1 http://de.wikipedia.org/wiki/Funktechnik#Geschichte_und_Begriffsherkunft
2 http://www.heise.de/newsticker/meldung/100-Jahre-Frequenzregulierung-113217.html
3 http://de.wikipedia.org/wiki/Weltfunkkonferenz#Internationale_Funktelegrafiekonferenz.2C_Berlin_1906
4 http://de.wikipedia.org/wiki/Internationale_Fernmeldeunion
7
8. 1 Traditionelle Nutzung
BTS: Base Station Controller – BTS: Base Transceiver Station
MSC: Mobile Switching Center
BTS BTS BTS
AUSLAND
MSC ANDERE PROVIDER
MSC MSC
Abbildung 1.1: GSM-Hierarchie
(Satellitenfunk) jährlich. Beim mobilen Landfunk etwa bewegen sich die Kosten um 200.- pro
12,5 KHz und Jahr.5
Etwas anders funktionert es bei den «heiss umkämpften» Spektren
für Radio und Fernsehen. Diese Konzessionen werden öffentlich ausgeschrieben und auf-
grund von Inhalten und Zielgruppen vergeben; es besteht also ein Leistungsauftrag an den
Nutzer der Konzession. .
1.2 Mobilfunk: GSM
1.2.1 Aufbau
Anders als beim Rundfunk findet die Datenübertragung beim Mobilfunknetzen gezielt und in
beide Richtungen statt. Dies führt zu gänzlich anderen Anforderungen an die Hardware:
– Jedes Endgerät benötigt seinen eigenen «Kanal»
5 http://www.bakom.admin.ch/; «Konzessionsvorschriften»
8
9. 1.2 Mobilfunk: GSM
– Die Endgeräte sind nicht mehr fix installiert!
– Es wird gleichzeitig gesendet und empfangen (vollduplex)
Das Global System for Mobile Communications löst dies, indem es hierarchisch organisiert ist.
1.2.1.1 Basisstation (Base Transceiver Station, BTS) und Funkzelle
Die Basisstation spannt üblicherweise drei bis sechs Zellen mit etwa fünf Trägerfrequenzen auf,
welche bei «klassischem GSM» pro Trägerfrequenz sieben Gespräche simultan übermitteln.
Diese Dichte wird durch Zeitmultiplexing erreicht: Die verfügbare Zeit auf der Frequenz wird
in acht Zeitschlitze von 577 µs aufgeteilt, von denen jeweils einer einem Empfänger zugeteilt
ist6 . 7
Die Zellengrösse variiert von von Fall zu Fall stark: Während in dünn besiedelten Gebieten
die Reichweite einer einzelnen Zelle bis zu 35 km betragen kann (grössere Zellen sind aufgrund
der Signallaufzeit nicht möglich), beträgt die Reichweite von Zellen in Stadtzentren wenige
hundert Meter. Folgende Faktoren bestimmen u. A. die Zellgrösse:
– Nutzdichte – pro Zelle ist nur eine beschränkte Anzahl Nutzer möglich
– Bebauung und Topographie – Gebäude und Hügel reflektieren Funksignale
– Trägerfrequenz – Höherfrequente Signale werden stärker gedämpft («Pfadverlust»)
– Antennenleistung und -höhe8
Zu den Aufgaben der BTS gehören die Regelung der Signalstärke, Kompression und Ver-
schlüsselung von Gesprächsdaten, Messung der Verbindungsqualität und das Ausführen von
Frequenzwechseln (innerhalb der selben Zelle) bei zu starken Störungen.
1.2.1.2 Basisstations-Steuereinrichtung (Base Station Controller, BSC)
Mehrere Basisstationen (üblicherweise 10 bis 100) werden durch einen BSC zusammengefasst,
welche die Verbindungsqualität jeder Verbindung überwacht, um laufende Gespräche von
Zelle zu Zelle zu verschieben. Was führt zu einem solchen Wechsel («Handover»)?
– Der Empfänger verlässt die Zelle
– Eine andere verfügbare Zelle bietet besseren Empfang
– Sich schnell bewegende Teilnehmer zu einer grösseren Zelle übermittelt
– Bessere Lastverteilung9
Solche Handovers finden aber nicht nur zwischen verschiedenen Basistationen, sondern auf
allen Ebenen des Systems statt – also etwa auch zwischen den verschiedenen MSCs.
6 In Realität wird aber noch etwa die Hälfte die Zeit zur Signalkalibrierung benötigt
7 http://de.wikipedia.org/wiki/GSM#Physikalische_.C3.9Cbertragung_auf_der_Luftschnittstelle
8 http://en.wikipedia.org/wiki/Cell_site
9 http://en.wikipedia.org/wiki/Handover
9
10. 1 Traditionelle Nutzung
1.2.1.3 Mobile Vermittlungsstelle (Mobile-services Switching Centre, MSC)
Die mobilen Vermittlungsstellen bündeln die BSC und verbinden so das Mobilfunk- mit dem
Der «Carrier» stellt restlichen Telefonnetz eines Carriers. Damit das MSC den Verbindungsaufbau steuern kann,
die nötige werden alle Teilnehmer im Einzugsbereich im sogenannten Visitor Location Register (VLR)
Infrastruktur zur gespeichert und derer jeweiligen «Heim-MSC» gemeldet. Diese sichert in der Liste «ihrer»
Verfügung, um
Mobilfunkteilnehmer, dem Home Location Register (HLR) deren aktuellen Aufenthaltsort. So
telefonieren zu
können eingehende Anrufe dem jeweiligen MSC weitergeleitet werden.10
können.
1.2.1.4 Betriebs- und Wartungszentrale
(Operation and Maintenance Centre, OMC)
In erster Linie regelt das OMC die Auslastung des Netzes. Da zu den Aufgabenbereichen aber
auch die Fehlererkennung, das Aufzeichen von Statistiken, die Behebung von Störungen, die
Fernwartung und die Gebührenerfassung gehören, wird hier der Einsatz von (ja, menschlichen)
Fachkräften unumgänglich. 11
1.2.2 Kosten
Da die GSM-Technologie proprietär entwickelt und vermarktet wurde, ist es sehr schwierig, die
Kosten für beispielsweise eine GSM-Basisstation einzuschätzen. Unsere Angabe bezieht sich
daher auf eine versehentlich veröffentlichte Cisco-GSM-Hardware-Preisliste12 : Gemäss dieser
belaufen sich die blossen Hardwarekosten einer BTS für 25 simultane Gespräche auf $500’000
bis $900’000. Dazu kommen die «Rights to use», die in diesem Fall $1’200’00 jährlich betragen.
Ein (leider nicht zitierbarer) Mitarbeiter im Bereich Einkauf einer schweizer Mobilfunkfirma
schätzt hingegen die Kosten einer «durchschnittlichen» BTS auf CHF 40’000.- bis 60’000.-,
unabhängig ob 2G oder 3G.
Nebst der Höhe dieser Beträge erstaunt auch, dass die Lizenzkosten die Hardwarekosten in
der Regel weit übersteigen. Dies lässt sich – neben der nötigen Amortisation der Entwicklungs-
kosten – auch auf nötigen Drittlizenzen zurückführen, da viele Teilbereiche von GSM noch
immer Patenten von Ericsson, At&T, etc. unterliegen (siehe auch 2.2.1 auf Seite 21). 13
1.2.3 Markt
1.2.3.1 Infrastruktur
Die Vergabe der Lizenzen erfolgt in den meisten Ländern im Ausschreibungsverfahren. Der
Bietende muss einerseits bereit sein einen gewissen Betrag für das Frequenzspektrum aufzu-
wenden. Andererseits hat er auch einen Leistungsauftrag zu erfüllen, flächendeckendes Netz14
bereitzustellen. Für diesen Zweck bedarf es einer guten Infrastruktur, wie im vorhergehenden
10 http://de.wikipedia.org/wiki/Visitor_Location_Register
11 http://www2.nortel.com/go/product_assoc.jsp?segId=0&parId=0&catId=0&rend_id=768&contOid=100173228&prod_id=50086&l
US
12 http://www.doretel.com/documents/CiscoGlobalPriceGuideList.xls
13 http://www.frlicense.com/GSM_FINAL.pdf
14 http://www.bakom.admin.ch/org/00577/index.html?lang=de
10
11. 1.2 Mobilfunk: GSM
Abschnitt GSM-Netz erklärt. In der heutigen Vergabepolitik ist es nur möglich, Lizenzen für ein
ganzes Land zu erhalten. Dies geschieht um kommerziell unattraktivere Gebiet zu schützen,
sogenannter Service Public.
Fallbeispiel UMTS In England wurden im Jahr 2000 fünf UMTS-Lizenzen für damals 75 Mil-
liarden Deutsche Mark versteigert; dies entspricht 1300 DM pro Einwohner.15 In der Schweiz
wurden, auch im Jahr 2000, eher bescheidene Summen dafür bezahlt: Orange, Sunrise und
Swisscom mussten jeweils 50 Mio. CHF hinblättern.16 Bereits bei der Bewältigung der Lizenz-
kosten scheint es eher unwahrscheinlich, dass eine Community – ohne finanzstarke Stiftung
im Hintergrund – bei diesem Spiel mitmischen kann. Dazu kommt, dass sich UMTS im 2 GHz-
Bereich abspielt, normales GSM aber auch 900 MHz als Trägerfrequenz hat. Es gilt: Je länger
die Welle (kleinere Frequenz), desto grösser die Reichweite. Dies hat zur Konsequenz, dass
für ein UMTS-Netz für die gleiche Abdeckung mehr Antennen errichtet werden müssen. Bei
der UMTS-Lizenzierung lief also so einiges schief: Durch den masslosen Wettbewerb bei der
Versteigerung der Lizenzen wurden kleinere und mittlere Unternehmen sowie Neueinsteiger
faktisch von der Teilnahme ausgeschlossen. Für die vermeintlichen Sieger stellten aber die
Unverkäuflichkeit der Lizenz und die hohen Infrastrukturkosten grosse Probleme dar.
1.2.3.2 «Markgleichgewicht»
1. Ist eine Technologie neu, findet ein ruinöser Wettbewerb statt. Die Preise sind meist
nicht deckend, da jede Firma davon ausgeht, in (naher) Zukunft einen Grossteil der
Kunden an sich zu binden.
2. Einzelne Firmen gehen Konkurs und/oder werden von der Konkurrenz aufgekauft. Die
Preise steigen.
3. Die Angebote der Anbieter unterscheiden sich kaum noch. In der Theorie sollte nun das
Optimum zwischen Preis und Leistung erreicht sein.
4. In der Realität kann es aber im nächsten Stadium zu einer Segmentierung kommen.
Die Firmen Teilen Kunden untereinander auf und haben in ihrem jeweiligen Gebiet ein
Monopol (gut zu Beobachten beim deutschen Strommarkt)
1.2.3.3 Konkurrenzsituation in der Schweiz
In der Schweiz existieren nur 3 Mobilfunkunternehmen.
Firma Marktanteil Umsatz 2009 Gewinn 2009
Swisscom 62% 12,001 Mia 1,9 Mia
Sunrise 21% 2,001 Mia 158 Mio
Orange 17% 1,296 Mia -
15 http://www.teltarif.de/arch/2000/kw18/s2059.html
16 http://www.bakom.admin.ch/dokumentation/medieninformationen/00471/index.html?lang=de&msg-
id=2245
11
12. 1 Traditionelle Nutzung
Problematisch an dieser Verteilung scheint, dass Swisscom auf den Gesamtumsatz bezogen
gleich viel Gewinn macht wie die beiden anderen Unternehmen . Dies führt bei Neuinves-
titionen dazu, dass die beiden Firmen Orange und Sunrise, welche eigentlich als flexible
Konkurrenz die Preise tief halten sollten, kaum einen Spielraum haben. des iPhones Sunrise
gar nicht mitmischen, da sie noch ein ungenügendes UMTS-Netz hatte; sie wurde von App-
le verschmäht. Langfristig heisst das, dass die Marktmacht von Swisscom unter gegebenen
Umständen kaum zu durchbrechen ist.
Gegenüber dem EU-Raum zahlen die Schweizer erheblich mehr. Es stellt sich die Frage, ob
dies mit dem hohen Wohlstand – die Kunden sind zu bequem zum Wechseln17 – «entschuldbar»
ist, oder dass der Markt einfach zu wenig spielt. Bei der zweiten Möglichkeit sagt zum Beispiel
Swisscom selbst, dass der Telekommarkt viel zu stark reguliert sei und somit kein echter
Wettbewerb zustande komme. Ein andere Anschauungsweise ist, dass fast jeder unregulierte
Wettbewerb früher oder später auf ein Marktmonopol hinausläuft.
Motivation für Investitionen und tiefe Preisen ist eigentlich nur die langfristige Aussicht auf
eine Monopolstellung. Wie kann also sichergestellt werden, dass sich nie ein Monopol ergibt,
sich aber trotzdem ein Gleichgewicht einstellt?Redundante Antennen
gäbe?
Teilweise ist der Wettbewerb grotesk: Kaum hat ein Anbieter mit einer neuen Antenne ein
Gebiet besser erschlossen, rückt die Konkurrenz nach. Anstatt einer einzigen Antenne ent-
stehen gleich drei oder mehr. Klar ist, dass je nach Gebiet eine erhöhte Kapazität berechtigt
Peak ist eine Spitze ist.. Problematisch ist aber die schlechte Skalierbarkeit. Ein Netz muss für den grössten Peak
welche die ausgelegt sein; sprich: Obwohl die maximale Anzahl Benutzer nur während einer halben
ausgewogene Stunde pro Tag erreicht wird, muss das Netzt auf diese Belastung ausgelegt sein, damit es
Nutzung einer
nie zusammenbricht. Bei jedem Unternehmer findet zwar ein sogenanntes Loadbalancing
Infrastruktur
statt, um die Anzahl Nutzer möglichst gleichmässig auf die verschiedenen Antennen zu ver-
verunmöglicht
teilen. Dieses könnte aber stark optimiert werden, falls die Kapazitäten von allen Anbietern
gemeinsam verwaltet würden.
Ein gemeinsames Netz wäre ökonomischer in Bezug auf Energieverbrauch und Strahlungs-
emissionen. Andererseits profitieren Endbenutzer heute in der Ausfallsicherheit nicht von der
Redundanz, da eigentlich kaum nationales Roaming stattfindet.
Konkurrenzlos unter dem Aspekt der Skalierbarkeit sind sogenannte «Meshnetworks» (siehe
Abschnitt 2.1.2.1 auf Seite 17). Bei dieser Form von Netzwerk agiert jeder Client (Handy) gleich-
zeitig auch als Server, über den kommuniziert werden kann. Dieser Cloud wächst dynamisch
mit der Belastung, da jeder neue User auch gleichzeitig die Kapazität erhöht; es wären keine
(so grossen) Grundkapazitäten mehr nötig.
17 http://www.tagesanzeiger.ch/digital/mobil/Schweizer-zahlen-2-Milliarden-zu-viel-fuers-
Handy/story/27879682
12
13. 1.3 Internet: Ethernet
1.3 Internet: Ethernet
1.3.1 Umwege um beim Nachbarn was runterzuladen: Sternförmiges Netz
Wie auch beim GSM-Netz ist die Struktur des Internets historisch bedingt. Bei der Gründung
des Internets hatten nur sehr wenige Personen per Kabel Zugang auch gab es noch kein WLAN.
Daher war es nötig, zu jedem Client eine eigene Leitung zu legen, da kaum die Möglichkeit
bestand, dass sich User untereinander direkt verbinden konnten. Fast zwanzig Jahre später
aber hat sich die Situation fundamental geändert: Fast jede Person, in der Schweiz zumindest,
hat einen PC mit WLAN. Unter diesen Umständen scheint es in vielen Fällen doch unsinnig,
dass z.B. beim P2P trotzdem die ganzen Daten einen Umweg über den Internet Service Provider
(ISP) machen.
Grosser Umweg Wenn Dieter Inkscape per BitTorrent herunterladen möchte und sein Nach-
bar Klaus dieses zufällig am Verteilen ist, so fallen sofort zwei Nachteile auf: Der Uplink18
beträgt bei den heutigen Breitbandanschlüssen meist kaum ein Zehntel des Downlinks19 ,
während man per WLAN mit einer deutlich höheren Bandbreite direkt kommunizieren könnte.
Falls nun mein Nachbar bei einem anderen ISP20 ist, machen meine Daten unter Umstän-
de eine völlig unnötige Reise durch die halbe Schweiz. Man beachte den 90er-Charme der
Grafik 1.2 auf der nächsten Seite.
1.3.2 Kontrolle des Internets
In der jetzigen Baumstruktur ist eine lückenlose Kontrolle des Datenverkehrs theoretisch
möglich. Angesichts der Cyberkriminalität und Terrorismus hat die EU auch ein sogenanntes
Gesetz zur «Vorratsdatenspeicherung» entworfen. Es verpflichtet alle Telekommunikationsan-
bieter ihre Verbindungsdaten für sechs Monate – ohne konkreten Verdacht – zu speichern21 .
Darunter fallen auch alle Internetverbindungen. Die ISP wehren sich aber dagegen, da sie
letztendlich in die Pflicht genommen werden, ihre Kunden zu überwachen und andererseits
auch eine gewisse Verantwortung tragen. Dazu sehen durch immer mehr Überwachung viele
Personen in Deutschland ihre Grundrechte verletzt. Falls aber ein ISP z.B. aufgrund von Urhe-
berrechtsklagen oder einer Gesetzgebung bestimmte Daten drosseln oder ganz blockieren
müssen, wird auch «Neutralität» des Internets verletzt.22
18 Übertragungsrate zum Provider hin
19 Übertragungsrate vom Provider weg
20 Internet Service Provider
21 http://www.zeit.de/politik/deutschland/2010-11/terrorwarnung-vorratsdatenspeicherung
22 http://de.wikipedia.org/wiki/Netzneutralität
13
14. 2 Ab in die digitale Allmend
Halbe Schweiz Andere Hälfte der Schweiz
Cablecom Swisscom
Klaus Dieter
Abbildung 1.2: Klassisches Internet (Etwas angestaubt)
14
16. 2 Ab in die digitale Allmend
2 Ab in die digitale Allmend
Seit Erfindung von GSM und Ethernet, sowie dem Beschluss, Frequenzen grundsätzlich ei-
nem bestimmten Dienst zuzuordnen sind einige Jahrzehnte Vergangen. Innerhalb dieser
Zeitspanne haben die Dinge eine unglaubliche Dynamik entwickelt:
– Die Marktdurchdringung bei Mobilfunk und Internetzugang liegt fast bei 100%
– Hardwarekosten sind im Elektronikbereich eingebrochen
– Mobilfunk ist Voraussetzung um an der modernen Gesellschaft teilzunehmen
– Internet ist keine nette Spielerei mehr, sondern unabdingbar um an Information zu
gelangen
Unsere Gesellschaft befindet sich in einer Zeit, da unsere digitale Infrastruktur fast die Funktion
eines Allgemeinguts erfüllt. Wir versuchen also in diesem Teil darauf einzugehen, wie eine
angepasste Nutzung dieses Gut in Zukunft ausschauen kann und hoffentlich wird.
2.1 Internet: WLAN
WLAN ist überall. Doch wie steht es eigentlich mit der Nutzung? In der modernen Hardware
steckt viel mehr Potenzial, als sich bloss zu einem Hotspot zu verbinden bzw. den Endgeräten
Internetanbindung zu Verfügung zu stellen. Damit diese Möglichkeiten aber auch ausge-
schöpft werden, bedarf es neuer Software und Treibern rund um die bewährten Komponente.
Auf diese technischen Neuereung versuchen wir in diesem Abschnitt einzugehen.
Zugang zum Internet Kaum jemand hatte vor dreissig oder auch nur fünzehn Jahren mit
einer derartigen Entwicklung gerechnet. Nun ist es aber an der Zeit, grundlegende Konzepte
zu überdenken. Jeder hat Zugang zur Hardware, die nötig ist, ein kleins bis mittleres WLAN
aufzubauen. Früher waren dafür Komponenten nötig, die nur eine Institution finanzieren
konnte. Wieso sollte ich mich heute noch in Abhängigkeit eines ISP begeben und Geld dafür
bezahlen?
16
17. 2.1 Internet: WLAN
2.1.1 WLAN vs. GSM - Ein Technologievergleich1 2 3
GSM WLAN
Frequenzen 0,9 GHz, 1,8 GHz 2 GHz, 5 GHz
Steuerung durch Netz durch Client
max. Daten pro Kanal 14,4 kBit/s 150 MBit/s (n)
max. Leistung 50 W / Kanal 100 - 1000 mW
Vermaschung BSC/MSC Router
Struktur bekannt & statisch dynamisch
Routing-Datenbank Zentral (MSC) verteilt
Kanäle 124 16
K. mit Multiplexing 992 -
Bandbreite 200 kHz 20 MHz
Beim Vergleich der beiden Technologien fällem vor allem die unterschiedlichen Schwer-
punkte auf: GSM hat das Ziel, möglichst viele Endgeräte zu bedienen, während beim WLAN
eine hohe Datenrate im Vordergrund steht. Die Zukunft liegt aber bei einer Kombination
aus beidem. Von der Mobilfunkseite her existieren bereits Protokolle wie 3G oder in Zukunft
4G. Auf der WLAN-Seite wird es in Zukunft auch Protokolle geben, die mehr Geräte auf der
gleichen Frequenz zulassen, je nach dem auf Kosten der Bandbreite.
2.1.2 Aufbau einer WLAN-Cloud
Um ein dynamisches Netzwerk aufzubauen, braucht es neue Konzepte. So ist es unmöglich
jedes Mal die Routing-Tabelle zu editieren, wenn ein Endgerät von Accesspoint A zu B wech-
selt. Und wieso sollte man sich in Abhängigkeit eines ISP’s begeben, wenn man über WLAN
doch eigentlich Zugang zu fünf verschiedenen hätte? In diesem Abschnitt erläutern wir die
technischen und rechtlichen Voraussetzungen, damit ein Internet von allen für alle auch
funktionieren kann.
2.1.2.1 Meshnetwork4
«Vermaschte Netzwerke» unterscheiden sich von normalen Netzwerken. In den meisten Haus-
halten gibt es den Router (Server), meist mit Anbindung ans Internet, und die Clients (No-
tebook, Drucker, Fernseher, etc.). In einem Meshnetzwerk hingegen wäre zum Beispiel der
Fernseher mit dem Router verbunden. Wenn ich jetzt dummerweise mit dem Notebook in die
Küche gehe, habe ich normalerweise keinen Empfang mehr. Dank dem Mesh aber kann ich
mich einfach über den Fernseher mit dem Internet verbinden.
In einem Haushalt erscheint das nicht so spektakulär, aber mit diesem Verfahren kann ich
so direkt mit einem Kollegen per VoIP telefonieren, der ein Kilometer von mir entfernt ist
und sich im gleichen Mesh befindet. Das ganze Netzwerk wird als Datenwolke bezeichnet.
1 http://de.wikipedia.org/wiki/Wlan
2 http://www.izmf.de/html/de/2116.html
3 http://de.wikipedia.org/wiki/GSM
4 http://wiki.freifunk.net/Meshing
17
18. 2 Ab in die digitale Allmend
Jeder in dieser Wolke ist nun erreichbar und kann auch jeden erreichen. Diese Technologie ist
Grundstein für dezentrales flächendeckende WLAN.
2.1.2.2 Adhoc-Routing: B.A.T.M.A.N.5
Bei einem normalen Netzwerk sind die Teilnehmer fix
und somit auch die Routingpfade statisch. Bei einem
adhoc-Mesh hingegen läuft dieser Prozess dynamisch
ab. So sind die möglichen Pfade bei einem normal ge-
routeten eindeutig.
Bei BATMAN hingegen kennt nicht jeder Knotendas
gesamte Netzwerk, aber jeder kennt wieder jemanden,
und der kennt jemanden, usw; dies wird als kollek-
tive Intelligenz bezeichnet. Nun ist es Zufall, wo der
Pfad durchgeht. Auf gut Glück wird ein Request an die
nächsten Knoten geschickt, diese tun rekursiv wieder
dasselbe, usw. Beim klassischen IP mit dem darunter-
liegenden Ethernet hingegen läuft alles schön struktu-
riert und zentralisiert ab.
Abbildung 2.1: Cloud in Berlin, freifunk.net
2.1.2.3 Handover
Im WLAN-Standart sind Handovermechanismen, al-
so unterbrechungsfreier Wechsel zwischen verschiedenen Accesspoints vorgesehen. In der
Realität führt aber das enge Frequenzspektrum (Überlappungen) zu Problemen. Dazu fehlt
beim jetztigen Stand ein geeigneter Mechanismus: Das Endgerät sucht erst nach der nächsten
Station, wenn der Kontakt abgebrochen ist. Nötig wäre ein vorausschauendes «anklopfen» bei
allen potentiellen Hotspots. Beim GSM-Netz übernimmt die Basisstations-Steuereinrichtung
(BSC) diese Aufgabe (siehe 1.2.1.2 auf Seite 9).
Bei einem Mesh ist eine solche Struktur gar nicht möglich und auch nicht gewollt. Da eine
normale WLAN-Karte nur auf einem Kanal senden kann, ist ein Frequenzhopping nötig, um
einen anderen Router aufzuspüren, was zu einem Unterbruch des Datenstroms führen würde.
Eine Alternative wäre die Kenntnis, wo sich der nächste Accesspoint geografisch befindet und
so (auf gut Glück) direkt Daten ins neue Netzwerk zu senden.
Für Notebooks spielt ein unterbrechungsfreies Handover nicht eine grosse Rolle. Problema-
tisch ist es hingegen bei VoIP-Telefonen die über WLAN kommunizieren.
2.1.2.4 Haftung bei Missbrauch
So wolkig die Aussichten mit dem Cloud, Adhoc, Mesh und sonstigen Networking auch sind, so
bleibt doch die Rechtsfrage als wichtiges Kriterium, ob das System sich durchsetzen. Gegeben
sei ein sehr böser Mensch, der sich beim Schweizer Geheimdienst einhackt. Dazu missbraucht
er das Projekt Freifunk. Wer trägt nun die Schuld, wenn der Endtäter nicht auszumachen
5 BATMAN-Protokoll: http://de.wikipedia.org/wiki/B.A.T.M.A.N.
18
19. 2.1 Internet: WLAN
Klassisches IP Batman OLSR
– Von Masche zu
Aufbau – Baum – Grosse Masche
Masche
– nur die nächste
– nur den Routern
Netzwerkstruktur Umgebung – allen bekannt
bekannt
bekannt
– vom Endgerät
– zufällig, rekursiv
– Eindeutig, von aufgrund der
Pfad von Endgerät zu
Routern geführt Struktur
Endgerät
berechnet
Anwendung – Heimnetz – Pilotversuche – Backbone
– Fällt ein Knoten
– Neue Topologie
aus, ist der
– Dynamische muss zuerst an
gesamte
Redundanz Neufindung des alle
Unterbaum
Pfades kommuniziert
gegen oben
werden
abgeschnitten
– Ausfallsicher
– Endgerät hat
keine Intelligenz – Parallele – Ausfallsicher
Datenrouten
Vorteile – Standart – Leistungsfähig
möglich
– Einfacher – Skalierbar
– Unbegrenzte
Aufbau
Grösse
– Schlechte – Leistung der – Gesamte
Redundanz Endgeräte Topologie muss
Nachteile
– Flaschenhälse erhöht bekannt sein
Tabelle 2.1: Drei Routing-Protokolle
19
20. 2 Ab in die digitale Allmend
ist: Jeder, der die Daten im Mesh weitergeleitet hat? Die Personen, die die Anbindung ans
Internet ermöglicht haben? Macht es einen Unterschied, ob ich mein Netz gratis zur Verfügung
gestellt habe oder ob ich Geld dafür verlange? Oder lässt sich bei einem so komplex struk-
turierten Netzwerk die Schuldfrage nicht klären? Das Projekt Freifunk antwortet mit einem
«PicoPeeringAgreement» (PPA) auf solche Fragen. Es wird als minimaler Konsens beim Peering,
also dem Verbinden von Netzwerken, verstanden, der die Grundlage für das wohlwollenende
Miteinander regelt. Die ersten beiden Punkte über den freien Transit:
– Der Eigentümer bestätigt, freien Transit über seine freie Netzwerkinfrastruktur anzubie-
ten
– Der Eigentümer bestätigt, die Daten, die seine freie Netzwerkinfrastruktur passieren,
weder störend zu beeinträchtigen noch zu verändern.
Innerhalb des allgemein formulierten Picopeering-Abkommen ist die Rechtsfrage nicht voll-
ständig geklärt. Das Abkommen hält aber in Punkt 5.1 fest, dass der Eigentümer eine eigene
Nutzungsbestimmung formulieren kann.
Momentanes Recht Grundsätzlich liegt die Schuld in der Schweiz und in Deutschland
beim «Betreiber» eines WLAN-Hotspots. Dies bestätigt ein aktuelles Urteil vom Mai 2010
des deutschen Bundesgerichtshof6 , nach dem jedem Besitzer eine aktuelle Sicherung seines
Netzes zumutbar ist und gemäss dem Prinzip der «Störerhaftung» für fremde Urheberrechts-
verletzungen auf dem eigenen Netz belangt werden kann. Aus der Schweiz liegen noch keine
Präzedenzfälle vor.7
Diese Haltung ist natürlich nur mit einer Betrachtungsweise von WLAN als blosse «letz-
te Meile» zwischen Internetanschluss und Laptop nachvollziehbar, die auf der früher sehr
spärlichen Verbreitung basiert.
Langfristiges Ziel der Freifunk-Bewegung ist, dass jeder Knoten seine Bedingungen in
maschinenlesbarer Form zur Verfügung stellt. Von der Lizenz her kompatible Knoten könnten
sich so automatisch Verbinden. Wenn es nun zu einem Konflikt kommen sollte, merkt das der
Router und verweigert die Vermaschung.
2.1.2.5 Alternative zu ADSL
Wo nur wenige zahlungskräftige Kunden wohnen oder wo der Staat noch keine Telefonlei-
tungen aufgebaut hat, dort lohnt es sich aus finanzieller Sicht kaum, in die Infrastruktur zu
investieren. Auch für Gebiete, die einer starken saisonalen Zu- und Abwanderung ausgesetzt
sind, gilt dasselbe. Die Alternative ist ein Internetzugang mit grosser Kapazität zu einem zen-
tralen Hotspot hin. Die Feinverteilung, sog. letzte Meile, verursacht überproportional hohe
Kosten, da sie pro Benutzer und damit linear steigt. Bei Verwendung eines Meshs aber entfallen
diese fast ganz.
6 http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?
Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2010&Sort=3&nr=51934&pos=3&anz=104
7 http://www.weka-it.ch/praxisreport_view.cfm?nr_praxisreport=954
20
21. 2.2 Mobilfunk:
2.2 Mobilfunk:
Ein Mobiltelefon enthält im GSM-Standart sehr aufwändige Codecs, um die Datenmenge klein
zu halten. Heute aber fällt einerseits das Problem der begrenzten Bandbreite nicht mehr so ins
Gewicht, andererseits hat ein handelüblicher (sog. «Commodity»-) Computer schon längst
genug Leistung, um mit den Codecs umgehen zu können. Das reguläre GSM-Netz basiert
auf sehr teuren (aufgrund der kleinen Stückzahl und kaum interoperabilen Komponenten
(siehe auch Abschnitt 1.2.2 auf Seite 10). Welche Entwicklungen seit der Einführung des GSM-
Standarts könnten es ermöglichen, diese Infrastruktur dezentral zu Verfügung zu stellen?
Expiration
Year
2.2.1 GSM-PatenteAuslaufend
Essentielle Patente
2008 155 3
Wie in Abbildung 2.2 erkennbar, sind derzeit noch viele
2009 154 1
Patente im Zusammenhang mit GSM hängig8 , die in 200
2010 152 2
der Regel auf eine Schutzdauer von 20 Jahren gewährt Essentielle Patente Auslaufend
2011 150 2
wurden. Die Grafik basiert auf Daten von Fairfield Re-
2012 146 4
sources International, Inc., einer Beratungsfirma für
2013 144 2 150
«geistige Eigentümer» (und deren Profitpotenzial). Es
136 8
2014
2015 ist absehbar, dass durch17 Auslaufen dieser Patente
119 ein
2016 auch Hürden verschwinden, alternative GSM-Netze zu
102 17
100
2017 betreiben. 84 18
2018 60 24
2019 2.2.2 OpenBTS 39 21
2020 24 15 50
2021 2.2.2.1 Was ist/Was kann openBTS?
13 11
2022 76
OpenBTS ist eine Serversoftware für Mobilfunknetze.
2023 34
Sie soll es ermöglichen, die Kosten auf einen Zehn- 0
2024 03 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022 2024
tel zu senken: dank dem Gebrauch von handelsübli-
0
chen Komponenten, sogenannten Commodities. Aus-
Abbildung 2.2: GSM-Patente
serdem zielt die Plattform dank niedrigem Energiever-
brauch auf autarke Anwendungen. Denkbare Szenari-
os sind9 :
– Langfristige Vision sind sog. «Wireless Local
Loops10 » in dünn besiedelten Gebieten, wo kein Festnetzanschluss möglich oder kom-
merziell uninteressant ist, zu den reinen Selbstkosten
– Marktorientierte Lösungungen zur Finanzierung
d
der Projektarbeit
– Autarke Umgebungen wie Ölplattformen, Schiffe, etc.
– Krisenhilfe: Schneller Aufbau mit sehr wenig Hardware
8 http://www.frlicense.com/GSM_FINAL.pdf
9 http://www.slideshare.net/eCommConf/david-a-burgesss-presentation-at-ecomm-2009
10 http://en.wikipedia.org/wiki/Wireless_local_loop
21
22. 2 Ab in die digitale Allmend
– Femtozellen: Mobilfunk im lokalen Rahmen
Hinter OpenBTS stehen vor allem zwei Personen: David A. Burgess und Harvind S. Samra. Sie
sind beide gleichzeitig die Inhaber von Kestrel Signal Processing 11 .
2.2.2.2 Hardware
David Burgess schätzt auf seiner Website12 die Kosten einen Sendemast aufzustellen auf
200’000 US-Dollar – pro Jahr! Weiter stellt er einige Berechnungungen anhand der Hardware
in Afrika an: So kostet es einen Mobilfunkanbieter an die 6$ pro Monat und Benutzer ein
Mobilfunknetz zu betreiben. Schon dieser Selbskostenpreis übersteigt bei vielen Einwohnern
das Budget.
Enormer Energieverbrauch Ein Grossteil dieses Preis’ entsteht durch den immensen Ener-
giehunger der normalen GSM-Hardware. So benötigt ein Sendemast samt Antennensteuerung
und IP-Backhaul an die 10 kW, was beim Generatorbetrieb etwa 100 Liter Treibstoff pro Tag
bedeutet; das heisst ein – meist abgelegener – Sendemast muss fast täglich betankt werden.
Durch Einsatz von handelsüblichen Komponenten strebt das Projekt eine Minimierung der
Leistung auf ein paar hundert Watt an. Erst bei einer solchen Leistung kann eine Anlage mit
Solarenergie autark versorgt werden. Dies hat zur Folge das die teuren Unterhalts- und War-
tungsarbeiten entfallen. Erklärtes Ziel durch alle Einsparungen ist es, die Kosten auf 1$ pro
Monat zu senken.
Development Kit Die Firma Kestrel Signal Processing verkauft für 3’500 Dollar ein GSM-Kit.
Zusammen mit dem Asterisk, einer offenen VoIP-Plattform, und OpenBTS ist es möglich ist,
eine vollständige GSM-Basisstation zu betreiben, die völlig autonom und ohne Integration in
ein bestehendes Netzwerk funktioniert.
2.2.2.3 Mobilfunk ist kein Luxusgut. . .
13
Afrika hat im letzten Jahrzehnt einen wahren Handyboom erlebt. Durch das Fehlen von
Festnetzleitungen und den guten geografischen Voraussetzungen – die theoretische Reichweite
in der Ebene liegt bei 35 km – hat sich das Mobiltelefon als Segen für den Kontinent erwiesen.
Vorzeigeland ist Kenia, wo die Netzabdeckung bereits bei 95% liegt und jede(r) Zweite ein
Mobiltelefon besitzt. Ausserdem hat sich ein System zum Bezahlen per Handy – M-Pesa –
etabliert, das sich grosser Beliebtheit erfreut.
. . .sondern nachhaltige Entwicklungshilfe Gerade in weitläufigen, dünnbesiedelten Ge-
genden ist man froh, nicht mehr Kilometer zurückzulegen um bloss mit jemanden zu sprechen.
Ausserdem traut man der automatischen Zahlungsüberweisung, diese «haue niemanden übers
11 http://www.kestrelsp.com/team.html
12 http://openbts.blogspot.com/2009/01/what-stuff-costs-part-2-opex.html
13 NZZ Folio 05/10: Viehandel per SMS
22
23. 2.2 Mobilfunk:
Ohr». Auf den ersten Blick gibt es also keinen Grund zur Sorge; der Markt scheint zu funk-
tionieren. Und dennoch sind die Preise insbesondere in abgelegen Regionen sehr hoch. So
kostet der Zugang zum Mobilfunk 15-35% des Einkommens, wogegen es beim den Durch-
schnittseuropäer 1.5% des Budgets ausmacht. Es zeichnet sich auch ein Klumpenrisiko ab:
M-Pesa wird zwar von allen genutzt und ist somit ein Quasistandard; es ist aber keine freie
Plattform. Der Monopolist könnte diese Abhängigkeit marktverzerrend ausnutzen. Neuerdings
haben aber auch europäische und amerikanische Mobilfunkunternehmen den sogenannten
«Merging Markets»14 für sich entdeckt. Gegen diese Investitionsvolumina haben afrikanische Volkswirtschaften, die
Unternehmen keine Chance. Könnten aber Startups auf günstigere Hardware und eine freie noch kaum westliche
Software zurückgreifen, blieben diese konkurrenzfähig. Infrastruktur
besitzten werden als
Merging Market
2.2.2.4 Kommerzielle Nutzung bezeichnen
Das Vorbild Asterisk ist eine Open-Source VoIP-Telefonzentrale und wird von digium
entwickelt. Das Geschäftsmodell basiert auf dem offenen Kern Asterisk, wozu die Firma pro-
prietäre Erweiterungen bereitstellt; unter anderem den patentgeschützten Codec «G.729».
Die Grundlage ist also eine offene Lösung, auf der aufbauend die Firma mit Support und
Lizenzen zur kommerziellen Pro-Version Geld verdient. Abgesehen davon, dass in Zusammen-
hang mit OpenBTS fast immer Asterisk für die Telefonie zum Einsatz kommt, sieht auch das
«Geschäftsmodell» ähnlich aus.
Burning Man Einen ersten Praxistest hat OpenBTS am Burning Man Festival in Nevada
bestanden. In einer Gegend ohne sonstige Netzabdeckung erhielt das Projekt eine Sonderkon-
zession für ihren Feldversuch15 . Zum ersten Mal fand das Experiment 2008 statt, während der
Woche im Jahr 2010 kamen ein paar beindruckende Zahlen zustande:
– 40’000 Unique Mobiltelefon-IDs wurden verzeichnet
– 7000 Gespräche wurden geführt und 50’000 SMS versandt
– Betrieben wurde die Anlage mit Solarpanels
Niue Die 260 km2 grosse Insel nordöstlich von Neuseeland mit 1’700 Einwohnern hat nicht
einmal einen Hafen; geschweige denn ist sie kommerziell interessant für ein Mobilfunkunter-
nehmen. Im Jahre 2010 wurde zusammen mit einer Telefonfirma ein permanentes OpenBTS-
System installiert. Bezahlt wurde das Projekt von der Insel selbst16 .
2.2.2.5 Lizenz- und Patentprobleme
Zwar hat das Projekt schon zwei Proben bestanden. Der endgültigen Nutzung im kommerziel-
len Umfeld stehen aber noch rechtliche Probleme im Weg.
14 http://www.nzz.ch/nachrichten/wirtschaft/aktuell/ringen_um_den_afrikanischen_mobilfunk_1.5638585.html
15 http://openbts.blogspot.com/2010/09/man-burns-in-341-days.html
16 http://openbts.blogspot.com/search/label/niue
23
24. 2 Ab in die digitale Allmend
Übertragungsweg ’05 ’06 ’07 ’08 ’09 ’10
Kabel 9% 15% 16% 21% 30% 38%
Satellit 39% 47% 57% 66% 74% 79%
Antenne 46% 57% 86% 95% 100% 100%
Tabelle 2.2: Digitalisierungsgrad TV-Funk in Deutschland
Die GPL-Lizenz, welche seit September 2008 in Version 3 für das openBTS-Projekt ver-
wendet wird, fordert in Abschnitt 6 den Zugang zum gesamten Quellcode – also auch bei
sämtlichen Produkten, in denen openBTS verwendet wird und der Entwickler die Lizenzen
für die GSM-Nutzung erworben hat. Abschnitt 11 wiederum fordert, dass der Entwickler alle
Patente, die zur Nutzung der zur Verfügung gestellten Software nötig sind, auf den «Kunden»
ausdehnt. Da die GSM-Lizenzen kostenpflichtig sind und nur eingeschränkt erteilt werden,
scheint dies sämtliche kommerzielle Nutzung von openBTS zu verunmöglichen.
Die «Lösung» findet sich in einer rechtlichen Spitzfindigkeit: Abschnitt 6 fordert zwar
den Zugang zum Quellcode, aber nicht ausdrücklich durch den «Verkäufer». Dadurch ist
es möglich, ein GSM-System ohne GSM-Patente auf openBTS-Basis zu verkaufen, indem
der openBTS-Code durch beliebige Dritte zu Verfügung gestellt wird, welche diesen nicht
auf GPLv3-Basis erhalten haben (und somit eine beliebige Lizenz verwenden zu können).
Als «Dritte» könnten hierbei Kestrel Signal Processing, Inc. und die Free Software Foundation
kommen; beide erhielten den openBTS-Code ausserhalb der GPL.1718
2.3 Elektromagnetisches Frequenzspektrum
Nach gut einhundert Jahren könnte sich hier Paradigmenwechsel abzuzeichnen, der eine
flexiblere Handhabung des Spektrums zum Ziel hat. Die sehr starke Regulierung verhindert
derzeit beispielsweise Technologien, die ermöglichen würden, dass sich zwei Notebooks
über kurze Distanz mit 10 GHz (kurze Welle für hohe Übertragungsrate auf kurzer Distanz)
verbinden, der Link zum Internet aber auf 1 GHz stattfindet, um eine grössere Reichweite zu
erzielen. Mehrere Entwicklungen regen hier Visionen an:
2.3.1 Frei werdende Frequenzbänder
Heute werden noch viele Fernseh- und Radioprogramme digital und analog ausgestrahlt.
Während in der Schweiz die analoge Verbreitung von Fernsehprogrammen im November
2007 eingestellt wurde19 (Deutschland: siehe Tabelle 20 ), wird EU-weit geplant, bis Ende 2012
sämtlichen Rundfunk nur noch digital zu Verfügung zu stellen21 . Da auf dem Frequenzband
17 http://openbts.blogspot.com/2009/01/gpl-gsm-and-patents.html
18 http://www.gnu.org/licenses/gpl-3.0.html
19 http://www.sf.tv/unternehmen/comm.php?docid=20070416_dig
20 http://www.alm.de/fileadmin/forschungsprojekte/GSDZ/Digitalisierungsbericht_2010/Chartreport_Digitalisierungsbericht_201
21 http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/05/595&format=HTML&aged=0&language=DE&guiLanguage=en
24
25. 2.3 Elektromagnetisches Frequenzspektrum
Abbildung 2.3: White Spaces im USA-TV-Rundfunk
eines analogen Senders heute vier bis fünf digitale Programme in besserer Qualität übertragen
werden können, werden künftig immer mehr Bereiche ungenutzt bleiben.
Dieses Phänomen beschränkt sich aber nicht nur auf den Rundfunk: Auch im Mobilfunkbe-
reich wurden die Spektren des ehemaligen B- (1972 - 1994)22 und C-Netzes (1985 - 2000)23 frei
und werden heute z. T. anders genutzt (Motorola Freenet 24 ).
2.3.2 FCC-Entscheid zur Handhabung frei gewordener Frequenzbereiche
Die Federal Communications Commission ist die Behörde der USA, welche die Zulassung von
Kommunikationsgeräten regelt. Ihr Spielraum liegt in der Auslegung der Normen, welche
durch ISO, ITU und Weitere festgelegt werden – also ähnlich dem der nationalen Regulierungs-
behörden in Europa, nur dass die FCC ungleich einflussreicher ist. 25
Im September 2010 gab sie überraschend bekannt, dass die «white spaces» (nicht mehr
genutzten Stellen) im Frequenzband des Fernsehrundfunks künftig zur Mobilkommunikation
freigegeben werden können, nachdem aus Angst vor Interferenzen lange Zeit gezögert wurde26 .
Die FCC zeichnet dabei zusammen mit Google, Microsoft und Dell die Vision eines «WiFi on
steroids», das aufgrund von Geodaten und einer Frequenznutzungsdatenbank (inklusive sämt-
licher Bühnen mit Funkmikrophonen!) die Signalstärke und Frequenznutzung selbständig
regelt.
Da diese Frequenzen viel tiefer liegen (siehe Grafik 2.327 ) führt dies zu geringerem Pfad-
verlust (siehe Seite 9) und somit – theoretisch – bis zu mehreren Kilometern Reichweite. Die
Datenrate wird auf 15 - 20 MB/s geschätzt.28
22 http://de.wikipedia.org/wiki/B%2DNetz
23 http://de.wikipedia.org/wiki/C%2DNetz
24 http://de.wikipedia.org/wiki/Freenet_(Funkanwendung)
25 http://de.wikipedia.org/wiki/Federal_Communications_Commission
26 http://skunkpost.com/news.sp?newsId=3171
27 http://www.fcc.gov/jointconference/presentations/White_Space_Access_to_the_Future.pp
28 http://www.fcc.gov/oet/projects/tvbanddevice/Welcome.html
25
26. 2 Ab in die digitale Allmend
2.3.3 Open Spectrum
Die Open-Spectrum-Bewegung verfolgt einen noch radikaleren Ansatz: Ihr Ziel ist es, die
«permission economy»29 zu verlassen und stattdessen auf eine grundsätzliche Regulierung
des Spektrums zu verzichten. Dies hört sich utopisch an, jedoch führen sie eine Argumente
dafür ins Feld:
Exklusivität Die Prämisse, dass das elektromagnetische Spektrum eine begrenzte Resource
ist, wird widerlegt: Fehlerkorrektur würden immer besser, so dass dieses «Gut» nicht knapper,
sondern immer einfacher verfügbar wird. Zudem sei das Spektrum weder nach oben noch
nach unten streng beschränkt. Als Beispiel dazu wird die Blast-Technologie von Bell genannt,
die in Abschnitt 2.3.4 kurz erläutert wird.
Umstellung Neue Hardware wird beim Endbenutzer nötig. Diese soll die bisherigen Tech-
nologien unterstützen («legacy mode»), und würde zugleich durch bessere Übertragungsraten
(also bessere Bild- und Tonqualität) Kaufanreize setzen.
Interferenz Wie lässt sich verhindern, dass Interferenzen auftreten? Interferenz – bisher
behandelt als ob es ein Naturgesetz wäre – sei ein Überbleibsel aus der Funktechnologie des
frühen 20. Jahrhunderts. Anders als etwa Signaldämpfung durch Mauern ist sind Interferenzen
keine Verformung des Signals, sondern blosse Überlagerungen von zwei intakten Signalen,
was mit heutiger Signalverarbeitung berücksichtigbar sei. So ist es nicht etwa deshalb schwer,
bei zwei gleichzeitig sprechenden Personen etwas zu verstehen, weil die Schallwellen des
einen die des anderen verformen, sondern weil unser Gehirn dieses Feature schlichtweg nicht
unterstützt.
2.3.4 Bells Blast – Breitfrequenzübertragung 30 31
Streuung von Wellen an Gebäuden und Autos wird in Städten
oft zum Problem: Das Signal trifft mehrfach zeitverzögert beim
Empfänger ein, da es auch auf «Umwegen» zum Ziel gelangt
(siehe Abb. 2.4). Dass sich dieser Raumfaktor auch vorteilhaft
ausnutzen lässt, hat 1996 Gerard J. Foschini an den Bell Labo-
ratories gezeigt.32
Anstelle einer einzelnen Sender- und Empfängerantenne tritt
Abbildung 2.4: Echos hierbei ein Verbund von Antennen, welche durch kluge Signal-
verarbeitung die Richtungen der Signale interpretieren können.
Dadurch werden nicht nur die «Echos» kompensiert, sondern gleichzeitig auch die Datenrate
29 http://citeseerx.ist.psu.edu/viewdoc/download?doi=10.1.1.64.6230&rep=rep1&type=pdf
30 http://en.wikipedia.org/wiki/Bell_Laboratories_Layered_Space-Time
31 http://www.nytimes.com/2003/01/16/technology/what-s-next-bouncing-signals-push-the-limits-of-
bandwidth.html
32 http://www.bell-labs.com/project/blast/
26
27. massiv erhöht – und zwar umso stärker, je mehr Reflektionen auftreten. Bisher konnten Über-
tragungsraten von 20 - 40 Bit/sHz (Bits pro Sekunde und Hertz genutzter Bandbreite) erreicht
werden. Im Bereich des derzeitigen 3G-Netzes wären so bis zu 20 MBit/s möglich. 33
3 Fazit
Was bedeutet mehr OpenSpectrum die zukünftige Entwicklung unserer Kommunikation? Wäre
in den drei Bereichen Frequenzbewirtschaftung, GSM-Netz und WLAN ein gemeinschaftliches
Modell denkbar?
Wie man an Beispielen wie freifunk sieht, sind Maschennetzwerke zumindest für die «letz-
te Meile» zwischen Internetprovider und Benutzer bereits machbar. Für die Skalierbarkeit
braucht es noch verbesserte Protokolle und zum Teil Gesetzesänderungen, um die Hemm-
schwelle für neue Nutzer zu senken. Auch in schlecht erschlossenen Gebieten sind Maschen-
netzwerke bereits eine nötige Erweiterung des «klassischen» Internets. Der Zugang zum Rest
der Welt über externe Provider bleibt jedoch in absehbarer Zeit ein Knackpunkt; denn Band-
breite ist begrenzt und verhält sich wie ein materielles Gut.
OpenBTS öffnet Türen für Bastler und Mobilfunknetze in Extremst-Rand-Regionen. Die
Vermittlung von Anrufen ist aber bereits in Netzen mit wenigen Antennen derart komplex, dass
die Vision eines Community-GSM noch weit entfernt ist: Dezentrale Protokolle stecken erst in
den Kinderschuhen. Der Massenmarkt wird sich zudem stets an der «Front» der technischen
Entwicklung orientieren, die auch in Zukunft jeweils mit Patenten geschützt sein wird.
Ein Umbruch in der Spektrumsverwaltung bahnt sich an, wie der besprochene FCC-Entscheid
zeigt – jedoch strikt in der «permission economy»: Deregulierungen werden bloss in einzelnen
Frequenzbereichen Zugelassen, und auch dort nur unter gewissen Hardwareeinschränkungen
(beschränkte Leistung). Ein dynamisches Open Spectrum, das die technischen Fortschritte voll
ausspielen kann, wird in den nächsten Jahrzehnten durch den «Rucksack» von alter Hardware
gebremst bleiben, die nach wie vor auf scharfe Trennung der Kanäle angewiesen ist. Gerade
in Strukturschwachen Ländern sind «veraltete» , aber konkurrenzlos günstige Systeme wie
AM-Rundfunkt ein erstes Tor zur Welt, das nicht verschlossen werden darf.
Die Perspektiven bleiben also und faszinieren uns nach wie vor. Die Arbeit am Bericht
hat bei uns Spuren hinterlassen. Nicht nur, dass der nächste gekaufte Router mit offener
Firmware laufen wird – unser Blick auf geschlossene System ist auch geschärft. Alles was uns
jetzt fehlt, ist der Versuch einer Implementation eines Mesh-Routing-Protokolls, um wieder
Bodenkontakt zu kriegen.
33 http://www.nytimes.com/2003/01/16/technology/what-s-next-bouncing-signals-push-the-limits-of-
bandwidth.html
27