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IfM – Institut für Musikinstrumentenbau e.V.
An der Technischen Universität Dresden

www.ifm-zwota.de

Untersuchungen am Instrument "Divane"
Arbeiten im Auftrag von Yavuz Gül Divane Muzik

von

Gunter Ziegenhals
Dezember 2011

IfM – Institut für Musikinstrumentenbau e.V.
Klingenthaler Straße 42 08267 Zwota
Tel: (03 74 67) 2 34 81 Fax: (03 74 67) 2 34 83
E-Mail: post@ifm-zwota. de
Internet: www.ifm-zwota.de

Sitz Zwota /Vogtl.
Amtsgericht Auerbach
Registergericht VR 281
Vorstandsvors.: Ralph Eltz
Geschäftsführer: Dr.-Ing. Gunter Ziegenhals

Bankverbindung
Sparkasse Vogtland
Konto-Nr. 3606000749
BLZ 870 580 00
St.-Nr. 223/142/01438
Untersuchungen am Instrument "Divane"
Zusammenfassung
Die in diesem Bericht beschriebenen Untersuchungen zum Instrument Divane erfolgten auf Initiative
und im Auftrag von Herrn Yavuz Gül, Divane Muzik.
Diese Forschungsarbeiten stellen, wenn man von den wenigen Testmessungen am Instrument Divane
D1R absieht, die ersten Arbeiten des IfM auf dem Gebiet der Langhalslauten überhaupt dar. Aus der
Literatur sind uns ebenfalls keine Untersuchungen bekannt. Man muss zweifellos von ersten, orientierenden Arbeiten ausgehen, die jedoch durchaus eine Reihe von Erkenntnissen erbrachten.
Es zeigte sich, dass die üblichen, bei Streich- und Zupfinstrumenten angewandten Messverfahren
prinzipiell auch für die Langhalslauten im Allgemeinen und den Divane im Besonderen angewandt
werden können. Anhand der aufgenommenen Frequenzkurven und vorgenommenen Modalanalysen
kann man formulieren, dass nunmehr die prinzipielle Übertragungsstruktur der Instrumente sowie die
wichtigsten Moden auf die diese Übertragungsstruktur zurückzuführen ist, bekannt sind. Allerdings
muss man diese Aussage mit einer gewissen Vorsicht betrachten, da bislang nur Messungen an insgesamt vier Instrumenten vorliegen. Sinnvoll wäre eine Messreihe an wenigstens 5 deutlich verschiedenen Instrumenten sowie fünf Exemplaren eines Typs. Als überaus überraschendes Ergebnis erwies
sich der geringe Einfluss des langen, dünnen Halses. Die Ursache dafür liegt zweifellos in der soliden
Konstruktion mit innen liegendem, speziell angefertigtem Aluminiumprofil.

2
Inhalt
1

Einleitung

4

2

Aufnahme von Frequenzkurven

5

2.1

Technik der Frequenzkurvenmessung

5

2.2

Frequenzkurvenmessung am Divane

6

3

Modalanalyse an Instrument D2R

10

4

Admittanzmessung am Hals

14

5

Untersuchungen an gespielten Tönen

15

6

Zusammenfassung

18

3
1

Einleitung

Nach Angaben des Auftraggebers, Herrn Yavuz Gül, stellt sich die Ausgangssituation wie folgt dar:
Die typisch türkische Langhalslaute ist die Baglama. Es ist das am häufigsten in der Türkei gespielte
Instrument. Deshalb wird es meist einfach als Saz bezeichnet, was im Türkischen das allgemeine Wort
für Musikinstrument ist. Die Baglama hat keine einheitliche Mensur oder Größe. Sie wird nach Bedarf
dimensioniert. Auch die Stimmung ist variabel. Lediglich die Intervalle zwischen den drei Chören sind
fest. Es sind Quinten. Die Baglama wird nach Korpuslänge eingeteilt:
·
·
·

Jurre, Korpuslänge etwa 24 cm, tiefster Ton ca. 500 Hz
Tambur, Korpuslänge 50 cm bis 56 cm
Divane, Korpuslänge 52 cm bis 57 cm

Der Divane von Gül ist ein aus der Baglama abgeleitetes eigenständiges Instrument. Die Korpusform
ist eine Eigenentwicklung. Sie unterscheidet sich von Mandoline, Baglama oder Busuki.
2009 übereignete Herr Gül dem IfM ein Instrument ohne konkreten Auftrag, jedoch mit der Bitte,
Möglichkeiten für Untersuchungen an diesem Instrument zu prüfen. Das Instrument von 2009, wir
bezeichnen es im Weiteren mit D1R, Divane 1 Modell für Rechtshänder, stellt nach seiner Einstufung
einen Tamburdivane dar. Es verfügt über drei Chöre (zwei doppelte, einen dreifachen) mit folgender
Stimmung: A a, E e, H h h.
Die tiefste Saite befindet sich in der Mitte. Die drei tiefen Saiten sind umsponnene Stahldrahtsaiten,
die vier höheren Saiten blanke Stahlsaiten. Eigentlich müsste der tiefste Chor mit A1 und A bestückt
sein. Eine solche Saite hat Gül aber zunächst nicht zur Verfügung. Er stellt seine Saiten selbst her, da
die verfügbaren Saiten nicht geeignet sind und Saitenhersteller aufgrund des zunächst geringen
Bedarfs keine spezielle Entwicklung vornehmen wollten (Z.B. hat er auch vergeblich bei Lenzner
angefragt!). Die Mensurlänge beträgt 80 cm. Entgegen der Baglama mit 23 Bünden weist der Tamburdivane 25 Bünde, also einen längeren Hals auf. Die Tamburentwicklungslinie hat er nach eigenen
Angaben bereits 2009 verlassen.
Von der neuen Serie sandte er ein Rechtshänderinstrument vorab ein und brachte ein Linkshänderinstrument mit. Wir bezeichnen diese als D2R und D2L. Ihre Mensurlänge beträgt 77 cm. Das
Instrument verfügt über drei Doppelchöre, A1 A1, E E und H H. Mittlerweile gelang also auch die
Herstellung der tiefen Saiten. Das Instrument verfügt wie die Baglama über 23 Bünde. Weiterhin
wurde die Saitenaufhängung stegseitig verändert. Während beim Tamburdivane der Saitenhalter am
Untersattel saß, ist beim neuen Divane der Saitenhalter zwischen Steg und Untersattel auf die Decke
geklebt. Eine weitere Änderung betrifft die Bünde. Beim Tambur waren sie wie bei der Gitarre aus
Metallprofil und in Schlitze in das Griffbrett eingedrückt. In der neuen Variante sind es, ähnlich der
Laute, Halsumwicklungen aber vier Windungen pro Bund.
Was uns bislang nicht aufgefallen war: Die langen dünnen Hälse der Gül-Instrumente sind ungewöhnlich stabil. Sie besitzen ein Aluhohlprofil als Kern, das mit Furnier umklebt wird. Bei einer anderen
Variante wird das Aluprofil in eine entsprechend ausgefräste Kantel eingelegt. Das Werkzeug für den
Alustrangguss und den Formfräser hat Gül sich extra anfertigen lassen. Der Alu-Hals ist patentiert!
Weiterhin brachte Herr Gül ein Experimentierinstrument (Linkshänderausführung) mit, Bezeichnung
DEL. Dem Instrument fehlt die Decke. Für Versuche zu Beleistungsvarianten werden Testdecken mit
Klebeband auf dem Korpus befestigt. Die Experimente erfolgen durch Spielen des Testinstrumentes.
Ausführender ist Herr Gül selbst. Er ist Linkshänder. Deshalb entstehen in jeder Phase auch Linkshänderinstrumente. Aus seinen Äußerungen kann man entnehmen, dass er der wohl z. Z. einzige
Testmusiker im Rahmen seines Projektes ist. Deshalb sind seine Aussagen zu Stärken und Schwächen
seiner Instrumente auch stets sehr auf ihn bezogen und wahrscheinlich nur bedingt verallgemeinerbar.

Für akustische bzw. Schwingungsmessungen werden im IfM die Messketten stets absolut kalibriert.
Die Ergebnisse erscheinen in SI-Einheiten. Dies wird in den einzelnen Beschreibungen zu den Experimenten nicht explizit erwähnt.

4
2
2.1

Aufnahme von Frequenzkurven
Technik der Frequenzkurvenmessung

Die gespannte, in Schwingungen versetzte Saite ist aufgrund ihres geringen Durchmessers nicht in der
Lage, hinreichend Schall abzustrahlen. Deshalb braucht sie einen Resonanzboden bzw. einen Resonanzkörper als Abstrahlungshilfe. Der Saitenschwingung einer Gitarre bzw. allgemeiner einer Laute
wird beim Anzupfen bzw. Anschlagen einmalig Energie vom Spieler zugeführt. Diese Energie steckt
zunächst vollständig in der Saitenschwingung und wird nach und nach über den Resonanzkörper als
Schallenergie an die Umgebung abgegeben oder in Form von innerer Reibung in Saite und Korpus in
Wärme umgewandelt. Der Resonanzkörper erhöht die Schallleistung, führt aber gleichzeitig dazu, dass
die einmalig zugeführte Energie schneller verbraucht wird. Ein gut abstrahlendes, lautes Instrument
wird also eine kürzere Klangdauer aufweisen als ein leises Instrument.
Die Saite regt den Korpus an, indem sie am Steg eine Kraft auf ihn ausübt. Das Spektrum dieser Kraft
hängt neben dem Material und dem Aufbau der Saite auch von Anschlagort, Anschlagstärke und
Anschlagtechnik ab. Das heißt, die Analyse eines real gespielten Klanges beinhaltet immer auch Saite
und Spieler, auch eine Anschlagvorrichtung kann die Saite nicht ausschließen. Um nun das Produkt
Laute unabhängig vom separaten Produkt Saite und dem sehr variablen Spieler zu testen, liegt es nahe,
am Steg eine künstliche, definierte Kraft einzuspeisen und die Reaktion des Instrumentes auf diese
Kraftwirkung zu beobachten. Das Einspeisen der Kraft erfolgt bei der standardmäßig im IfM angewandten Methodik mittels Impulshammer. In den Kopf des Impulshammers ist in ein Kraftaufnehmer
integriert. Da auf diese Weise unter Verwendung eines Frequenzanalysators für jede Frequenz (entsprechend der gewählten Auflösung) die tatsächlich eingespeiste Kraft, unabhängig von der Art der
Erregung, ermittelt werden kann, ist es möglich, jede beobachtete Reaktion auf die Erregerkraft zu
beziehen und so Ungleichmäßigkeiten der Erregung über die Frequenz zu kompensieren. Solche
Ungleichmäßigkeiten können durch ungenügende Ankopplung, unterschiedliche Eingangsimpedanz,
verschiedene Anklopftechniken usw. entstehen. Wichtig ist nur, dass bei der jeweils beobachteten
Frequenz noch genügend Kraft eingespeist wird, um das Instrument in Schwingung zu versetzen. Bei
der beobachteten Reaktion des Instrumentes auf den Krafteintrag handelt es sich um den abgestrahlten
Schall, den entstehenden Klopfton. Der Schall wird an drei Punkten im Raum mittels Mikrofon
aufgenommen:
Mikrofon 1

befindet sich in 1 m Abstand senkrecht zur Decke gegenüber dem Schallloch.

Mikrofon 2

ist gegenüber Mikrofon 1 um 45° in Richtung Hals gedreht; Abstand 1 m zu Schalllochmitte.

Mikrofon 3

ist gegenüber Mikrofon 1 um je 45° nach links in Richtung Hals und nach oben (in
Richtung E-Saite) gedreht; Abstand 1 m zu Schalllochmitte.

Mittels eines Mehrkanalanalysators, an den sowohl die drei Mikrofone als auch der Impulshammer
angeschlossen ist, werden die drei Übertragungskurven, der Verlauf Schalldruck/Kraft über der
Frequenz, gleichzeitig aufgenommen und anschließend die drei Übertragungskurven zu einer mittleren
Kurve verrechnet. Die Messung findet im reflexionsarmen Raum statt, um Raumeinflüsse in Folge
von Reflexionen auszuschließen. Fixieren des Instrumentes und Anschlagen erfolgen manuell in
Spielhaltung. Gemessen wird im Bereich 0 Hz bis 5 kHz mit einer Auflösung von 3,125 Hz.

Abbildung 1: Messsituation bei Aufnahme der Frequenzkurve

5
2.2

Frequenzkurvenmessung am Divane

Von allen Instrumenten, auch dem D1R nahmen wir am 02.12.2011 die Frequenzkurven auf. Dabei
trat zunächst eine kleines Problem auf. Am Steg des Divane D1R fanden wir 2009 zwei Chorzwischenräume vor, die sich beide für den Impulsanschlag eigneten. Da wir keine Erfahrungen mit dem
Instrument besaßen, nutzten wir vorsorglich beide Anschlagorte und bildeten die mittlere FK. Bei
Instrument D2 ist der tiefe Chor am Steg im Sinne einer Mensurkorrektor etwas zurückgesetzt
(Abbildung 2). Dadurch ist in diesem Zwischenraum kein sicherer Anschlag möglich.

Abbildung 2: Steg D1 links und D2 rechts

Wir prüften deshalb, ob die Beschränkungen auf einen Anregepunkt ausreichend ist. Dazu verglichen
wir die mittlere FK von 2009 mit der die sich bei Beschränkung auf nur einen Anschlagort ergibt
(Abbildung 3). Es zeigte sich, dass dies offenbar ohne weiteres möglich ist. Wir führten die Messungen 2011 also nur mit Anschlägen zwischen den Chören H und E durch.

10

Messung 2009
Frequenzkurve / dB(Pa/N)

0

-10

-20

-30

-40

Mittelwert zwei Anschlagorte
Nur Anschlag in unterem Saitenzwischenraum
-50

-60
100

1000

Frequenz / Hz

Abbildung 3: Frequenzkurve D1R mit zwei und nur einem Anschlagort am Steg

Bei der Vorbereitung der Messungen löste sich beim D1R die Schalllochrosette. Wir führten die
Messung also zunächst ohne die Rosette aus. Der Vergleich mit den Frequenzkurven-Messungen 2009
am D1R zeigte deutliche Abweichungen (Abbildung 4). Die ersten drei Resonanzen sind deutlich nach
oben verschoben und die Resonanz bei 1 kHz wird deutlich stärker und breiter ausgeprägt. Es kamen
mehrere Ursachen für die Differenzen in Betracht: Unterschiedliche Experimentatoren (2009 Schiema,
2011 Ziegenhals), Veränderungen am Instrument durch Nachtrocknen und die fehlende Rosette. Mit
Letzterem ließ sich unserer Meinung nach aber nur die Erhöhung der Hohlraumresonanz erklären:

6
Ohne Rosette ist die effektive Lochöffnung größer, die Helmholtzresonanz des Hohlraumes steigt an.
Die anderen Veränderungen blieben zunächst unklar. Also führten wir verschiedene Repo-Messungen
an D1R mit beiden Experimentatoren aus. Diese führten zu keinem Ergebnis. Wir klebten die Rosette
schließlich wieder ein, und nahmen am 02.12.2011 die Frequenzkurve erneut auf (beide Experimentatoren). Im Ergebnis zeigte sich der Verlauf von 2009 (Abbildung 5)!

10

Frequenzkurve / dB(Pa/N)

0

-10

-20

-30

-40

Messung 2009 HSch
1. Messung 01.12.2011 GuZ

-50

-60
100

1000

Frequenz / Hz

Abbildung 4: Vergleich der Frequenzkurven D1R gemessen 2009 und am 01.12.2011

10

Frequenzkurve / dB(Pa/N)

0

-10

-20

-30

-40

D1R mit Rosette 02.12.2011, GuZ
D1R mit Rosette 07.04.2009, HSch

-50

-60
100

1000

Frequenz / Hz

Abbildung 5: Vergleich Frequenzkurven D1R nach wieder Anbringen der Schalllochrosette

Es bot sich nun an, die Wirkung der Schalllochrosette auf die Frequenzkurve und damit auf die Schallabstrahlung zu diskutieren. Da ohne Rosette die zweite und dritte sowie die Resonanz bei 1 kHz hinsichtlich der Frequenz nach oben gingen, kommt kein Versteifungseffekt der Rosette in Frage. Vielmehr wirkt hier offensichtlich nur die Masse der Rosette. Eine Schalllochrosette stimmt das Instrument also insgesamt etwas tiefer ab.
Als nächstes wurden die beiden Varianten des Instrumentes D2 verglichen. Die beiden Instrumente
zeigen sehr ähnliche Frequenzkurven, jedoch erkennt man auch gewisse Exemplarstreuungen
(Abbildung 6).

7
10

Frequenzkurve / dB(Pa/N)

0

-10

-20

-30

D2L
D2R

-40

-50

-60
100

1000

Frequenz / Hz

Abbildung 6: Vergleich der Frequenzkurven der beiden Varianten des Modells D2

Der nächste Schritt galt dem Vergleich der drei Entwicklungsvarianten D1, D2 und DE (Abbildung 7).

10

Frequenzkurve / dB(Pa/N)

0

-10

-20

D1R (mit Rosette)
D2R
DEL

-30

-40

-50

-60
100

1000

Frequenz / Hz

Abbildung 7: Frequenzkurven der drei Divane-Varianten im Vergleich

Die drei Varianten D1, D2 und DE sind jeweils niedriger abgestimmt. Die Entwicklungsvariante DE
zeigt die niedrigste Abstimmung. DE ist dabei geringfügig leiser als D2. Das Ziel, die tiefen Töne
besser zur Geltung zu bringen, verfolgt Yavuz Gül nun tatsächlich nach eigenen Angaben. Eine
schrittweise Annäherung ist mit jedem Schritt erkennbar. Inwieweit die aktuelle DE-Variante schon
seinen Vorstellungen entspricht, dazu äußerte sich Herr Gül nicht.
Wir wollen nun die Frequenzkurve im Detail diskutieren: Zunächst steigt die Kurve stetig an und
erreicht etwa bei 100 Hz bis 120 Hz den mittleren Übertragungspegel. Es folgt eine erste Resonanz im
Bereich 100 Hz bis 125 Hz. Nach einer leichten Senke folgte eine zweite typische Resonanz im
Bereich 200 Hz bis 400 Hz. Im weiteren Frequenzverlauf folgen weitere ausgeprägte Resonanzen,
wobei zwei sehr markante im Bereich 600 Hz bis 1000 Hz sowie um 1500 Hz zu finden sind. Die
Kurven der drei Varianten des Divane ähneln sich sehr stark, insgesamt erscheint der grundsätzliche
Verlauf infolge der verschiedenen Abstimmungen lediglich jeweils verschoben. Auf welche Schwingungen diese Abstrahlungsmaxima zurückzuführen sind kann hier noch nicht ausgesagt werden.

8
Hierzu ist die Auswertung der vorgenommenen Modalanalyse erforderlich. Wir wollen aber für die
drei untersuchten Varianten die markanten Resonanzen hinsichtlich ihrer Frequenz auflisten und als
weiteres Merkmal den Frequenzschwerpunkt im Bereich 50 Hz bis 5 kHz (SC(50..5k) hinzufügen
(Tabelle 1).
Instrument
D1R
D2R
DEL

f1/Hz
122
112
103

f2/Hz
275/331
243
222

f3/Hz
990
820
645

f4/Hz
1437
1340
1340

f4/Hz
2118
1970

SC(50..5kHz)
2580
2100
2275

Tabelle 1: Frequenzkurvenmerkmale

Hinsichtlich des Frequenzschwerpunktes kann die bisherigen Diskussion zur Abstimmung der Instrumente nur bedingt bestätigt werden. D1R wurde als am höchsten abgestimmt eingeschätzt und zeigt
auch den höchsten Frequenzschwerpunkt. Warum aber der Frequenzschwerpunkt von DEL über dem
von D2R liegt, obwohl DEL als deutlich tiefer abgestimmt eingeschätzt wurde, kann beim gegenwärtigen Kenntnisstand nicht befriedigend erklärt werden.
Analysiert man die Frequenzkurve speziell in Hinblick auf die tiefen Töne, so stellt man immer noch
einen steilen Abfall hin zum tiefsten Ton A1 (55 Hz) fest. Brauchbar erscheint die Übertragung nach
unseren Auffassungen (diese können durchaus vom orientalischen Klangempfinden hinsichtlich eines
Idealfalles abweichen!) ab E (82 Hz), dem tiefsten Ton der Gitarre. Überhaupt ähnelt die
Frequenzkurve des Divane zumindest im Bereich bis 800 Hz sehr stark der der klassischen Gitarre. Es
lohnt sich deshalb einmal ein direkter Vergleich. Abbildung 8 stellt die Frequenzkurve der letzten
Entwicklungsstufe DE der von Referenzgitarre 1 (RefGit01, Takamine) aus dem Bestand des IfM
gegenüber. Bis etwa 750 Hz verlaufen die Kurven in der Tat sehr ähnlich. Darüber zeigt der Divane
jedoch eine deutlich stärkere Übertragung. Sein Klang ist also deutlich mehr in den Höhen betont.

10

Frequenzkurve / dB(Pa/N)

0

-10

-20

-30

-40

DEL
RefGit01

-50

-60
100

1000

Frequenz / Hz

Abbildung 8: Vergleich Frequenzkurve Divane und Gitarre im Vergleich

Dies entspricht auch den Hörwahrnehmungen beim Spielen des Divane. Die tiefen Töne der Instrumente D2 klingen ähnlich den tiefen Tönen bei Klavier. Sie sind zwar kräftig aber es fehlt irgendwie
der Grundton.

9
3

Modalanalyse an Instrument D2R

Jedes schwingfähige System weist so genannte Eigenschwingzustände oder auch Moden auf. In diese
Moden verfällt das System, wenn man es nach einer Erregung sich selbst überlässt. Die Bestimmung
der Eigenschaften dieser Moden nennt man Modalanalyse. Hierbei werden vorrangig drei Eigenschaften bestimmt: Die Modenfrequenzen (auch als Eigenfrequenzen bezeichnet, die Schwingformen der
Moden sowie deren Dämpfung. Wird das System mit einer Frequenz erregt, die nahe einer Eigenfrequenz liegt kommt es zu besonders heftigen Schwingreaktionen, zu Resonanzen.
Im IfM verwenden wir für die Modalanalyse das System STAR. Dabei handelt es sich um eine
entsprechende Software. Zunächst ist ein Gittenetzmodell des zu untersuchenden Objektes zu erstellen
und in den Computer einzugegeben. Für den Divane erstellten wir ein Modell mit 476 Gitterpunkten
(Abbildung 9).
Undeformed

39

Y

Abbildung 9: Gitternetzmodell Divane, 476 Gitterpunkte, Fixpunkt für Aufnehmer Nr. 39

Die einzelnen Elemente, wie Hals, Kopf, Decke,
Rosette und Boden (Muschel) sind in unterschiedlichen Farben dargestellt. Die Muschel ist bewusst in der Darstellung von der Decke abgesetzt,
um eine bessere Sichtbarkeit zu erreichen.
Abbildung 10: Messsituation Modalanalyse

Das Gitternetzmodell muss nun auch auf das
Messobjekt aufgebracht werden. Man kann es
aufzeichnen, oder wie wir es stets bei Kundeninstrumenten vornehmen, auf das Objekt projizieren. An einem festen Punkt wird ein Beschleunigungsaufnehmer befestigt. Wir wählten hier den
Punkt 39. Er ist in Abbildung 9 eingetragen
(schlecht zu sehen). Das Messobjekt wird für die
Messung frei bzw. weich unterstützt aufgehängt.
Abbildung 10 zeigt die Messsituation. Man erkennt den Beschleunigungsaufnehmer. Dieser befindet sich im Vergleich zu Abbildung 9 auf der falschen Seite. Ursache ist ein Abbildungsfehler des

10
STAR-Programms mit dem Abbildung 9 erzeugt wurde. Es zeichnet die Strukturen sporadisch gespiegelt. Aufgenommen werden nun die Übertragungskurven von allen 476 Gitterpunkten zum Aufpunkt
39. Es wird auch die Übertragung von Punkt 39 zu sich selbst betsimmt. Die Messung erfolgt durch
Anregen der Punkte mittels Impulshammer. Impulshammer und Beschleunigungsaufnehmer sind an
einen Analysator angeschlossen, der die Übertragungskurven berechnet und an das STAR-Programm
übergibt. Aus den 476 Übertragungskurven berechnet das Programm anschließend im Dialog die
modalen Parameter.
Nun liefert die Modalanalyse nur in wenigen Fällen wirklich ideal ausgebildete Modenformen.
Insbesondere bei höheren Moden ist die Darstellung wegen der vielen Knotenlinien und der begrenzten Auflösung des Gitterrasters sehr unübersichtlich.
Wir führten die Modalanalyse an Instrument D2R durch. Abbildung zeigt noch einmal dessen Frequenzkurve. Es sind die Resonanzen markiert, die eindeutig einer gemessenen Mode zugeordnet werden können.

10

Frequenzkurve / dB(Pa/N)

0

244 Hz

815 Hz

1340 Hz

112 Hz

-10

350 Hz

-20

980 Hz
465 Hz

-30

-40

-50

-60
100

1000

Frequenz / Hz

Abbildung 11: Frequenzkurve D2R mit eingetragenen zuordenbaren Modenfrequenzen

Bei 112 Hz lässt sich die Helmholtzmode, eine Hohlraummode gekoppelt mit einer Deckenschwingung, beobachtet zuerst von HELMHOLTZ an Geigen, nachweisen. Allerdings ist die Darstellung so
schwach, dass sie nur als bewegtes Bild identifiziert werden kann. Die deutliche Resonanz bei 244 Hz
geht eindeutig auf die erste Deckenmode zurück (Abbildung 12).
# 4:243.67 Hz

39

Y

Abbildung 12: Erste Deckenmode; 245,7 Hz

11
Der nächste sichere Zusammenhang besteht für den Peak 350 Hz der Frequenzkurve. Die Quelle ist
hier die zweite Deckenmode.
# 7:346.86 Hz

39

Y

Abbildung 13: Zweite Deckenmode; 347 Hz

Obwohl ein gewisser Unterschied hinsichtlich der gemessenen Frequenz besteht, würden wir die
Resonanz 465 Hz der gefundenen Deckenmode mit 451 Hz zuordnen.
# 8:451.20 Hz

39

Y

Abbildung 14: Deckenmode bei 451 Hz

Für die folgende, deutliche Resonanz der Frequenzkurve mit einer Frequenz von 643 Hz konnten wir
keine Schwingungsmode am Instrument finden. Hingegen findet sich für den Peak bei 815 Hz eine
Mode. Diese hat aber schon eine sehr strukturierte Schwingungsform (Abbildung 15). Neben der
Decke ist hier der Hals deutlich an der Modenform beteiligt.
Die vorletzte Übereinstimmung, die wir finden konnten, betrifft einen sehr kleinen Peak um 980 Hz.
Die zugehörige Mode (Abbildung 16) ist eine Deckenschwingung, an der nur kleine Teile der Decke
beteiligt sind. Und letztlich ließ sich eine Mode finden, die offensichtlich zur Resonanz bei 1340 Hz
führt.
In den Ausführungen wird, bis auf ein Ausnahme, von Deckenmoden gesprochen. Tatsächlich sind in
der Regel auch andere Teile, z.B. die Muschel an der Schwingung beteiligt. Die entsprechenden
Amplituden sind jedoch so schwach, dass sie im Standbild nicht zu sehen sind. Insgesamt kann man
guten Gewissens davon ausgehen, dass die wesentliche Schallabstrahlung praktisch ausschließlich von
der Decke ausgeht und Manipulationen hier (Beleistung) entscheidenden Einfluss ausüben.

12
# 15:814.47 Hz

39

Y

Abbildung 15: Mode am Instrument bei 814 Hz
# 17:982.39 Hz

39

Y

Abbildung 16: Deckenmode bei 982 Hz
# 26:1.32e+3 Hz

39

Y

Abbildung 17: Deckenmode bei 1320 Hz

13
4

Admittanzmessung am Hals

Hälse von Streich- und Zupfinstrumenten führen natürlich auch Schwingungen aus. Aufgrund ihrer
hohen Steifigkeit sind die Amplituden jedoch gering. Hinzu kommt die relativ kleine Fläche, so dass
sie praktisch nicht zur Abstrahlung beitragen. Allerdings können sie der Saite Energie entziehen. Dies
ist nicht erwünscht, da diese Energie natürlich der Abstrahlung verloren geht. Erstmals ging man
diesem Phänomen Anfang der 1990er Jahre in Zusammenhang mit Bassgitarren nach. Hier trat das
Problem auf, dass einzelne Töne sehr kurz und schwach klangen. Man stellte fest, dass Töne dann sehr
kurz klingen, wenn die Tonfrequenz mit einer Halsresonanzfrequenz übereinstimmt, deren Mode
zudem am zu drückenden Bund einen Schwingungsbauch aufweist. In diesem Fall kann sehr viel
Energie in die Halsschwingung fließen. Die Problemtöne werden auch als DEAD SPOTS bezeichnet.
Es wäre nun theoretisch möglich, dem Problem mittels der Modalanalyse zu Leibe zurücken. Sie
liefert die Resonanzfrequenzen und Schwingungsformen. Mit beiden Ergebnisse könnte man nach
neuralgischen Punkten auf dem Hals suchen. Es zeigt sich jedoch, dass die Modalanalyse nur selten
wirklich die notwendigen Resultate liefert. Ein Grund konnte dafür allerdings nicht gefunden werden.
Sicherer ist es die Admittanz entlang des Griffbrettes zu messen, d.h. am Ort jeden Bundes. Unter
Messung der Admittanz ist die Aufnahme des Admittanzverlaufes über der Frequenz zu verstehen. Die
Admittanz, der Kehrwert der Impedanz, beschreibt die Nachgiebigkeit des Griffbrettes bzw. Halses am
jeweiligen Messpunkt. Ist für eine bestimmte Frequenz die Nachgiebigkeit groß, so wird für diese
Frequenz viel Energie in den Hals aufgenommen. Wird am Bund ein Ton mit dieser Frequenz gedrückt, wird er beeinträchtigt werden. Die Admittanz ist eine komplexe Größe. Für unser Problem ist
der Realteil der Admittanz, die Konduktanz entscheidend. Sie stellt eine Art mechanische Leitfähigkeit dar. Wesentliche Arbeiten hierzu kamen von FLEISCHER. Aber auch im IfM wurden mittlerweile etliche derartige Messungen vorgenommen.
Die Admittanz ist definiert als Quotient aus Schwinggeschwindigkeit und Erregerkraft am Messort.
Beides muss also gleichzeitig am Messort aufgenommen werden. Man bedient sich dazu eines so
genannten Impedanzmesskopfes der sowohl einen Beschleunigungsaufnehmer als auch einen Kraftaufnehmer enthält. Die Erregung erfolgt mittels eines Shakers, an dem der Messkopf befestigt wird.
Als Erregersignal dient ein Chirp. Gemessen wird z. Z. im Bereich 50 Hz bis 1 kHz mit einer Auflösung von 0,625 Hz. Der Krafteintrag in das Griffbrett erfolgt jeweils am Bundstab (auf dem Bundstab)
über einen an der Spitze des Impedanzmesskopfes befestigten Stift. Shaker und Messkopf sind als
kompakte Einheit an einem Support befestigt. Der Andruck des Stiftes wird so eingestellt, dass ein
sauberes, schnarrfreies Geräusch entsteht. Neben den Bünden wird die Konduktanz auch am Steg
gemessen. Messort war jeweils die Halsmitte. Da die Schwinggeschwindigkeit benötigt wird, der
Aufnehmer aber die Beschleunigung liefert, muss das Signal einmal integriert werden. Das kann über
einen Integrierverstärker oder im Analysator erfolgen. Wir verwenden einen Integrierverstärker.
Abbildung 18 zeigt die Messanordnung. Der Shaker ist im Bild für die Messung am Steg eingerichtet.
Unterstützt wurde der Hals in der Mitte. Dies simuliert eine mittlere Griffposition.

Abbildung 18: Aufbau zur Aufnahme der Halsadmittanz

Das Messobjekt war wieder D2R. Dieses Instrument verbleibt im IfM.

14
Abbildung 19 stellt nun das Ergebnis der Konduktanzmessungen dar. Die Konduktanzverläufe für die
einzelnen Bünde sind als Wasserfalldiagramm hintereinander aufgetragen. Die vordere Linie repräsentiert den Sattel, die hinterste Linie den Steg. Die Einheit der mechanischen Konduktanz (und auch der
Admittanz) ist s/kg.

0,25

Konduktanz / s/kg

0,20

0,15

0,10

0,05

0,00
0

200

400

600

800

1000

Frequenz / Hz

Abbildung 19: Konduktanzverläufe am Hals; vordere Linie Sattel, hintere Linie Steg

Zunächst erkennt man, dass am Steg in den meisten Bereichen eine deutlich höhere Leitfähigkeit
besteht als am Hals. Das sollte konstruktionsbedingt auch so sein. Kritische Bereiche zeigen sich bei
270 Hz für die Bünde 0 bis 12 sowie bei 510 Hz bis 540 Hz für die Bünde 8 bis 17. Von den
Frequenzen ausgehend wären potentiell die Töne c#1 (277 Hz) und c2 (523 Hz) betroffen. Beim neuen
Instrument Divan mit den Doppelchören A1, E und H liegen c#1 und c2 nicht in den kritischen
Bundbereichen. Es sind also grundsätzlich keine Probleme mit DEAD SPOTS zu erwarten. Beim
Tambur-Divane D1R wäre c#1 ein gefährdeter Ton, da er im H-Chor in der Oktavsaite am dritten Bund
vorkommt. Informationen, ob es hier Probleme gegeben hat, liegen uns nicht vor. Andererseits können
wir auch nicht sicher sein, dass das Admittanzverhalten von D1R gleich dem des untersuchten D2R
ist. D1R verfügt ja über einen etwas längeren Hals und wurde nicht hinsichtlich der Halsadmittanz
vermessen. Insgesamt treten aufgrund der sehr soliden Halskonstruktion (Kern aus Aluminiumprofil)
praktisch keine Probleme auf, was man bei dem im Verhältnis dünnen, langen Hals zunächst nicht
erwarten durfte. Weitere Konduktanzuntersuchungen erscheinen deshalb zunächst nicht erforderlich.
Man sollte hier erst weiterarbeiten, wenn beim Spiel tatsächlich Problemtöne bemerkt werden.

5

Untersuchungen anhand kleiner Musikstücke

Bei Arbeiten an anderen Streich- und Zupfinstrumenten haben sich in letzter Zeit auch Analysen von
aufgezeichneten, kurzen, real auf den Instrumenten gespielten Passagen bewährt. Die Aufnahmen
erfolgen im reflexionsarmen Raum des IfM. Als Aufnahmemikrofon dient ein Kunstkopf MK1 (Fa.
Cortex) aufgezeichnet wird im DAT-Format (16 bit, 48 kHz) mittels eines HD-Recorders. Die
Teststücke sollten ca. 20 s nicht überschreiten, da sie auch abgehört werden sollen. Bei der Bewertung
der Ergebnisse muss man allerdings stets beachten, dass ein Großteil Spieler in den Klängen steckt.
Um möglichst den ganzen Tonumfang des Instrumentes zu betrachten, dieser aber typisch in kurzen
Musikstücken nicht vorkommt, haben sich chromatische Tonleitern über den gesamten Spielbereich
der Instrumente als Teststücke bewährt. Hinzu nehmen wir ein typisches Musikstück für das jeweilige
Instrument, dass dieses möglich umfassend charakterisiert. Die Auswahl des Stückes überlassen wir in
der Regel den jeweiligen Musikern. So wollten wir es auch bei den Divaneuntersuchungen halten. Da
die zu vergleichenden Instrumente D1, D2 und DE aber keinen einheitlichen Tonumfang aufweisen
und offensichtlich auch aufgrund unvollständiger Absprachen mit dem Spieler, Herrn Gül, wurde die
chromatische Tonleiter letztlich auf den Bereich d bis h (Grundtonfrequenzen 147 Hz ... 247 Hz)
beschränkt. Weiterhin nahmen wir ein kurzes, typisches Stück jeweils zweimal auf. Subjektiv entstand
während der Aufnahmen der Eindruck, dass sehr viele Spielgeräusche, insbesondere auf- und zusammenschlagende Saiten auftreten. Zunächst analysierten wir die Tonleiter im Bereich bis 20 kHz mit

15
einer Auflösung von 12,5 Hz. Abbildung 10 zeigt die mittleren Spektren für die Tonleiter der vier
Instrumente. Die y-Achse ist hier nicht absolut kalibriert, deshalb die Bezeichnung relativer Schalldruck! Dargestellt wird eine vom Analyseprogramm ausgelesene Spannung, die dem aufgenommen
Schalldruck proportional ist, jedoch ist der Proportionalitätsfaktor nicht bekannt.
Die teilweise deutlich höher gestimmten Saiten von Instrument D1R liefern, wie zu erwarten, sichtbar
höhere Frequenzanteile im Spektrum. Man erkennt weiterhin als markantes Merkmal, dass oberhalb
5 kHz praktisch keine nennenswerten Klanganteile mehr auftreten. Wir führten deshalb die weiteren
Analysen nur bis 5 kHz aus, dafür aber mit einer höheren Auflösung (3,125 Hz)

0,0035

0,0030

rel. Schalldruck

0,0025

D1RTL
D2RTL
D2LTL
DELTL

0,0020

0,0015

0,0010

0,0005

0,0000
100

1000

10000

Frequenz / Hz

Abbildung 20: Mittlere Spektren der vier Instrumente für die Tonleiter

Aus Untersuchungen an Gitarren ist bekannt, das sich die Frequenzkurve im mittleren Spektrum von
Musikstücken wieder findet, wenn diese den Tonbereich des Instrumentes hinreichend repräsentieren.
Es zeigt sich, dass im unteren Frequenzbereich bis etwa 1 kHz das Resonanzverhalten der Instrumente
das Spektrum dominiert, oberhalb 1 kHz die Eigenschaften der Saiten, das Saitenspektrum entscheidend ist. Abbildung 21, Abbildung 22 und Abbildung 23 stellen nun die mittlere Spektren eines der
Musikstücke und die Frequenzkurven für die Instrumente D1R, D2R und DEL gegenüber.

100

1000
10

0,006

Frequenzkurve

rel. Schalldruck

-10
0,004
-20
0,003

mittlere Spektrum

-30

0,002
-40
0,001

Frequenzkurve / dB(Pa/N)

0

0,005

-50

0,000

-60
100

1000

Frequenz / Hz

Abbildung 21: Frequenzkurve und mittleres Spektrum des traditionellen Stückes, Instrument D1R

16
Die aufgenommenen Frequenzkurven weisen ihre tiefste Resonanz bei ca. 110 Hz auf. Der von der
Tonleiter erzeugte Frequenzbereich beginnt aber erst bei Grundton des tiefsten gespielten Tones d
(147 Hz). Die Wirkung der ersten Resonanz kann sich hier also gar nicht zeigen. Wir verwenden
deshalb die mittlere Spektren des traditionellen Stückes für eine Gegenüberstellung von Frequenzkurve und tatsächlich abgestrahltem Klang.
100

1000
10

0,006

Frequenzkurve

rel. Schalldruck

-10
0,004
-20
0,003
-30

mittleres Spektrum

0,002

-40
0,001

Frequenzkurve / dB(Pa/N)

0

0,005

-50

0,000

-60
100

1000

Frequenz / Hz

Abbildung 22: Frequenzkurve und mittleres Spektrum des traditionellen Stückes, Instrument D2R

100

1000
10

0,006

Frequenzkurve

rel. Schalldruck

-10
0,004
-20
0,003

mittleres Spektrum

-30

0,002
-40
0,001

Frequenzkurve / dB(Pa/N)

0

0,005

-50

0,000

-60
100

1000

Frequenz / Hz

Abbildung 23: Frequenzkurve und mittleres Spektrum des traditionellen Stückes, Instrument DEL

Ein grober Zusammenhang zwischen Resonanzverhalten der Instrumente und den mittleren Spektren
der Musikstücke ist durchaus erkennbar, jedoch sollten für sicherer Aussage die Experimente wiederholt werden. Zum einen währe eine vollständige chromatische Tonleiter aufzunehmen, zum anderen
sollte mit verschiedenen traditionellen oder auch modernen Stücken experimentiert werden. Insgesamt
scheint sich jedoch die Beobachtungen aus dem Gitarrenbereich zu bestätigen, dass die deutliche
Wirkung der Instrumentenresonanzen bis 1 kHz reicht, dann jedoch eher ein von den Saiten und
gespielten Tönen dominiertes Spektrum existiert.

17
6

Zusammenfassung

Die vorliegenden Untersuchungen stellen, wenn man von den wenigen Testmessungen am Instrument
Divane D1R absieht, die ersten Arbeiten des IfM auf dem Gebiet der Langhalslauten überhaupt dar.
Aus der Literatur sind uns ebenfalls keine Untersuchungen bekannt. Allerdings waren die diesbezüglichen Recherchen hierzu aus Zeitgründen nicht allzu gründlich. Da keine konkrete Aufgabenstellung
vorlag kann auch kein wirkliches Resümee der Arbeiten gezogen werden. Vielmehr muss man von
ersten, orientierenden Untersuchungen ausgehen, die jedoch durchaus eine Reihe von Erkenntnissen
erbrachten.
Es zeigte sich, dass die üblichen, bei Streich- und Zupfinstrumenten angewandten Messverfahren
prinzipiell auch für die Langhalslauten im Allgemeinen und den Divane im Besonderen angewandt
werden können. Anhand der aufgenommenen Frequenzkurven und vorgenommenen Modalanalysen
kann man formulieren, dass nunmehr die prinzipielle Übertragungsstruktur der Instrumente sowie die
wichtigsten Moden auf die diese Übertragungsstruktur zurückzuführen ist, bekannt sind. Allerdings
muss man diese Aussage mit einer gewissen Vorsicht betrachten, da bislang nur Messungen an insgesamt vier Instrumenten vorliegen. Sinnvoll wäre eine Messreihe an wenigstens 5 deutlich verschiedenen Instrumenten sowie fünf Exemplaren eines Typs.
Probleme hinsichtlich des Schwingverhaltens der dünnen Hälse scheint es aufgrund der soliden
Konstruktion mit innen liegendem Aluminiumprofil nicht zu geben.
Interessant für weitere Arbeiten wäre die Einbeziehung einiger Baglama, aus denen der Divane
abgeleitet wurde, um die akustischen Unterschiede herauszuarbeiten.
Eine Fortführung der Arbeiten zu akustischen Phänomenen am Divane wären auf jeden Fall
wünschenswert, wobei sich zukünftige Arbeiten jeweils einer eingeschränkten, konkreten Aufgabenstellung widmen sollten. Insgesamt erscheinen aber die Ergebnisse dieser ersten Arbeiten überaus
interessant, zumal, wie bereits erwähnt, über entsprechende umfangreiche Untersuchungen an Langhalslauten nichts bekannt ist.

Zwota, den 21.12.2011

Dr.-Ing. Gunter Ziegenhals
Geschäftsführer

Literatur

Fleischer, H.:

DEAD SPOTS
Zum Schwingungsverhalten elektrischer Gitarre und Bassgitarren
Beiträge zur Vibro- und Psychoakustik UNI Bw München 1/96, ISSN 1430-936X

Fleischer, H.:

Admittanzmessungen an akustischen Gitarren
Forschungs- und Seminarberichte aus dem Gebiet Technische Mechanik und
Flächentragwerke UNI Bw München 1/97

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Divane Müzik - Divane Müzik Akustiği İnceleme Raporu - Dresden Teknik Üniversitesi Müzik Enstrümanları Enstitüsü (2011) (Almanca)

  • 1. IfM – Institut für Musikinstrumentenbau e.V. An der Technischen Universität Dresden www.ifm-zwota.de Untersuchungen am Instrument "Divane" Arbeiten im Auftrag von Yavuz Gül Divane Muzik von Gunter Ziegenhals Dezember 2011 IfM – Institut für Musikinstrumentenbau e.V. Klingenthaler Straße 42 08267 Zwota Tel: (03 74 67) 2 34 81 Fax: (03 74 67) 2 34 83 E-Mail: post@ifm-zwota. de Internet: www.ifm-zwota.de Sitz Zwota /Vogtl. Amtsgericht Auerbach Registergericht VR 281 Vorstandsvors.: Ralph Eltz Geschäftsführer: Dr.-Ing. Gunter Ziegenhals Bankverbindung Sparkasse Vogtland Konto-Nr. 3606000749 BLZ 870 580 00 St.-Nr. 223/142/01438
  • 2. Untersuchungen am Instrument "Divane" Zusammenfassung Die in diesem Bericht beschriebenen Untersuchungen zum Instrument Divane erfolgten auf Initiative und im Auftrag von Herrn Yavuz Gül, Divane Muzik. Diese Forschungsarbeiten stellen, wenn man von den wenigen Testmessungen am Instrument Divane D1R absieht, die ersten Arbeiten des IfM auf dem Gebiet der Langhalslauten überhaupt dar. Aus der Literatur sind uns ebenfalls keine Untersuchungen bekannt. Man muss zweifellos von ersten, orientierenden Arbeiten ausgehen, die jedoch durchaus eine Reihe von Erkenntnissen erbrachten. Es zeigte sich, dass die üblichen, bei Streich- und Zupfinstrumenten angewandten Messverfahren prinzipiell auch für die Langhalslauten im Allgemeinen und den Divane im Besonderen angewandt werden können. Anhand der aufgenommenen Frequenzkurven und vorgenommenen Modalanalysen kann man formulieren, dass nunmehr die prinzipielle Übertragungsstruktur der Instrumente sowie die wichtigsten Moden auf die diese Übertragungsstruktur zurückzuführen ist, bekannt sind. Allerdings muss man diese Aussage mit einer gewissen Vorsicht betrachten, da bislang nur Messungen an insgesamt vier Instrumenten vorliegen. Sinnvoll wäre eine Messreihe an wenigstens 5 deutlich verschiedenen Instrumenten sowie fünf Exemplaren eines Typs. Als überaus überraschendes Ergebnis erwies sich der geringe Einfluss des langen, dünnen Halses. Die Ursache dafür liegt zweifellos in der soliden Konstruktion mit innen liegendem, speziell angefertigtem Aluminiumprofil. 2
  • 3. Inhalt 1 Einleitung 4 2 Aufnahme von Frequenzkurven 5 2.1 Technik der Frequenzkurvenmessung 5 2.2 Frequenzkurvenmessung am Divane 6 3 Modalanalyse an Instrument D2R 10 4 Admittanzmessung am Hals 14 5 Untersuchungen an gespielten Tönen 15 6 Zusammenfassung 18 3
  • 4. 1 Einleitung Nach Angaben des Auftraggebers, Herrn Yavuz Gül, stellt sich die Ausgangssituation wie folgt dar: Die typisch türkische Langhalslaute ist die Baglama. Es ist das am häufigsten in der Türkei gespielte Instrument. Deshalb wird es meist einfach als Saz bezeichnet, was im Türkischen das allgemeine Wort für Musikinstrument ist. Die Baglama hat keine einheitliche Mensur oder Größe. Sie wird nach Bedarf dimensioniert. Auch die Stimmung ist variabel. Lediglich die Intervalle zwischen den drei Chören sind fest. Es sind Quinten. Die Baglama wird nach Korpuslänge eingeteilt: · · · Jurre, Korpuslänge etwa 24 cm, tiefster Ton ca. 500 Hz Tambur, Korpuslänge 50 cm bis 56 cm Divane, Korpuslänge 52 cm bis 57 cm Der Divane von Gül ist ein aus der Baglama abgeleitetes eigenständiges Instrument. Die Korpusform ist eine Eigenentwicklung. Sie unterscheidet sich von Mandoline, Baglama oder Busuki. 2009 übereignete Herr Gül dem IfM ein Instrument ohne konkreten Auftrag, jedoch mit der Bitte, Möglichkeiten für Untersuchungen an diesem Instrument zu prüfen. Das Instrument von 2009, wir bezeichnen es im Weiteren mit D1R, Divane 1 Modell für Rechtshänder, stellt nach seiner Einstufung einen Tamburdivane dar. Es verfügt über drei Chöre (zwei doppelte, einen dreifachen) mit folgender Stimmung: A a, E e, H h h. Die tiefste Saite befindet sich in der Mitte. Die drei tiefen Saiten sind umsponnene Stahldrahtsaiten, die vier höheren Saiten blanke Stahlsaiten. Eigentlich müsste der tiefste Chor mit A1 und A bestückt sein. Eine solche Saite hat Gül aber zunächst nicht zur Verfügung. Er stellt seine Saiten selbst her, da die verfügbaren Saiten nicht geeignet sind und Saitenhersteller aufgrund des zunächst geringen Bedarfs keine spezielle Entwicklung vornehmen wollten (Z.B. hat er auch vergeblich bei Lenzner angefragt!). Die Mensurlänge beträgt 80 cm. Entgegen der Baglama mit 23 Bünden weist der Tamburdivane 25 Bünde, also einen längeren Hals auf. Die Tamburentwicklungslinie hat er nach eigenen Angaben bereits 2009 verlassen. Von der neuen Serie sandte er ein Rechtshänderinstrument vorab ein und brachte ein Linkshänderinstrument mit. Wir bezeichnen diese als D2R und D2L. Ihre Mensurlänge beträgt 77 cm. Das Instrument verfügt über drei Doppelchöre, A1 A1, E E und H H. Mittlerweile gelang also auch die Herstellung der tiefen Saiten. Das Instrument verfügt wie die Baglama über 23 Bünde. Weiterhin wurde die Saitenaufhängung stegseitig verändert. Während beim Tamburdivane der Saitenhalter am Untersattel saß, ist beim neuen Divane der Saitenhalter zwischen Steg und Untersattel auf die Decke geklebt. Eine weitere Änderung betrifft die Bünde. Beim Tambur waren sie wie bei der Gitarre aus Metallprofil und in Schlitze in das Griffbrett eingedrückt. In der neuen Variante sind es, ähnlich der Laute, Halsumwicklungen aber vier Windungen pro Bund. Was uns bislang nicht aufgefallen war: Die langen dünnen Hälse der Gül-Instrumente sind ungewöhnlich stabil. Sie besitzen ein Aluhohlprofil als Kern, das mit Furnier umklebt wird. Bei einer anderen Variante wird das Aluprofil in eine entsprechend ausgefräste Kantel eingelegt. Das Werkzeug für den Alustrangguss und den Formfräser hat Gül sich extra anfertigen lassen. Der Alu-Hals ist patentiert! Weiterhin brachte Herr Gül ein Experimentierinstrument (Linkshänderausführung) mit, Bezeichnung DEL. Dem Instrument fehlt die Decke. Für Versuche zu Beleistungsvarianten werden Testdecken mit Klebeband auf dem Korpus befestigt. Die Experimente erfolgen durch Spielen des Testinstrumentes. Ausführender ist Herr Gül selbst. Er ist Linkshänder. Deshalb entstehen in jeder Phase auch Linkshänderinstrumente. Aus seinen Äußerungen kann man entnehmen, dass er der wohl z. Z. einzige Testmusiker im Rahmen seines Projektes ist. Deshalb sind seine Aussagen zu Stärken und Schwächen seiner Instrumente auch stets sehr auf ihn bezogen und wahrscheinlich nur bedingt verallgemeinerbar. Für akustische bzw. Schwingungsmessungen werden im IfM die Messketten stets absolut kalibriert. Die Ergebnisse erscheinen in SI-Einheiten. Dies wird in den einzelnen Beschreibungen zu den Experimenten nicht explizit erwähnt. 4
  • 5. 2 2.1 Aufnahme von Frequenzkurven Technik der Frequenzkurvenmessung Die gespannte, in Schwingungen versetzte Saite ist aufgrund ihres geringen Durchmessers nicht in der Lage, hinreichend Schall abzustrahlen. Deshalb braucht sie einen Resonanzboden bzw. einen Resonanzkörper als Abstrahlungshilfe. Der Saitenschwingung einer Gitarre bzw. allgemeiner einer Laute wird beim Anzupfen bzw. Anschlagen einmalig Energie vom Spieler zugeführt. Diese Energie steckt zunächst vollständig in der Saitenschwingung und wird nach und nach über den Resonanzkörper als Schallenergie an die Umgebung abgegeben oder in Form von innerer Reibung in Saite und Korpus in Wärme umgewandelt. Der Resonanzkörper erhöht die Schallleistung, führt aber gleichzeitig dazu, dass die einmalig zugeführte Energie schneller verbraucht wird. Ein gut abstrahlendes, lautes Instrument wird also eine kürzere Klangdauer aufweisen als ein leises Instrument. Die Saite regt den Korpus an, indem sie am Steg eine Kraft auf ihn ausübt. Das Spektrum dieser Kraft hängt neben dem Material und dem Aufbau der Saite auch von Anschlagort, Anschlagstärke und Anschlagtechnik ab. Das heißt, die Analyse eines real gespielten Klanges beinhaltet immer auch Saite und Spieler, auch eine Anschlagvorrichtung kann die Saite nicht ausschließen. Um nun das Produkt Laute unabhängig vom separaten Produkt Saite und dem sehr variablen Spieler zu testen, liegt es nahe, am Steg eine künstliche, definierte Kraft einzuspeisen und die Reaktion des Instrumentes auf diese Kraftwirkung zu beobachten. Das Einspeisen der Kraft erfolgt bei der standardmäßig im IfM angewandten Methodik mittels Impulshammer. In den Kopf des Impulshammers ist in ein Kraftaufnehmer integriert. Da auf diese Weise unter Verwendung eines Frequenzanalysators für jede Frequenz (entsprechend der gewählten Auflösung) die tatsächlich eingespeiste Kraft, unabhängig von der Art der Erregung, ermittelt werden kann, ist es möglich, jede beobachtete Reaktion auf die Erregerkraft zu beziehen und so Ungleichmäßigkeiten der Erregung über die Frequenz zu kompensieren. Solche Ungleichmäßigkeiten können durch ungenügende Ankopplung, unterschiedliche Eingangsimpedanz, verschiedene Anklopftechniken usw. entstehen. Wichtig ist nur, dass bei der jeweils beobachteten Frequenz noch genügend Kraft eingespeist wird, um das Instrument in Schwingung zu versetzen. Bei der beobachteten Reaktion des Instrumentes auf den Krafteintrag handelt es sich um den abgestrahlten Schall, den entstehenden Klopfton. Der Schall wird an drei Punkten im Raum mittels Mikrofon aufgenommen: Mikrofon 1 befindet sich in 1 m Abstand senkrecht zur Decke gegenüber dem Schallloch. Mikrofon 2 ist gegenüber Mikrofon 1 um 45° in Richtung Hals gedreht; Abstand 1 m zu Schalllochmitte. Mikrofon 3 ist gegenüber Mikrofon 1 um je 45° nach links in Richtung Hals und nach oben (in Richtung E-Saite) gedreht; Abstand 1 m zu Schalllochmitte. Mittels eines Mehrkanalanalysators, an den sowohl die drei Mikrofone als auch der Impulshammer angeschlossen ist, werden die drei Übertragungskurven, der Verlauf Schalldruck/Kraft über der Frequenz, gleichzeitig aufgenommen und anschließend die drei Übertragungskurven zu einer mittleren Kurve verrechnet. Die Messung findet im reflexionsarmen Raum statt, um Raumeinflüsse in Folge von Reflexionen auszuschließen. Fixieren des Instrumentes und Anschlagen erfolgen manuell in Spielhaltung. Gemessen wird im Bereich 0 Hz bis 5 kHz mit einer Auflösung von 3,125 Hz. Abbildung 1: Messsituation bei Aufnahme der Frequenzkurve 5
  • 6. 2.2 Frequenzkurvenmessung am Divane Von allen Instrumenten, auch dem D1R nahmen wir am 02.12.2011 die Frequenzkurven auf. Dabei trat zunächst eine kleines Problem auf. Am Steg des Divane D1R fanden wir 2009 zwei Chorzwischenräume vor, die sich beide für den Impulsanschlag eigneten. Da wir keine Erfahrungen mit dem Instrument besaßen, nutzten wir vorsorglich beide Anschlagorte und bildeten die mittlere FK. Bei Instrument D2 ist der tiefe Chor am Steg im Sinne einer Mensurkorrektor etwas zurückgesetzt (Abbildung 2). Dadurch ist in diesem Zwischenraum kein sicherer Anschlag möglich. Abbildung 2: Steg D1 links und D2 rechts Wir prüften deshalb, ob die Beschränkungen auf einen Anregepunkt ausreichend ist. Dazu verglichen wir die mittlere FK von 2009 mit der die sich bei Beschränkung auf nur einen Anschlagort ergibt (Abbildung 3). Es zeigte sich, dass dies offenbar ohne weiteres möglich ist. Wir führten die Messungen 2011 also nur mit Anschlägen zwischen den Chören H und E durch. 10 Messung 2009 Frequenzkurve / dB(Pa/N) 0 -10 -20 -30 -40 Mittelwert zwei Anschlagorte Nur Anschlag in unterem Saitenzwischenraum -50 -60 100 1000 Frequenz / Hz Abbildung 3: Frequenzkurve D1R mit zwei und nur einem Anschlagort am Steg Bei der Vorbereitung der Messungen löste sich beim D1R die Schalllochrosette. Wir führten die Messung also zunächst ohne die Rosette aus. Der Vergleich mit den Frequenzkurven-Messungen 2009 am D1R zeigte deutliche Abweichungen (Abbildung 4). Die ersten drei Resonanzen sind deutlich nach oben verschoben und die Resonanz bei 1 kHz wird deutlich stärker und breiter ausgeprägt. Es kamen mehrere Ursachen für die Differenzen in Betracht: Unterschiedliche Experimentatoren (2009 Schiema, 2011 Ziegenhals), Veränderungen am Instrument durch Nachtrocknen und die fehlende Rosette. Mit Letzterem ließ sich unserer Meinung nach aber nur die Erhöhung der Hohlraumresonanz erklären: 6
  • 7. Ohne Rosette ist die effektive Lochöffnung größer, die Helmholtzresonanz des Hohlraumes steigt an. Die anderen Veränderungen blieben zunächst unklar. Also führten wir verschiedene Repo-Messungen an D1R mit beiden Experimentatoren aus. Diese führten zu keinem Ergebnis. Wir klebten die Rosette schließlich wieder ein, und nahmen am 02.12.2011 die Frequenzkurve erneut auf (beide Experimentatoren). Im Ergebnis zeigte sich der Verlauf von 2009 (Abbildung 5)! 10 Frequenzkurve / dB(Pa/N) 0 -10 -20 -30 -40 Messung 2009 HSch 1. Messung 01.12.2011 GuZ -50 -60 100 1000 Frequenz / Hz Abbildung 4: Vergleich der Frequenzkurven D1R gemessen 2009 und am 01.12.2011 10 Frequenzkurve / dB(Pa/N) 0 -10 -20 -30 -40 D1R mit Rosette 02.12.2011, GuZ D1R mit Rosette 07.04.2009, HSch -50 -60 100 1000 Frequenz / Hz Abbildung 5: Vergleich Frequenzkurven D1R nach wieder Anbringen der Schalllochrosette Es bot sich nun an, die Wirkung der Schalllochrosette auf die Frequenzkurve und damit auf die Schallabstrahlung zu diskutieren. Da ohne Rosette die zweite und dritte sowie die Resonanz bei 1 kHz hinsichtlich der Frequenz nach oben gingen, kommt kein Versteifungseffekt der Rosette in Frage. Vielmehr wirkt hier offensichtlich nur die Masse der Rosette. Eine Schalllochrosette stimmt das Instrument also insgesamt etwas tiefer ab. Als nächstes wurden die beiden Varianten des Instrumentes D2 verglichen. Die beiden Instrumente zeigen sehr ähnliche Frequenzkurven, jedoch erkennt man auch gewisse Exemplarstreuungen (Abbildung 6). 7
  • 8. 10 Frequenzkurve / dB(Pa/N) 0 -10 -20 -30 D2L D2R -40 -50 -60 100 1000 Frequenz / Hz Abbildung 6: Vergleich der Frequenzkurven der beiden Varianten des Modells D2 Der nächste Schritt galt dem Vergleich der drei Entwicklungsvarianten D1, D2 und DE (Abbildung 7). 10 Frequenzkurve / dB(Pa/N) 0 -10 -20 D1R (mit Rosette) D2R DEL -30 -40 -50 -60 100 1000 Frequenz / Hz Abbildung 7: Frequenzkurven der drei Divane-Varianten im Vergleich Die drei Varianten D1, D2 und DE sind jeweils niedriger abgestimmt. Die Entwicklungsvariante DE zeigt die niedrigste Abstimmung. DE ist dabei geringfügig leiser als D2. Das Ziel, die tiefen Töne besser zur Geltung zu bringen, verfolgt Yavuz Gül nun tatsächlich nach eigenen Angaben. Eine schrittweise Annäherung ist mit jedem Schritt erkennbar. Inwieweit die aktuelle DE-Variante schon seinen Vorstellungen entspricht, dazu äußerte sich Herr Gül nicht. Wir wollen nun die Frequenzkurve im Detail diskutieren: Zunächst steigt die Kurve stetig an und erreicht etwa bei 100 Hz bis 120 Hz den mittleren Übertragungspegel. Es folgt eine erste Resonanz im Bereich 100 Hz bis 125 Hz. Nach einer leichten Senke folgte eine zweite typische Resonanz im Bereich 200 Hz bis 400 Hz. Im weiteren Frequenzverlauf folgen weitere ausgeprägte Resonanzen, wobei zwei sehr markante im Bereich 600 Hz bis 1000 Hz sowie um 1500 Hz zu finden sind. Die Kurven der drei Varianten des Divane ähneln sich sehr stark, insgesamt erscheint der grundsätzliche Verlauf infolge der verschiedenen Abstimmungen lediglich jeweils verschoben. Auf welche Schwingungen diese Abstrahlungsmaxima zurückzuführen sind kann hier noch nicht ausgesagt werden. 8
  • 9. Hierzu ist die Auswertung der vorgenommenen Modalanalyse erforderlich. Wir wollen aber für die drei untersuchten Varianten die markanten Resonanzen hinsichtlich ihrer Frequenz auflisten und als weiteres Merkmal den Frequenzschwerpunkt im Bereich 50 Hz bis 5 kHz (SC(50..5k) hinzufügen (Tabelle 1). Instrument D1R D2R DEL f1/Hz 122 112 103 f2/Hz 275/331 243 222 f3/Hz 990 820 645 f4/Hz 1437 1340 1340 f4/Hz 2118 1970 SC(50..5kHz) 2580 2100 2275 Tabelle 1: Frequenzkurvenmerkmale Hinsichtlich des Frequenzschwerpunktes kann die bisherigen Diskussion zur Abstimmung der Instrumente nur bedingt bestätigt werden. D1R wurde als am höchsten abgestimmt eingeschätzt und zeigt auch den höchsten Frequenzschwerpunkt. Warum aber der Frequenzschwerpunkt von DEL über dem von D2R liegt, obwohl DEL als deutlich tiefer abgestimmt eingeschätzt wurde, kann beim gegenwärtigen Kenntnisstand nicht befriedigend erklärt werden. Analysiert man die Frequenzkurve speziell in Hinblick auf die tiefen Töne, so stellt man immer noch einen steilen Abfall hin zum tiefsten Ton A1 (55 Hz) fest. Brauchbar erscheint die Übertragung nach unseren Auffassungen (diese können durchaus vom orientalischen Klangempfinden hinsichtlich eines Idealfalles abweichen!) ab E (82 Hz), dem tiefsten Ton der Gitarre. Überhaupt ähnelt die Frequenzkurve des Divane zumindest im Bereich bis 800 Hz sehr stark der der klassischen Gitarre. Es lohnt sich deshalb einmal ein direkter Vergleich. Abbildung 8 stellt die Frequenzkurve der letzten Entwicklungsstufe DE der von Referenzgitarre 1 (RefGit01, Takamine) aus dem Bestand des IfM gegenüber. Bis etwa 750 Hz verlaufen die Kurven in der Tat sehr ähnlich. Darüber zeigt der Divane jedoch eine deutlich stärkere Übertragung. Sein Klang ist also deutlich mehr in den Höhen betont. 10 Frequenzkurve / dB(Pa/N) 0 -10 -20 -30 -40 DEL RefGit01 -50 -60 100 1000 Frequenz / Hz Abbildung 8: Vergleich Frequenzkurve Divane und Gitarre im Vergleich Dies entspricht auch den Hörwahrnehmungen beim Spielen des Divane. Die tiefen Töne der Instrumente D2 klingen ähnlich den tiefen Tönen bei Klavier. Sie sind zwar kräftig aber es fehlt irgendwie der Grundton. 9
  • 10. 3 Modalanalyse an Instrument D2R Jedes schwingfähige System weist so genannte Eigenschwingzustände oder auch Moden auf. In diese Moden verfällt das System, wenn man es nach einer Erregung sich selbst überlässt. Die Bestimmung der Eigenschaften dieser Moden nennt man Modalanalyse. Hierbei werden vorrangig drei Eigenschaften bestimmt: Die Modenfrequenzen (auch als Eigenfrequenzen bezeichnet, die Schwingformen der Moden sowie deren Dämpfung. Wird das System mit einer Frequenz erregt, die nahe einer Eigenfrequenz liegt kommt es zu besonders heftigen Schwingreaktionen, zu Resonanzen. Im IfM verwenden wir für die Modalanalyse das System STAR. Dabei handelt es sich um eine entsprechende Software. Zunächst ist ein Gittenetzmodell des zu untersuchenden Objektes zu erstellen und in den Computer einzugegeben. Für den Divane erstellten wir ein Modell mit 476 Gitterpunkten (Abbildung 9). Undeformed 39 Y Abbildung 9: Gitternetzmodell Divane, 476 Gitterpunkte, Fixpunkt für Aufnehmer Nr. 39 Die einzelnen Elemente, wie Hals, Kopf, Decke, Rosette und Boden (Muschel) sind in unterschiedlichen Farben dargestellt. Die Muschel ist bewusst in der Darstellung von der Decke abgesetzt, um eine bessere Sichtbarkeit zu erreichen. Abbildung 10: Messsituation Modalanalyse Das Gitternetzmodell muss nun auch auf das Messobjekt aufgebracht werden. Man kann es aufzeichnen, oder wie wir es stets bei Kundeninstrumenten vornehmen, auf das Objekt projizieren. An einem festen Punkt wird ein Beschleunigungsaufnehmer befestigt. Wir wählten hier den Punkt 39. Er ist in Abbildung 9 eingetragen (schlecht zu sehen). Das Messobjekt wird für die Messung frei bzw. weich unterstützt aufgehängt. Abbildung 10 zeigt die Messsituation. Man erkennt den Beschleunigungsaufnehmer. Dieser befindet sich im Vergleich zu Abbildung 9 auf der falschen Seite. Ursache ist ein Abbildungsfehler des 10
  • 11. STAR-Programms mit dem Abbildung 9 erzeugt wurde. Es zeichnet die Strukturen sporadisch gespiegelt. Aufgenommen werden nun die Übertragungskurven von allen 476 Gitterpunkten zum Aufpunkt 39. Es wird auch die Übertragung von Punkt 39 zu sich selbst betsimmt. Die Messung erfolgt durch Anregen der Punkte mittels Impulshammer. Impulshammer und Beschleunigungsaufnehmer sind an einen Analysator angeschlossen, der die Übertragungskurven berechnet und an das STAR-Programm übergibt. Aus den 476 Übertragungskurven berechnet das Programm anschließend im Dialog die modalen Parameter. Nun liefert die Modalanalyse nur in wenigen Fällen wirklich ideal ausgebildete Modenformen. Insbesondere bei höheren Moden ist die Darstellung wegen der vielen Knotenlinien und der begrenzten Auflösung des Gitterrasters sehr unübersichtlich. Wir führten die Modalanalyse an Instrument D2R durch. Abbildung zeigt noch einmal dessen Frequenzkurve. Es sind die Resonanzen markiert, die eindeutig einer gemessenen Mode zugeordnet werden können. 10 Frequenzkurve / dB(Pa/N) 0 244 Hz 815 Hz 1340 Hz 112 Hz -10 350 Hz -20 980 Hz 465 Hz -30 -40 -50 -60 100 1000 Frequenz / Hz Abbildung 11: Frequenzkurve D2R mit eingetragenen zuordenbaren Modenfrequenzen Bei 112 Hz lässt sich die Helmholtzmode, eine Hohlraummode gekoppelt mit einer Deckenschwingung, beobachtet zuerst von HELMHOLTZ an Geigen, nachweisen. Allerdings ist die Darstellung so schwach, dass sie nur als bewegtes Bild identifiziert werden kann. Die deutliche Resonanz bei 244 Hz geht eindeutig auf die erste Deckenmode zurück (Abbildung 12). # 4:243.67 Hz 39 Y Abbildung 12: Erste Deckenmode; 245,7 Hz 11
  • 12. Der nächste sichere Zusammenhang besteht für den Peak 350 Hz der Frequenzkurve. Die Quelle ist hier die zweite Deckenmode. # 7:346.86 Hz 39 Y Abbildung 13: Zweite Deckenmode; 347 Hz Obwohl ein gewisser Unterschied hinsichtlich der gemessenen Frequenz besteht, würden wir die Resonanz 465 Hz der gefundenen Deckenmode mit 451 Hz zuordnen. # 8:451.20 Hz 39 Y Abbildung 14: Deckenmode bei 451 Hz Für die folgende, deutliche Resonanz der Frequenzkurve mit einer Frequenz von 643 Hz konnten wir keine Schwingungsmode am Instrument finden. Hingegen findet sich für den Peak bei 815 Hz eine Mode. Diese hat aber schon eine sehr strukturierte Schwingungsform (Abbildung 15). Neben der Decke ist hier der Hals deutlich an der Modenform beteiligt. Die vorletzte Übereinstimmung, die wir finden konnten, betrifft einen sehr kleinen Peak um 980 Hz. Die zugehörige Mode (Abbildung 16) ist eine Deckenschwingung, an der nur kleine Teile der Decke beteiligt sind. Und letztlich ließ sich eine Mode finden, die offensichtlich zur Resonanz bei 1340 Hz führt. In den Ausführungen wird, bis auf ein Ausnahme, von Deckenmoden gesprochen. Tatsächlich sind in der Regel auch andere Teile, z.B. die Muschel an der Schwingung beteiligt. Die entsprechenden Amplituden sind jedoch so schwach, dass sie im Standbild nicht zu sehen sind. Insgesamt kann man guten Gewissens davon ausgehen, dass die wesentliche Schallabstrahlung praktisch ausschließlich von der Decke ausgeht und Manipulationen hier (Beleistung) entscheidenden Einfluss ausüben. 12
  • 13. # 15:814.47 Hz 39 Y Abbildung 15: Mode am Instrument bei 814 Hz # 17:982.39 Hz 39 Y Abbildung 16: Deckenmode bei 982 Hz # 26:1.32e+3 Hz 39 Y Abbildung 17: Deckenmode bei 1320 Hz 13
  • 14. 4 Admittanzmessung am Hals Hälse von Streich- und Zupfinstrumenten führen natürlich auch Schwingungen aus. Aufgrund ihrer hohen Steifigkeit sind die Amplituden jedoch gering. Hinzu kommt die relativ kleine Fläche, so dass sie praktisch nicht zur Abstrahlung beitragen. Allerdings können sie der Saite Energie entziehen. Dies ist nicht erwünscht, da diese Energie natürlich der Abstrahlung verloren geht. Erstmals ging man diesem Phänomen Anfang der 1990er Jahre in Zusammenhang mit Bassgitarren nach. Hier trat das Problem auf, dass einzelne Töne sehr kurz und schwach klangen. Man stellte fest, dass Töne dann sehr kurz klingen, wenn die Tonfrequenz mit einer Halsresonanzfrequenz übereinstimmt, deren Mode zudem am zu drückenden Bund einen Schwingungsbauch aufweist. In diesem Fall kann sehr viel Energie in die Halsschwingung fließen. Die Problemtöne werden auch als DEAD SPOTS bezeichnet. Es wäre nun theoretisch möglich, dem Problem mittels der Modalanalyse zu Leibe zurücken. Sie liefert die Resonanzfrequenzen und Schwingungsformen. Mit beiden Ergebnisse könnte man nach neuralgischen Punkten auf dem Hals suchen. Es zeigt sich jedoch, dass die Modalanalyse nur selten wirklich die notwendigen Resultate liefert. Ein Grund konnte dafür allerdings nicht gefunden werden. Sicherer ist es die Admittanz entlang des Griffbrettes zu messen, d.h. am Ort jeden Bundes. Unter Messung der Admittanz ist die Aufnahme des Admittanzverlaufes über der Frequenz zu verstehen. Die Admittanz, der Kehrwert der Impedanz, beschreibt die Nachgiebigkeit des Griffbrettes bzw. Halses am jeweiligen Messpunkt. Ist für eine bestimmte Frequenz die Nachgiebigkeit groß, so wird für diese Frequenz viel Energie in den Hals aufgenommen. Wird am Bund ein Ton mit dieser Frequenz gedrückt, wird er beeinträchtigt werden. Die Admittanz ist eine komplexe Größe. Für unser Problem ist der Realteil der Admittanz, die Konduktanz entscheidend. Sie stellt eine Art mechanische Leitfähigkeit dar. Wesentliche Arbeiten hierzu kamen von FLEISCHER. Aber auch im IfM wurden mittlerweile etliche derartige Messungen vorgenommen. Die Admittanz ist definiert als Quotient aus Schwinggeschwindigkeit und Erregerkraft am Messort. Beides muss also gleichzeitig am Messort aufgenommen werden. Man bedient sich dazu eines so genannten Impedanzmesskopfes der sowohl einen Beschleunigungsaufnehmer als auch einen Kraftaufnehmer enthält. Die Erregung erfolgt mittels eines Shakers, an dem der Messkopf befestigt wird. Als Erregersignal dient ein Chirp. Gemessen wird z. Z. im Bereich 50 Hz bis 1 kHz mit einer Auflösung von 0,625 Hz. Der Krafteintrag in das Griffbrett erfolgt jeweils am Bundstab (auf dem Bundstab) über einen an der Spitze des Impedanzmesskopfes befestigten Stift. Shaker und Messkopf sind als kompakte Einheit an einem Support befestigt. Der Andruck des Stiftes wird so eingestellt, dass ein sauberes, schnarrfreies Geräusch entsteht. Neben den Bünden wird die Konduktanz auch am Steg gemessen. Messort war jeweils die Halsmitte. Da die Schwinggeschwindigkeit benötigt wird, der Aufnehmer aber die Beschleunigung liefert, muss das Signal einmal integriert werden. Das kann über einen Integrierverstärker oder im Analysator erfolgen. Wir verwenden einen Integrierverstärker. Abbildung 18 zeigt die Messanordnung. Der Shaker ist im Bild für die Messung am Steg eingerichtet. Unterstützt wurde der Hals in der Mitte. Dies simuliert eine mittlere Griffposition. Abbildung 18: Aufbau zur Aufnahme der Halsadmittanz Das Messobjekt war wieder D2R. Dieses Instrument verbleibt im IfM. 14
  • 15. Abbildung 19 stellt nun das Ergebnis der Konduktanzmessungen dar. Die Konduktanzverläufe für die einzelnen Bünde sind als Wasserfalldiagramm hintereinander aufgetragen. Die vordere Linie repräsentiert den Sattel, die hinterste Linie den Steg. Die Einheit der mechanischen Konduktanz (und auch der Admittanz) ist s/kg. 0,25 Konduktanz / s/kg 0,20 0,15 0,10 0,05 0,00 0 200 400 600 800 1000 Frequenz / Hz Abbildung 19: Konduktanzverläufe am Hals; vordere Linie Sattel, hintere Linie Steg Zunächst erkennt man, dass am Steg in den meisten Bereichen eine deutlich höhere Leitfähigkeit besteht als am Hals. Das sollte konstruktionsbedingt auch so sein. Kritische Bereiche zeigen sich bei 270 Hz für die Bünde 0 bis 12 sowie bei 510 Hz bis 540 Hz für die Bünde 8 bis 17. Von den Frequenzen ausgehend wären potentiell die Töne c#1 (277 Hz) und c2 (523 Hz) betroffen. Beim neuen Instrument Divan mit den Doppelchören A1, E und H liegen c#1 und c2 nicht in den kritischen Bundbereichen. Es sind also grundsätzlich keine Probleme mit DEAD SPOTS zu erwarten. Beim Tambur-Divane D1R wäre c#1 ein gefährdeter Ton, da er im H-Chor in der Oktavsaite am dritten Bund vorkommt. Informationen, ob es hier Probleme gegeben hat, liegen uns nicht vor. Andererseits können wir auch nicht sicher sein, dass das Admittanzverhalten von D1R gleich dem des untersuchten D2R ist. D1R verfügt ja über einen etwas längeren Hals und wurde nicht hinsichtlich der Halsadmittanz vermessen. Insgesamt treten aufgrund der sehr soliden Halskonstruktion (Kern aus Aluminiumprofil) praktisch keine Probleme auf, was man bei dem im Verhältnis dünnen, langen Hals zunächst nicht erwarten durfte. Weitere Konduktanzuntersuchungen erscheinen deshalb zunächst nicht erforderlich. Man sollte hier erst weiterarbeiten, wenn beim Spiel tatsächlich Problemtöne bemerkt werden. 5 Untersuchungen anhand kleiner Musikstücke Bei Arbeiten an anderen Streich- und Zupfinstrumenten haben sich in letzter Zeit auch Analysen von aufgezeichneten, kurzen, real auf den Instrumenten gespielten Passagen bewährt. Die Aufnahmen erfolgen im reflexionsarmen Raum des IfM. Als Aufnahmemikrofon dient ein Kunstkopf MK1 (Fa. Cortex) aufgezeichnet wird im DAT-Format (16 bit, 48 kHz) mittels eines HD-Recorders. Die Teststücke sollten ca. 20 s nicht überschreiten, da sie auch abgehört werden sollen. Bei der Bewertung der Ergebnisse muss man allerdings stets beachten, dass ein Großteil Spieler in den Klängen steckt. Um möglichst den ganzen Tonumfang des Instrumentes zu betrachten, dieser aber typisch in kurzen Musikstücken nicht vorkommt, haben sich chromatische Tonleitern über den gesamten Spielbereich der Instrumente als Teststücke bewährt. Hinzu nehmen wir ein typisches Musikstück für das jeweilige Instrument, dass dieses möglich umfassend charakterisiert. Die Auswahl des Stückes überlassen wir in der Regel den jeweiligen Musikern. So wollten wir es auch bei den Divaneuntersuchungen halten. Da die zu vergleichenden Instrumente D1, D2 und DE aber keinen einheitlichen Tonumfang aufweisen und offensichtlich auch aufgrund unvollständiger Absprachen mit dem Spieler, Herrn Gül, wurde die chromatische Tonleiter letztlich auf den Bereich d bis h (Grundtonfrequenzen 147 Hz ... 247 Hz) beschränkt. Weiterhin nahmen wir ein kurzes, typisches Stück jeweils zweimal auf. Subjektiv entstand während der Aufnahmen der Eindruck, dass sehr viele Spielgeräusche, insbesondere auf- und zusammenschlagende Saiten auftreten. Zunächst analysierten wir die Tonleiter im Bereich bis 20 kHz mit 15
  • 16. einer Auflösung von 12,5 Hz. Abbildung 10 zeigt die mittleren Spektren für die Tonleiter der vier Instrumente. Die y-Achse ist hier nicht absolut kalibriert, deshalb die Bezeichnung relativer Schalldruck! Dargestellt wird eine vom Analyseprogramm ausgelesene Spannung, die dem aufgenommen Schalldruck proportional ist, jedoch ist der Proportionalitätsfaktor nicht bekannt. Die teilweise deutlich höher gestimmten Saiten von Instrument D1R liefern, wie zu erwarten, sichtbar höhere Frequenzanteile im Spektrum. Man erkennt weiterhin als markantes Merkmal, dass oberhalb 5 kHz praktisch keine nennenswerten Klanganteile mehr auftreten. Wir führten deshalb die weiteren Analysen nur bis 5 kHz aus, dafür aber mit einer höheren Auflösung (3,125 Hz) 0,0035 0,0030 rel. Schalldruck 0,0025 D1RTL D2RTL D2LTL DELTL 0,0020 0,0015 0,0010 0,0005 0,0000 100 1000 10000 Frequenz / Hz Abbildung 20: Mittlere Spektren der vier Instrumente für die Tonleiter Aus Untersuchungen an Gitarren ist bekannt, das sich die Frequenzkurve im mittleren Spektrum von Musikstücken wieder findet, wenn diese den Tonbereich des Instrumentes hinreichend repräsentieren. Es zeigt sich, dass im unteren Frequenzbereich bis etwa 1 kHz das Resonanzverhalten der Instrumente das Spektrum dominiert, oberhalb 1 kHz die Eigenschaften der Saiten, das Saitenspektrum entscheidend ist. Abbildung 21, Abbildung 22 und Abbildung 23 stellen nun die mittlere Spektren eines der Musikstücke und die Frequenzkurven für die Instrumente D1R, D2R und DEL gegenüber. 100 1000 10 0,006 Frequenzkurve rel. Schalldruck -10 0,004 -20 0,003 mittlere Spektrum -30 0,002 -40 0,001 Frequenzkurve / dB(Pa/N) 0 0,005 -50 0,000 -60 100 1000 Frequenz / Hz Abbildung 21: Frequenzkurve und mittleres Spektrum des traditionellen Stückes, Instrument D1R 16
  • 17. Die aufgenommenen Frequenzkurven weisen ihre tiefste Resonanz bei ca. 110 Hz auf. Der von der Tonleiter erzeugte Frequenzbereich beginnt aber erst bei Grundton des tiefsten gespielten Tones d (147 Hz). Die Wirkung der ersten Resonanz kann sich hier also gar nicht zeigen. Wir verwenden deshalb die mittlere Spektren des traditionellen Stückes für eine Gegenüberstellung von Frequenzkurve und tatsächlich abgestrahltem Klang. 100 1000 10 0,006 Frequenzkurve rel. Schalldruck -10 0,004 -20 0,003 -30 mittleres Spektrum 0,002 -40 0,001 Frequenzkurve / dB(Pa/N) 0 0,005 -50 0,000 -60 100 1000 Frequenz / Hz Abbildung 22: Frequenzkurve und mittleres Spektrum des traditionellen Stückes, Instrument D2R 100 1000 10 0,006 Frequenzkurve rel. Schalldruck -10 0,004 -20 0,003 mittleres Spektrum -30 0,002 -40 0,001 Frequenzkurve / dB(Pa/N) 0 0,005 -50 0,000 -60 100 1000 Frequenz / Hz Abbildung 23: Frequenzkurve und mittleres Spektrum des traditionellen Stückes, Instrument DEL Ein grober Zusammenhang zwischen Resonanzverhalten der Instrumente und den mittleren Spektren der Musikstücke ist durchaus erkennbar, jedoch sollten für sicherer Aussage die Experimente wiederholt werden. Zum einen währe eine vollständige chromatische Tonleiter aufzunehmen, zum anderen sollte mit verschiedenen traditionellen oder auch modernen Stücken experimentiert werden. Insgesamt scheint sich jedoch die Beobachtungen aus dem Gitarrenbereich zu bestätigen, dass die deutliche Wirkung der Instrumentenresonanzen bis 1 kHz reicht, dann jedoch eher ein von den Saiten und gespielten Tönen dominiertes Spektrum existiert. 17
  • 18. 6 Zusammenfassung Die vorliegenden Untersuchungen stellen, wenn man von den wenigen Testmessungen am Instrument Divane D1R absieht, die ersten Arbeiten des IfM auf dem Gebiet der Langhalslauten überhaupt dar. Aus der Literatur sind uns ebenfalls keine Untersuchungen bekannt. Allerdings waren die diesbezüglichen Recherchen hierzu aus Zeitgründen nicht allzu gründlich. Da keine konkrete Aufgabenstellung vorlag kann auch kein wirkliches Resümee der Arbeiten gezogen werden. Vielmehr muss man von ersten, orientierenden Untersuchungen ausgehen, die jedoch durchaus eine Reihe von Erkenntnissen erbrachten. Es zeigte sich, dass die üblichen, bei Streich- und Zupfinstrumenten angewandten Messverfahren prinzipiell auch für die Langhalslauten im Allgemeinen und den Divane im Besonderen angewandt werden können. Anhand der aufgenommenen Frequenzkurven und vorgenommenen Modalanalysen kann man formulieren, dass nunmehr die prinzipielle Übertragungsstruktur der Instrumente sowie die wichtigsten Moden auf die diese Übertragungsstruktur zurückzuführen ist, bekannt sind. Allerdings muss man diese Aussage mit einer gewissen Vorsicht betrachten, da bislang nur Messungen an insgesamt vier Instrumenten vorliegen. Sinnvoll wäre eine Messreihe an wenigstens 5 deutlich verschiedenen Instrumenten sowie fünf Exemplaren eines Typs. Probleme hinsichtlich des Schwingverhaltens der dünnen Hälse scheint es aufgrund der soliden Konstruktion mit innen liegendem Aluminiumprofil nicht zu geben. Interessant für weitere Arbeiten wäre die Einbeziehung einiger Baglama, aus denen der Divane abgeleitet wurde, um die akustischen Unterschiede herauszuarbeiten. Eine Fortführung der Arbeiten zu akustischen Phänomenen am Divane wären auf jeden Fall wünschenswert, wobei sich zukünftige Arbeiten jeweils einer eingeschränkten, konkreten Aufgabenstellung widmen sollten. Insgesamt erscheinen aber die Ergebnisse dieser ersten Arbeiten überaus interessant, zumal, wie bereits erwähnt, über entsprechende umfangreiche Untersuchungen an Langhalslauten nichts bekannt ist. Zwota, den 21.12.2011 Dr.-Ing. Gunter Ziegenhals Geschäftsführer Literatur Fleischer, H.: DEAD SPOTS Zum Schwingungsverhalten elektrischer Gitarre und Bassgitarren Beiträge zur Vibro- und Psychoakustik UNI Bw München 1/96, ISSN 1430-936X Fleischer, H.: Admittanzmessungen an akustischen Gitarren Forschungs- und Seminarberichte aus dem Gebiet Technische Mechanik und Flächentragwerke UNI Bw München 1/97 18