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Cosa pensa Repower dei calabresi e la centrale a carbone
1. «Wenn ihr mir keine Arbeit gebt, hole ich das Gewehr und erschiesse euch» http://www.suedostschweiz.ch/print/2706306
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«Wenn ihr mir keine Arbeit gebt, hole ich das
Gewehr und erschiesse euch»
Kalabrien will Arbeitsplätze und wirtschaftlichen Aufschwung. Repower stellt beides in Aussicht. Der
Preis dafür – ein Kohlekraftwerk an der Küste von Saline Joniche – ist aber vielen zu hoch. Die
Geschichte einer schwierigen Beziehung.
Von Stefan Bisculm (Text und Bilder)
Saline Joniche. – Diese Sandbank gibt Rätsel auf. Sie liegt vor Saline Joniche und versperrt den Zugang zu
einem Hafen. Kein Schiff kann raus, keines kommt rein. Die Hafenanlage an der Küste Kalabriens wurde
einst gebaut, um die wirtschaftlich rückständige Region im Süden Italiens voranzubringen. Doch der Plan
ging nicht auf. Die Verantwortlichen hatten die lokalen Meeresströmungen nicht berücksichtigt, die hier
den Sand im ewigen Naturkreislauf vor dem Hafenzugang abladen.
Eine andere ökonomische Totgeburt befindet sich gleich dahinter. Die rostigen Überbleibsel der in den
Siebzigerjahren mit Unmengen von Staatsgeldern gebauten Chemiefabrik Liquichimica. Sie hätte tierische
Protein-Nahrung produzieren sollen, wurde aber vom Umweltministerium einen Tag nach der Eröffnung
wieder geschlossen, weil die von ihr hergestellten Stoffe krebserregende Elemente enthielten. «Das ist
typisch für Kalabrien», erklärt Fabio Bocchiola, Chef von Repower Italien. «Zuerst wird etwas ohne
Kontext zum Ort gebaut, und wenn es fertig ist, verlieren alle das Interesse. Repower macht es anders.
Wir kommen, um zu bleiben.» Trotz dieser Ankündigung ist auch Bocchiola in Kalabrien nicht sehr
beliebt.
Unberechenbare Demokratie
Repower Italien, der italienische Ableger des gleichnamigen Bündner Energieunternehmens, will in
Kalabrien für über eine Milliarde Euro ein Kohlekraftwerk bauen (siehe Kasten). Als das Projekt – das
unter anderem auch den Neubau des Hafens beinhalten würde – vor fünf Jahren bekannt wurde, löste das
in Kalabrien einen Sturm der Entrüstung aus. Das Gleiche passierte in Graubünden: Umweltschützer
lancierten eine Initiative, die vom Kanton verlangt, allen Firmen, an denen er beteiligt ist, Investitionen in
Kohle zu verbieten. Der Kanton Graubünden hält 46 Prozent an Repower. Ein Ja zur Kohle-Initiative
würde die Investitionspläne von Repower an der Fussspitze des italienischen Stiefels mit einem Schlag
zunichtemachen. Die Botschaft der Regierung zur Kohle-Initiative wird heute Dienstag erwartet, der
Abstimmungstermin ist für September 2013 geplant.
Für Repower steht viel auf dem Spiel. Im norddeutschen Brunsbüttel musste das Unternehmen bereits zu
Beginn dieses Jahres ein milliardenschweres Kohlekraftwerkprojekt aufgeben. Das vorzeitige Scheitern
eines weiteren Grossprojekts würde das Vertrauen in die Repower-Führungsspitze wohl nachhaltig
schädigen. Der bevorstehende Abstimmungskampf zur Kohle-Initiative dürfte deshalb mit ein Grund
gewesen sein, weshalb Repower kürzlich verschiedene Bündner Medien zu einer Arbeitsreise quer durch
Italien zu verschiedenen wichtigen Projektstandorten eingeladen hat. Neben Bocchiola nahmen an der
Reise auch Konzernchef Kurt Bobst und verschiedene Direktoren von Repower Italien teil. Die
«Südostschweiz» nahm die Einladung von Repower an, bezahlte aber Flüge und Unterkunft selber.
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«Wenn ihr kommt, wird alles nur noch schlimmer»
Eine offensive Kommunikationsstrategie ist auch in Kalabrien von Repower gefragt. In einer Region, wo
die Arbeitslosenquote bei knapp 30 Prozent liegt, müsste ein Investor vom Kaliber Repowers eigentlich
als Heilsbringer verehrt werden. Doch die Realität ist eine andere. «Hier sind fast alle gegen das
Kohlekraftwerkprojekt», erklärt ein arbeitsloser Jugendlicher, der am Ende der Mole im «Hafen» von
Saline Joniche zusammen mit Freunden fischt. Als die Repower-Delegation auf ihrer Arbeitsreise an ihrem
Fischerplatz auftaucht, versucht der junge Mann, ihnen das Projekt auszureden. Als Grund für seine
Ablehnung nennt er die sieben Millionen Tonnen CO2, die das Kraftwerk jährlich ausstossen würde.
«Schon heute sterben hier in der Gegend die Menschen wie die Fliegen an Krebs. Wenn ihr kommt, wird
alles nur noch schlimmer.» Trotz seiner Bedenken würde der junge Mann aber am Aufbau der Anlage
bedenkenlos mithelfen. «Und wenn ihr mir keine Arbeit gebt, dann hole ich das Gewehr und erschiesse
euch.» Er lächelt nicht bei diesen Worten.
Bocchiola hört die drohenden Abschiedsworte des jungen Mannes bereits nicht mehr. Schon lange vorher
hat er sich entnervt abgewendet. «Ich kann das Gerede nicht mehr hören. Es nützt nichts, wenn man ihnen
erklärt, dass CO2 für den Menschen ungiftig ist, sie hören nicht zu», sagt der italienische Repower-Chef.
Die Beziehung zwischen Bocchiola und den Kalabresen ist schwierig. Wenn er über sie spricht, fällt oft
das Wort «ungebildet». Ihr tiefes Bildungsniveau, so glaubt er, würde den Umweltschützern in die Hände
spielen, welche die diffusen Ängste bewusst schürten. Bocchiola ist unumstösslich in seiner Überzeugung,
dass ein modernes Kohlekraftwerk, wie es Repower in Kalabrien plant, keinerlei gesundheitliche Risiken
für die Bevölkerung darstellt. «Wenn unser Kohlekraftwerk Kinder krank machen würde, müssten sie
jemand anderen suchen, der es baut.» Richtig sei, dass das Kraftwerk Arbeitsplätze schaffe und
wirtschaftliche Impulse für die Region bringe. Dass ihm seine guten Absichten in Kalabrien aber kaum
jemand abnimmt und er stattdessen überall, wo er öffentlich spricht, vor allem Misstrauen erntet, verletzt
einen Mann wie Bocchiola persönlich. Eine solch offene Ablehnung ist der blauäugige Hüne mit dem
Kirk-Douglas-Kinn nicht gewohnt. Wenn der 48-Jährige an einem Tresen einen Kaffee bezahlt, bleibt auf
dem Gesicht der Barista für gewöhnlich ein Lächeln zurück, und bei grossen Tafelrunden ist die Stimmung
immer dort am besten, wo er Platz genommen hat.
Bocchiola ist für die Bündner Strombarone bei ihrer Expansionsstrategie in Italien ein Glücksgriff. Der
ausgebildete Konzertpianist und Ökonom wurde vor zehn Jahren damit betraut, im liberalisierten
Strommarkt Italiens einen Ableger für die damalige Rätia Energie aufzubauen. Heute sind in der Zentrale
in Mailand 170 Mitarbeiter beschäftigt. Hinzu kommen nochmals 400 nicht fest angestellte Verkäufer im
Aussendienst, die Strom an rund sieben Prozent aller KMU in Italien verkaufen. Von den insgesamt 2,5
Milliarden Franken Umsatz, die Repower im Jahr macht, fällt eine Milliarde in Italien an.
Viel lieber als in Kalabrien hält sich Bocchiola derzeit in Kampanien auf. Im Provinzhauptstädtchen
Benevento ist die Konzernspitze gern gesehen. «Ich hoffe, dass sie ihr Projekt so schnell wie möglich
realisiert», erklärt der Präsident der Provinz bei einem Besuch im Rathaus. Das Energieunternehmen plant
in der Nähe von Benevento, in Campolattaro, ein Pumpspeicherkraftwerk für rund 600 Millionen Euro.
Als unterer Speicher ist ein Staubecken vorgesehen, dessen Damm in den Achtzigerjahren für die
Landwirtschaft mit Geldern aus Rom gebaut wurde. Bis heute wurde mithilfe des Stausees aber noch nie
ein Feld bewässert.
Der Damm hat derzeit auch sonst keine Funktion, er ist bloss ein Mahnmal für eine scheinbar planlose
staatliche Wirtschaftsförderung. In einem Jahr hofft Repower, alle Bewilligungen für das
Pumpspeicherkraftwerk in der Tasche zu haben. Gegen das Projekt gab es lange keine Opposition, bis
kürzlich eine kleine Umweltschutzorganisation wegen der Gefahr von Erdbeben Bedenken anmeldete.
Insgesamt ist der Protest aber ein laues Lüftchen verglichen mit dem Sturm in Kalabrien.
Windräder auf jedem Acker
Eineinhalb Autostunden östlich von Benevento hat Repower im Sommer in Lucera einen Windpark mit 13
Windrädern fertiggestellt. Auf der Fahrt in das apulische Örtchen passiert man unzählige Windparks. Die
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Riesen aus Stahl stehen auf nahezu jedem Grat und auf jedem Acker. Apulien – bekannt als Kornkammer
Italiens – ist aufgrund günstiger Windbedingungen heute in Italien die Region mit den meisten
Windrädern. Und noch immer kommen Energieunternehmen von überall her, um noch mehr Windriesen
aufzustellen. Repower plant in Lucera ebenfalls 15 weiter Windräder.
Weil neben der Windenergie in Italien auch das Geschäft mit den Sonnenkollektoren überall sichtbar
boomt, setzt Repower grosse Hoffnungen in das Pumpspeicherkraftwerk in Campolattaro. Repower geht
mit vielen Experten einig, die glauben, dass die Energiewende ohne Pumpspeicherkraftwerke nicht zu
schaffen sein wird. Als Speicher für die schubweise anfallende Wind- und Sonnenenergie scheinen sie
unverzichtbar.
Billiger Strom dank Kohle
Repower-Chef Bobst steht in seinen schwarzledernen Halbschuhen auf einem Acker bei Lucera und
schaut hoch zum nigelnagelneuen Repower-Windturm Nummer 14, dessen Propeller sich langsam und
wuchtig im Wind dreht. «Ich bin ein grosser Fan von Windenergie», sagt er. «Die Anlagen brauchen
verhältnismässig wenig Platz, und die Energie ist zu 100 Prozent erneuerbar.» Trotz des Hohelieds auf die
erneuerbare Windenergie steht Bobst zu seinem Kohlekraftwerkprojekt in Saline Joniche. Einen
Widerspruch sieht er darin nicht. «Wir brauchen nochmals eine Generation konventioneller
Kraftwerkanlagen, um die Energiewende zu schaffen», ist Bobst überzeugt.
Umweltschützer bringt der Repower-Chef mit solchen Aussagen auf die Palme, doch die italienische
Regierung scheint seine Einschätzung zu teilen. Sie unterstützt das Kohlekraftwerkprojekt von Repower
und hat erst kürzlich dessen Umweltverträglichkeit bestätigt. Rom hat aber auch wirtschaftliche
Interessen. Mit dem Kohlekraftwerkprojekt in Kalabrien soll die Abhängigkeit Italiens von
Gaskraftwerken – und damit auch von den ausländischen Gaslieferanten – gemildert werden. Für die
Versorgungssicherheit bräuchte Italien keine neuen Kraftwerke. Schon heute liegt die installierte Leistung
aller Kraftwerke auf italienischem Boden weit über der maximalen Nachfrage.
Italien könnte demnach auf das CO2-intensive Kohlekraftwerk verzichten, ohne befürchten zu müssen,
dass im Land bald die Lichter ausgehen. Bocchiola lässt dies als Argument gegen sein Projekt aber nicht
gelten. «Der Mensch braucht überhaupt keinen Strom. Was er braucht, ist billiger und bezahlbarer Strom.»
Bocchiola macht keinen Hehl daraus, dass es beim Kohlekraftwerkprojekt in erster Linie darum geht,
Repower im hart umkämpften italienischen Markt besser zu positionieren, um den Kunden günstigeren
Strom anbieten zu können als die Konkurrenz. Die Stromproduktion mit Kohle – auch wenn diese vielfach
aus Übersee kommt – ist kostet weniger als mit Gas. Von Wind und Sonne gar nicht zu sprechen. «Wenn
ich in diesem Marktumfeld nicht bereit bin, über Kohle nachzudenken, muss ich diesen Job nicht
machen», sagt Bocchiola.
Er denkt als Unternehmer, daneben versteht sich der ausgebildete Musiker aber auch als Ästhet. Er spricht
viel darüber, dass die Kraftwerkprojekte von Repower optimal in die jeweilige Umgebung eingepasst
werden müssten. Als leuchtendes Vorbild dient ihm die Kraftwerkzentrale Palü bei Pontresina. Um
Ähnliches in Italien zu schaffen, arbeitet Repower Italien eng mit Italo Rota zusammen. Den Architekten
mit dem ungestümen Rauschebart würde man von seinem Äusseren her eher auf einem Liegevelo an einer
Antikohledemo erwarten als im Boot des bei Umweltschützern umstrittenen Bündner Energiekonzerns.
Rota hat auch die Pläne für das Kohlekraftwerk in Saline Joniche entworfen. Diese sehen eine Anlage mit
begrünten Dächern und von Pflanzen überwucherten Pergolas vor. Wer das Promotionsvideo nur flüchtig
anschaut, könnte fast den Eindruck gewinnen, hier werde ein grüner Freizeitpark gebaut.
Mit zeitgenössischer Architektur und ökologischen Ersatzmassnahmen möchte Repower die Akzeptanz
für seine Projekte bei der Bevölkerung erhöhen. Was in Benevento gut funktioniert, harzt in Saline
Joniche gehörig. Das Provinzparlament hat den Bau des Kohlekraftwerks wiederholt einstimmig
abgelehnt, und bei einer in diesem Jahr durchgeführten Umfrage des WWF Graubünden sprachen sich 61
Prozent der Kalabresen gegen das Projekt aus. Vor fünf Jahren wäre die Ablehnung wahrscheinlich noch
klarer gewesen. Italienische Umweltschützer und die Repower-Führungsriege stellen einhellig fest, dass
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der Widerstand bröckelt. Viele Gespräche in kleinen Gruppen, Inserate in Zeitungen und die in Aussicht
gestellten Kompensationszahlungen zeigen offenbar langsam Wirkung.
Repower macht ein Angebot, das niemand will
Repower macht den Menschen in Kalabrien mit dem Kohlekraftwerk ein Angebot. Eines, das keine
Region der Welt leichten Herzens annehmen würde. Die Einwohner rund um Saline Joniche wissen jedoch
genau, was die wahrscheinlichste Alternative zum Kohlekraftwerk ist: nichts. Die Industrieruinen der
Liquichimica würden wohl einfach nochmals 40 Jahre vor sich hinrosten. Die Idee einiger Kohlegegner,
Touristen in diese Gegend zu locken, erscheint utopisch. Der Tourismus hat hier keine Tradition, und die
entsprechende Infrastruktur fehlt vollständig. Ausserdem scheuen private Investoren das Mafialand wie
ein Gault-Millau-Testesser den Besuch bei McDonald’s. Kalabrien – bella Italia bestenfalls für
Abenteurer.
Von einem fairen Angebot für die Bevölkerung Kalabriens kann allerdings nicht gesprochen werden. Denn
die Entscheidung, ob das Kohlekraftwerk gebaut wird, fällt nicht an der lokalen Urne, sondern in Rom und
in den Gerichtssälen, wo die eingegangenen Beschwerden gegen die erteilte
Umweltverträglichkeitsprüfung behandelt werden. Das einzige Stimmvolk, das sich zumindest indirekt in
einer demokratischen Abstimmung zum Kohlekraftwerk in Saline Joniche äussern darf, lebt kurioserweise
knapp 1400 Kilometer weiter nördlich: in Graubünden.
Datum: 30.10.2012 00:00
Quelle: Südostschweiz Ausgabe Graubünden
Ressort: Region
Webcode: 2706306
Quellen-URL: http://www.suedostschweiz.ch/zeitung/wenn-ihr-mir-keine-arbeit-gebt-hole-ich-das-
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