1. FAU-Proseminar: Die Copernicanische Wende – Ein Motiv zur Entstehung der
neuzeitlichen Naturwissenschaft, 3. Sitzung, Do 03.11.11, Pierre Leich
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Rettung der Phänomene
Als erster Grieche soll Eudoxos von Knidos, wie Eudemos im zweiten Buch seiner
Astronomiegeschichte erwähnt, und Sosigenes, der es von ihm übernimmt, derartige
Hypothesen in Angriff genommen haben, nachdem Platon, wie Sosigenes behauptet,
den Fachastronomen dies als Aufgabe gestellt habe, durch welche (hypothetisch)
zugrunde gelegten gleichmäßigen und geordneten Bewegungen die bei den
Planetenbewegungen auftretenden Phänomene vollkommen gerettet würden.
Simplicii In Aristotelis De caelo libros commentaria, Ed. J.L. Heiberg, S. 488.
Astronomisches Erbe der Antike
In De caelo unternimmt Aristoteles den Versuch, die Welt als eine unvergängliche
und vollkommen ausgewogene transparente Ordnung zu begreifen. Er differenziert
Bewegungsformen, erweitert die Elementenlehre von Empedokles zu einer
Bewegungslehre und argumentiert für eine endliche Welt mit der Erde im Zentrum.
Wir behaupten, daß alle natürlichen Körper und Größen an sich räumliche Bewegung
besitzen; wir erklären nämlich, daß ihre Natur für sie der Ursprung der Bewegung ist.
Jede räumliche Bewegung nun, die wir Ortsbewegung nennen, ist entweder gerade
oder kreisförmig oder aus diesen gemischt. Denn an einfachen Bewegungen gibt es
nur diese zwei. Die Ursache ist, daß auch nur diese beiden Größen einfach sind, die
Gerade und die Kreislinie. Kreisförmig ist jene Bewegung, die um den Mittelpunkt geht,
gerade jene nach oben und nach unten. Mit Bewegung nach oben meine ich jene vom
Mittelpunkte weg, mit derjenigen nach unten die zum Mittelpunkt hin. Also muß jede
einfache Ortsbewegung teils vom Mittelpunkt aus, teils zum Mittelpunkt hin, teils um
den Mittelpunkt herum gehen. Dies scheint auch sinnvoll dem am Anfang Gesagten zu
entsprechen: denn der Körper galt als in dreien vollendet und so nun auch die
Bewegung.
Da nun von den Körpern die einen einfach sind und die andern aus jenen
zusammengesetzt (einfache nenne ich alle die, die einen naturgemäßen Ursprung der
Bewegung haben, wie Feuer und Erde und was ihnen verwandt ist), so müssen
notwendigerweise auch die Bewegungen teils einfache, teils irgendwie gemischte sein,
und zwar die Bewegungen der einfachen Korper einfach, diejenigen der gemischten
gemischt, und dies so, daß sich die Bewegung nach dem Überwiegenden richtet.1
Die Aristotelische Physik bedingt kosmologisch auch die Unterscheidung zwischen einer
mathematischen (kinematischen) und einer physikalischen (dynamischen) Astronomie.
1 Aristoteles, De caelo, 268 b 15 – 269 a 2; zitiert nach der Übertragung von Olof Gigon: Vom
Himmel, Von der Seele, Von der Dichtkunst, Zürich/München 1983, 56f.