1. Informatik und Religion
oder:
Wie lange soll man sündigen im Leben?
Otto Spaniol
Informatik 4 (Kommunikation und verteilte Systeme)
RWTH Aachen
52056 Aachen
spaniol@i4.de
2. Das menschliche „Leben“ besteht aus 4 Phasen B B B B
(Vierphasentheorem):
- Balzen
Wein, Weib und Gesang
(saulinische Phase)
- Bereuen
jammern und beten
(paulinische Phase)
- Braten
schmoren im Fegefeuer
- Bejubeln
hallelujah singen im Himmel
Das Vierphasentheorem
ist geklaut aus (wurde aber
entscheidend verbessert
und erweitert):
Lehner, Meran, Möller:
„De Statu Corruptionis:
Entscheidungslogische Einübungen
in die höhere Amoralität“.
Litzelstetter Libellen, Band 1, 1980.
3. After Life Party
Region of feasability
t0=0
Phase 1
Balzen
t1
Phase 2
t2
Phase 3
t3
Phase 4
Braten
Bejubeln
im Fegefeuer;
Schmorphase
Bereuen
im Himmel
Hallelujah-Singen;
Harfespielen
BekehrungsZeitpunkt t1
(Übergang
vom „Balzen“
zum „Bereuen“)
Exitus
Persönliche
Himmelfahrt
Frage: Was ist der optimale
Bekehrungszeitpunkt t1,opt?
t1,opt muss zwischen t0 und t2 liegen
(also in der „Region of feasability“).
t
4. Die Lebensqualität in den einzelnen Phasen ist:
=0
Phase 1
t0=0
<0
>0
Phase 2
>0
Phase 3
Phase 4
t2
t1
Balzen
Bereuen
t3
t
Braten
Bejubeln
im Fegefeuer;
Schmorphase
im Himmel
Hallelujah-Singen;
Harfespielen
BekehrungsZeitpunkt t1
(Übergang
vom „Balzen“
zum „Bereuen“)
Exitus
Persönliche
Himmelfahrt
5. Phase 1
Phase 2
Phase 4
Phase 3
Bratdauer = f (Balzdauer)
t0=0
t2
t1
Balzen
Bereuen
t
t3
Braten
Bejubeln
Die Bratdauer besteht aus
- einem konstanten Wert a (Erbsündeanteil)
- und ist ansonsten proportional zur Dauer der Balzphase;
Proportionalitätsfaktor b.
Die Bratdauer ist also: t3 - t2 = f (t1-t0) = a + b*(t1 - t0) = a + b*t1
wobei
a>0:
a=0:
katholische Kirche
Protestanten
6. Die Lebensqualität LQ(t) in den einzelnen Phasen wird durch
eine exponentiell abklingende Abzinsungs- oder Abnutzungsfunktion
LQ(t)
beeinflusst
(„Gewöhnungseffekt“):
L4
L1
L1*exp(- λ*t)
<Fläche L1>
t0=0
L4*exp(- ν*t)
<Fläche L4>
L2 = 0
t2
t1
t3
t
<Fläche L3>
- L3*exp(- µ*t)
- L3
Die
Gesamt-“Lebens“-Qualität
L1, L3, L4 > 0
(incl. der „after life party“) ist damit:
GLQ = <Fläche L1> - <Fläche L3> + <Fläche L4>
7. und daher ... :
Gesamtlebensqualität GLQ = GLQ (t1)
=
∞
∫
0
LQ(t)dt
t1
=
∫
t3-t2
L1*exp(-λ*t)dt
+ 0
0
∫
0
=
L3*exp(-µ*t)dt
0
t1
=
- ∫
0
∞
a + b*t1
L1*exp(-λ*t)dt
+ 0
- ∫
0
∞
L4*exp(-ν*t)dt
+
∫
L3*exp(-µ*t)dt
+
∫
L4*exp(-ν*t)dt
0
L1*(1 - exp(-λ*t1)) / λ - L3*(1 - exp(-µ*(a+bt1)) / µ
+ L4 / ν
Man beachte insbesondere, dass die Lebensqualität im Himmel
trotz der unendlich langen Verweildauer begrenzt und sehr endlich ist.
Das ewige Hallelujah-Singen geht einem mehr und mehr auf den Geist.
Es wird also im Himmel mit zunehmender Dauer ganz schön langweilig ;-).
8. Die Gesamtlebensqualität GLQ hängt außerdem
vom Bekehrungszeitpunkt t1 ab und muss bzgl. t1 optimiert werden.
Wir müssen zur Ermittlung des Optimums t1,opt folgende Ableitung bilden und = 0 setzen:
dGLQ(t1)/dt1 = 0
Ein Extremum bzgl. t1 (also t1,ext) liegt vor, wenn der Wert dieser Ableitung gleich Null ist.
Ein Maximum liegt vor, wenn der Wert der zweiten Ableitung von GLQ( t1) nach t1 an dieser Stelle
kleiner als Null ist.
Es wird nun:
dGLQ(t1)/dt1 = L1*exp(-λ*t1) - L3*b*exp(-µ*(a+bt1))
dGLQ(t1)/dt1 = 0,
wenn: L1*exp(-λ*t1)
= L3*b*exp(-µ*(a+bt1))
d.h.:
exp ((λ - µ*b)*t1) = L1/(L3*b) * exp(-µ*a)
also:
t1,ext = (µ*a + log (L1/(L3*b)) / (λ - µ*b)
9. Folgerung:
Es gibt (von pathologischen Ausnahmefällen einmal abgesehen)
genau einen Extremwert t1,ext.
Die Lage von t1,ext ist diktiert durch 6 Parameter:
L1 > 0
L3 > 0
λ > 0
µ > 0
a ≥ 0
b > 0
Lebensqualität zu Beginn der Balzphase
invertierte Qualität zu Beginn der Bußphase
Abzinsungs- oder Gewöhnungsfaktor in der Balzphase
Abzinsungs- oder Gewöhnungsfaktor in der Bußphase
Erbsündeanteil; a > 0 für Katholiken, a = 0 für Protestanten
Proportionalitätsfaktor in der Bußphase.
Der optimale Bekehrungszeitpunkt t1,opt muss im Intervall [t0:t2] liegen
(„Region of feasability“).
Wenn GLQ(t1,ext) sein Maximum in diesem Intervall hat, dann gilt:
- t1,opt = t1,ext.
Wenn GLQ(t1,ext) sein Minimum in diesem Intervall hat
oder wenn GLQ(t1,ext) außerhalb dieses Intervalls liegt, dann ist:
- t1,opt = t2 (wenn der GLQ-Wert am rechten Intervallende höher ist als am linken)
- t1,opt = t0 (wenn der GLQ-Wert am linken Intervallende höher ist als am rechten).
11. Minimum von GLQ(t1) in [t0:t2]:
t1,opt = 0
(falls „links höher“)
t1,opt = t2
(falls „rechts höher“)
t1,opt = 0 ?
GLQ(t1)
Hier wäre strenggenommen:
t1,opt = 0
Besser ist vielleicht trotzdem:
t1,opt = t2
t2
t1,ext
Region of feasability
für t1 und für t1,opt
t1,opt = t2 ?
0
12. „Berlusconi“
Maximum von GLQ(t1)
rechts von t2:
t1,opt = t2
(„Sterbebettlösung für Dauersünder“)
GLQ(t1)
0
t2
t1,opt = t2
Region of feasability
für t1 und für t1,opt
t1,ext
13. Maximum von GLQ(t1)
links von t0:
„Benedikt XVI“
t1,opt = t0
(„Dauerhafter Büßer“)
GLQ(t1)
0
t1,ext
t1,opt = 0
Region of feasability
für t1 und für t1,opt
t2
14. Minimum von GLQ(t1)
links von t0:
t1,opt = t2
GLQ(t1)
0
t1,opt = t2
t1,ext
Region of feasability
für t1 und für t1,opt
16. Noch ein Spezialfall, der einfach und verblüffend aussagekräftig ist !
Sei:
λ = µ
b = 1
L1 = L3
Gewöhnungsfaktor in Sünde- und Schmorphase gleich
Ein Jahr balzen = zur Strafe ein Jahr schmoren
Lustgewinn durch Sünde = Schmorschmerz im Feuer
Dann wird
GLQ(t1)
= - L1*exp(-λ*t1)) / λ + L1*exp(-λ*a) * exp(-λ*t1)) / λ + L4 / ν
=
L4 / ν = const. falls a = 0 (evangelische Kirche)
bzw.
= - L1 * (1 - exp(-λ*a)) * exp(-λ*t1)) / λ
<
L4 / ν
+ L4 / ν
falls a > 0 (katholische Kirche)
17. Und das wollen wir uns doch noch einmal ansehen:
GLQ(t1)
Evangelische Kirche ( t1,opt = egal, weil GLQ(t1) = konstant )
L4 / ν
Katholische Kirche; t1,opt = t2
− L1 * (1 - exp(-λ*a)) * exp(-λ*t1)) / λ
ν
0
Region of feasability
für t1 und für t1,opt
+
t2
L4 /
After life party
Conclusion:
1.
Die Gesamtlebensqualität in der
evangelischen Kirche ist zwar ein wenig höher
(wegen der fehlenden Erbsündebestrafung);
aber es gibt keine strategische Entscheidung, d.h. das Leben des Evangolen ist
langweilig.
Der Katholik dagegen hat eine klare Entscheidungsstrategie, nämlich
2.
t1,opt = t2.
„Sündige solange wie möglich“ ( also bis zum Abnippelzeitpunkt t2 ).
Ich bin übrigens katholisch ;-)
18. Zum Abschluss die „Conclusion“ als kleines Gedicht:
Die Erbsünde hat dem Katholen
Manche Frage blieb noch offen,
die Lebensqualität gestohlen.
auf deren Antwort wir jetzt hoffen.
Das ist zunächst betrachtet Mist,
Meine Formeln sind gewiss Stuss
doch: kein Nachteil ohne Vorteil ist.
für Tao- und für Shintoismus.
Denn der Kathole hat ein Ziel:
Auch brachte dieser Science Slam
sündigen lange und auch viel.
wenig bis nichts für den Islam.
Der Protestant hingegen hat
Geschweige denn - in allen Ehren -
eine Kurve, die ganz platt.
für den Spezialfall „Buddhas Lehren“,
Egal, wann er sich auch bekehrt,
wo das Problem der Neugeburt
sein Leben bleibt dasselbe wert.
macht, dass mein Formelwerk nicht spurt.
Sein Dasein ist so öd wie nie.
Drum gilt nur etwas - glaubt es fest:
Es fehlt ihm jede Strategie!
„More research necesse est“!