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Thesenpapier




Thesenpapier
zur Dissertation




 „Pfade des Bedeutungswandels im deutschen Verbwortschatz.
        Eine Untersuchung zur Parameterstruktur von
     Wortbedeutungen aus gebrauchstheoretischer Sicht“



 Vorgelegt dem Dekanat der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität
                                   Düsseldorf



                                von Sascha Bechmann




Prüfungskommission:

Univ.-Prof. Dr. Rudi Keller (Erstgutachter)
Univ.-Prof. Dr. Dietrich Busse (Zweitgutachter)
Univ.-Prof. Dr. Gerhard Vowe
Prof. Dr. Sebastian Löbner




Tag der Disputation: Mittwoch, 05. Dezember 2012
Thesenpapier



I. Inhalt
Bedeutungswandel ist ein Phänomen, mit dem sich die linguistische Forschung seit
vielen Jahrzehnten beschäftigt. Dabei liegen bis heute erstaunlich wenige
Untersuchungen vor, die ihre Befunde aus der konkreten Sprecherwirklichkeit schöpfen
und dabei semantische Verfahren auf der einen Seite mit pragmatischen Strategien auf
der anderen Seite verknüpfen.
Die vorliegende Arbeit hat sich genau dies zum Ziel gesetzt: Mithilfe einer
gebrauchstheoretischen Theorie zur Beschreibung von Wortbedeutungen im
Allgemeinen werden die vielfältigen Veränderungen im deutschen Verbwortschatz
aufgedeckt und zudem Hypothesen darüber entwickelt, welche Veränderungen auf der
Ebene der Wortbedeutung – also der Gebrauchsregel – zu semantischem Wandel führen
können.

Als gebrauchstheoretisch fixierte Untersuchung geht es in der Arbeit um die Frage, wie
Wortbedeutungen über den absichtsvollen Gebrauch verändert werden und welche
strukturellen Veränderungen auf der Ebene der Gebrauchsregel eines Wortes dabei
festzustellen sind. Die Herausarbeitung von sogenannten Bedeutungsparametern, die in
der Gebrauchsregel eines Wortes (hier speziell: eines Verbs) semantisch wirksam sind
und die wichtige Frage, wie die innere Struktur einer Wortbedeutung durch den
zweckrationalen Wortgebrauch verändert wird, sind Desiderate in der linguistischen
Forschung und stehen im Zentrum der Arbeit. Die Herausarbeitung einer Binnenstruktur
für Regelformulierungen steht im Fokus der Betrachtung.

Es wird gezeigt, dass insbesondere außersprachliche Bedeutungsparameter für den
semantischen Wandel von entscheidender Bedeutung sind. Über diesen Ansatz lässt
sich die sogenannte Gebrauchstheorie der Bedeutung in WITTGENSTEINscher Tradition
erweitern, präzisieren und zur empirischen Analyse und Systematisierung von
Wandelphänomenen in der deutschen Verbsemantik nutzen.

Neben der Herausarbeitung von kommunikativ bedeutsamen Parametern der
Gebrauchsregel (die auch wortartübergreifend von Nutzen sind) und der dadurch
leistbaren   Klassifizierung  von     Verben     nach    ihren     pragmatischen
Nutzungsmöglichkeiten, werden auch grammatisch-syntaktische Veränderungen in
einen Bezug zu semantischem Wandel gestellt. Daneben widmet sich ein eigenes
Kapitel der Frage, inwieweit kulturelle und/oder soziale Veränderungen am
Bedeutungswandel bei Verben beteiligt sind und welchen Zusammenhang man
zwischen der Verwendungsfrequenz eines Wortes und der Fähigkeit zu semantischem
Wandel vermuten kann.

Als Quintessenz der Arbeit werden mögliche Entwicklungspfade für deutsche Verben
nachgezeichnet und als sprachliche Realisierungen von zweckrational bestimmten
Sprecherabsichten aufgedeckt. Dabei zeigt sich, dass die Ebene der Wortbedeutung mit
der Ebene der Sprecherabsichten semantisch gekoppelt ist und dass diese Kopplung
über die Wirkung semantischer Parameter bestimmt wird.

Die Befunde der Arbeit leiten sich aus einer empirischen Analyse mithilfe einer
Korpusuntersuchung ab und orientieren sich damit an Beispielen aus der konkreten
sprachlichen Wirklichkeit im Deutschen.
Thesenpapier




II. Aufbau
Teil I: ALLGEMEINER TEIL
1. Einleitung und Motivation
   Relevanz des Themas / Problembereich, Das Verbum als Untersuchungsgegenstand, Verbaler
   Bedeutungswandel in Analogie zum adjektivischen Bedeutungswandel, Theoretisches Konzept,
   Fragestellungen und Ziele der Arbeit, Bedeutung vs. Sinn, Gebrauchstheoretische Fixierung,
   Methodisches Vorgehen und Präzisierung der Fragestellungen
   1.1. Forschungsstand, Forschungsinteresse und Quellenlage
   Pragmatische Strategie vs. semantisches Verfahren
   1.2. Methodisches Vorgehen
   1.3. Formale Bemerkungen
2. Bedeutungswandel - Eine Begriffsbestimmung
   2.1. Der Bedeutungsbegriff
   Repräsentationistische Bedeutungstheorien, Referenz- und Vorstellungstheorie, Die Schwierigkeiten
   einer     repräsentationistischen    Bedeutungstheorie,       Zur    (Un-)Angemessenheit        eines
   repräsentationistischen Bedeutungsbegriffs für die Bedeutungsbeschreibung bei Verben, Wahrhaftige
   und unwahrhaftige Verben, WITTGENSTEINs Gebrauchstheorie der Bedeutung, Zur Vereinbarkeit
   repräsentationistischer und gebrauchstheoretischer Bedeutungskonzeptionen
   2.2. Zum Wandel in der Sprache
   RUDI KELLERs „invisible-hand“-Theorie, Überlegungen zum Bedeutungswandel im Speziellen
   2.3. Fazit
3. Zur Konstitution der Gebrauchsregel bei Verben
   3.1. Parameter der Gebrauchsregel
   Allgemeiner Kommunikationsbegriff, Bedeutungsausdifferenzierung mit Hilfe von Parametern der
   Gebrauchsregel, Die bekannten Parameter der Gebrauchsregel, Parameter der Gebrauchsregel bei
   Verben,   Versuch    einer   neuen   Taxonomie      der   Bedeutungsparameter,   Verben   und    ihre
   Nebenbedeutungen – Kommunikative Nutzungserweiterung durch Parameter der Gebrauchsregel
   3.2. Kategorisierung von Verben anhand außersprachlicher Bedeutungsparameter
   Deskriptive Verben, Emotive Verben, Evaluative Verben, Mentale Verben, Expressive Verben,
   Soziale und diskursive Verben, Überblick
   3.3. Parameterverschiebungen als Motor für den Bedeutungswandel – ein Fazit
4. Zur (Über-)Generalisierung semantischen Wandels bei Verben
   4.1. Generalisierung aufgrund rekurrenter Muster und allgemeingültiger Prinzipien
   Gesetze des Bedeutungswandels, Zur Angemessenheit des Regularitätenbegriffs, HARMs Begriff der
   Regularität im verbalen Bedeutungswandel, Zum Status sozialer und kommunikativer Regeln beim
   verbalen Bedeutungswandel, LÜDTKEs universales Sprachwandelgesetz – Ein Modell für die
   Erklärung semantischen Wandels?, Die semantische Drift als Erklärungsmodell, Sozialtheoretische
   Fixierung vs. Natürliche Gesetzmäßigkeiten
   4.2. Zur Frage der Unidirektionalität konkret > abstrakt
Thesenpapier


   Abstrahierung als semantischer Effekt, Semantische Exkorporierung, Das Prinzip konkret > abstrakt
   4.3. Die pragmasemantische Dimension des Bedeutungswandels – ein Fazit
TEIL II: SPEZIELLER TEIL
5. Verbaler Bedeutungswandel im kulturellen und kommunikativen Kontext
   5.1. Innovation und kultureller Fortschritt als Motor des Bedeutungswandels?
   Bedeutungsentleerung durch kulturellen Wandel, Metaphorisierung als kulturhistorischer Effekt,
   Bedeutungswandel als Spiegel des Kulturwandels? – Ein Zwischenfazit
   5.2. Bedeutungswandel und Frequenz
   Qualitativer vs. quantitativer Aspekt
   5.3. Kulturelle und kommunikative Prinzipien des Bedeutungswandels – ein Fazit
6. Verfahren des Bedeutungswandels bei Verben
   6.1. Semantische Verfahren – eine Begriffsbestimmung
   6.2. Figurative Rede: Metapher und Metonymie
   Verbale Metaphern, Metaphorisierung und Evaluation, Polysemie im Verbwortschatz, Metaphorische
   Verwendung von Präfixverben – zur Funktion innersprachlicher Bedeutungsparameter, Verbale
   Metonymien,        Semantischer          Wandel         von     PHYS-Verben         zu       Psychverben,
   Parameterdominanzverschiebung       bei      Psychverben,      Zweifache   figurative    Operation    beim
   Bedeutungswandel
   6.3. Fazit
7. Grammatisch-syntaktische Aspekte beim verbalen Bedeutungswandel
   7.1. Einbeziehung von Theoremen der Valenz- und Kasusgrammatik
   Zirkuläre Bedeutungsentwicklung
   7.2. Diathesenwandel: Zur Geschichte der semantischen Entwicklung der
   Verben entschuldigen und erschrecken
   Zur Semantik des Entschuldigens, Zur Semantik des Erschreckens
   7.3. Grammatische Paradigmatisierung von brauchen zum Modalverb
   Die semantische Funktion von brauchen innerhalb des Modalverbparadigmas – Besetzung einer
   Leerstelle, Funktionale Bedeutungsparameterkongruenz, Grammatische Paradigmatisierung als
   semantischer Effekt
   7.4. Grammatisch-syntaktischer Wandel im Schatten des Bedeutungswandels – ein Fazit
8. Die Pfade des Bedeutungswandels bei Verben
   8.1. Bedeutungswandel aus handlungstheoretischer Sicht
   2-Ebenen-Modell der Bedeutung und Semantische Kopplung, Mittel-Zweck-Relation beim verbalen
   Bedeutungswandel,     Sprachliche       Realisierung,    Das   Modell   der   semantischen    Pfade    bei
   KELLER/KIRSCHBAUM
   8.2. Wandelpfade als strukturelle Parameterverschiebungen
   Der expressiv-evaluative Pfad (Pfad 1), Der abschwächende Pfad (Pfad 2), Der evaluative Pfad (Pfad
   3), Der expressive Pfad (Pfad 4), Der abstrahierende Pfad (Pfad 5), Der konkretisierende Pfad (Pfad
   6), Die emotiven Pfade (Pfad 7a, 7b und 7c), Der illokutionäre Pfad (Pfad 8), Der sozial-diskursive
   Pfad (Pfad 9), Der Nullpfad (Pfad 10)
Thesenpapier


   8.3. Die Karte der semantischen Wandelpfade bei Verben – ein Fazit
9. Fazit und Ausblick
10. Bibliographie
Thesenpapier




III. Ergebnisse / Thesen
Als zentrale Ergebnisse der Arbeit lassen sich insbesondere festhalten:

   1. Verbaler Bedeutungswandel ist kein chaotisches Phänomen, er lässt sich als
      Mittel-Zweck-Relation auf vielfältige Weise abbilden.

   2. Man gelangt darüber zu einer strukturellen Kategorisierung semantischen
      Wandels bei Verben; Mittel-Zweck-Relationen führen auf einer
      Abstraktionsebene zu semantischen Wandelpfaden.

   3. Semantische Wandelpfade sind keine reinen Einbahnstraßen. In manchen Fällen
      ist Bedeutungswandel umkehrbar. In einem Fall kann sogar eine zirkuläre
      Bedeutungsentwicklung nachgewiesen werden.

   4. Für die Herleitung von Pfaden des                  Bedeutungswandels     ist   ein
      gebrauchstheoretischer Ansatz zu wählen.

   5. Bedeutungswandel manifestiert sich gebrauchstheoretisch als eine Veränderung
      der Dominanz von Bedeutungsparametern.

   6. Bedeutungsparameter können als              semantische     wirksame    Elemente
      Gebrauchsregeln strukturell abbilden.

   7. Sprecherabsichten und die sprachliche Realisierung dieser Absichten sind über
      die Veränderungen der Parameterstruktur eines Wortes aneinander gekoppelt
      (Semantische Kopplung).

   8. Als sprachliches Makrophänomen folgt Bedeutungswandel einem kumulativen
      Auswahlprozess (invisible-hand-Prozess).

   9. Verben lassen sich mit Hilfe der entwickelten Bedeutungsparameter klar
      kategorisieren; die pragmatische Nutzungsfähigkeit eines Wortes wird
      entscheidend durch die semantische Struktur der Bedeutungsparameter
      bestimmt.

   10. Assoziative Verfahren spielen beim Bedeutungswandel eine Rolle, können
       diesen aber nicht ausreichend erklären; sie liefern in erster Linie deskriptive
       Befunde.

   11. Die Karte der semantischen Wandelpfade im Deutschen kann mit Hilfe der
       entwickelten Parameter als semantisch wirksame Elemente entscheidend
       erweitert werden: Besonders der oftmals als generelles Prinzip beschriebene
       Wandel vom Konkreten zum Abstrakten findet hier eine mögliche und
       erklärungsadäquate Abbildung.

   12. Bedeutungswandel ist kein abgeschlossener Prozess und findet fortlaufend statt.
       Frequenz der Wortverwendung ist hier ein ebenso entscheidender Faktor wie
       Veränderungen der Sprecherabsichten.
Thesenpapier


   13. Bedeutungswandel ist daher nicht vorhersagbar, erlaubt über die Betrachtung
       von semantischen Pfaden allenfalls gewisse Trendextrapolationen.

Daraus folgt als Kernthese:


Wortbedeutungen lassen sich durch das Wirken von Bedeutungsparametern strukturell
bestimmen. Nicht nur der Wandel und die Genese von neuen Wortbedeutungen können
dadurch erklärt werden, auch die Struktur einer Gebrauchsregel kann mit Hilfe der
entwickelten Bedeutungsparameter aufgebrochen werden.

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  • 1. Thesenpapier Thesenpapier zur Dissertation „Pfade des Bedeutungswandels im deutschen Verbwortschatz. Eine Untersuchung zur Parameterstruktur von Wortbedeutungen aus gebrauchstheoretischer Sicht“ Vorgelegt dem Dekanat der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf von Sascha Bechmann Prüfungskommission: Univ.-Prof. Dr. Rudi Keller (Erstgutachter) Univ.-Prof. Dr. Dietrich Busse (Zweitgutachter) Univ.-Prof. Dr. Gerhard Vowe Prof. Dr. Sebastian Löbner Tag der Disputation: Mittwoch, 05. Dezember 2012
  • 2. Thesenpapier I. Inhalt Bedeutungswandel ist ein Phänomen, mit dem sich die linguistische Forschung seit vielen Jahrzehnten beschäftigt. Dabei liegen bis heute erstaunlich wenige Untersuchungen vor, die ihre Befunde aus der konkreten Sprecherwirklichkeit schöpfen und dabei semantische Verfahren auf der einen Seite mit pragmatischen Strategien auf der anderen Seite verknüpfen. Die vorliegende Arbeit hat sich genau dies zum Ziel gesetzt: Mithilfe einer gebrauchstheoretischen Theorie zur Beschreibung von Wortbedeutungen im Allgemeinen werden die vielfältigen Veränderungen im deutschen Verbwortschatz aufgedeckt und zudem Hypothesen darüber entwickelt, welche Veränderungen auf der Ebene der Wortbedeutung – also der Gebrauchsregel – zu semantischem Wandel führen können. Als gebrauchstheoretisch fixierte Untersuchung geht es in der Arbeit um die Frage, wie Wortbedeutungen über den absichtsvollen Gebrauch verändert werden und welche strukturellen Veränderungen auf der Ebene der Gebrauchsregel eines Wortes dabei festzustellen sind. Die Herausarbeitung von sogenannten Bedeutungsparametern, die in der Gebrauchsregel eines Wortes (hier speziell: eines Verbs) semantisch wirksam sind und die wichtige Frage, wie die innere Struktur einer Wortbedeutung durch den zweckrationalen Wortgebrauch verändert wird, sind Desiderate in der linguistischen Forschung und stehen im Zentrum der Arbeit. Die Herausarbeitung einer Binnenstruktur für Regelformulierungen steht im Fokus der Betrachtung. Es wird gezeigt, dass insbesondere außersprachliche Bedeutungsparameter für den semantischen Wandel von entscheidender Bedeutung sind. Über diesen Ansatz lässt sich die sogenannte Gebrauchstheorie der Bedeutung in WITTGENSTEINscher Tradition erweitern, präzisieren und zur empirischen Analyse und Systematisierung von Wandelphänomenen in der deutschen Verbsemantik nutzen. Neben der Herausarbeitung von kommunikativ bedeutsamen Parametern der Gebrauchsregel (die auch wortartübergreifend von Nutzen sind) und der dadurch leistbaren Klassifizierung von Verben nach ihren pragmatischen Nutzungsmöglichkeiten, werden auch grammatisch-syntaktische Veränderungen in einen Bezug zu semantischem Wandel gestellt. Daneben widmet sich ein eigenes Kapitel der Frage, inwieweit kulturelle und/oder soziale Veränderungen am Bedeutungswandel bei Verben beteiligt sind und welchen Zusammenhang man zwischen der Verwendungsfrequenz eines Wortes und der Fähigkeit zu semantischem Wandel vermuten kann. Als Quintessenz der Arbeit werden mögliche Entwicklungspfade für deutsche Verben nachgezeichnet und als sprachliche Realisierungen von zweckrational bestimmten Sprecherabsichten aufgedeckt. Dabei zeigt sich, dass die Ebene der Wortbedeutung mit der Ebene der Sprecherabsichten semantisch gekoppelt ist und dass diese Kopplung über die Wirkung semantischer Parameter bestimmt wird. Die Befunde der Arbeit leiten sich aus einer empirischen Analyse mithilfe einer Korpusuntersuchung ab und orientieren sich damit an Beispielen aus der konkreten sprachlichen Wirklichkeit im Deutschen.
  • 3. Thesenpapier II. Aufbau Teil I: ALLGEMEINER TEIL 1. Einleitung und Motivation Relevanz des Themas / Problembereich, Das Verbum als Untersuchungsgegenstand, Verbaler Bedeutungswandel in Analogie zum adjektivischen Bedeutungswandel, Theoretisches Konzept, Fragestellungen und Ziele der Arbeit, Bedeutung vs. Sinn, Gebrauchstheoretische Fixierung, Methodisches Vorgehen und Präzisierung der Fragestellungen 1.1. Forschungsstand, Forschungsinteresse und Quellenlage Pragmatische Strategie vs. semantisches Verfahren 1.2. Methodisches Vorgehen 1.3. Formale Bemerkungen 2. Bedeutungswandel - Eine Begriffsbestimmung 2.1. Der Bedeutungsbegriff Repräsentationistische Bedeutungstheorien, Referenz- und Vorstellungstheorie, Die Schwierigkeiten einer repräsentationistischen Bedeutungstheorie, Zur (Un-)Angemessenheit eines repräsentationistischen Bedeutungsbegriffs für die Bedeutungsbeschreibung bei Verben, Wahrhaftige und unwahrhaftige Verben, WITTGENSTEINs Gebrauchstheorie der Bedeutung, Zur Vereinbarkeit repräsentationistischer und gebrauchstheoretischer Bedeutungskonzeptionen 2.2. Zum Wandel in der Sprache RUDI KELLERs „invisible-hand“-Theorie, Überlegungen zum Bedeutungswandel im Speziellen 2.3. Fazit 3. Zur Konstitution der Gebrauchsregel bei Verben 3.1. Parameter der Gebrauchsregel Allgemeiner Kommunikationsbegriff, Bedeutungsausdifferenzierung mit Hilfe von Parametern der Gebrauchsregel, Die bekannten Parameter der Gebrauchsregel, Parameter der Gebrauchsregel bei Verben, Versuch einer neuen Taxonomie der Bedeutungsparameter, Verben und ihre Nebenbedeutungen – Kommunikative Nutzungserweiterung durch Parameter der Gebrauchsregel 3.2. Kategorisierung von Verben anhand außersprachlicher Bedeutungsparameter Deskriptive Verben, Emotive Verben, Evaluative Verben, Mentale Verben, Expressive Verben, Soziale und diskursive Verben, Überblick 3.3. Parameterverschiebungen als Motor für den Bedeutungswandel – ein Fazit 4. Zur (Über-)Generalisierung semantischen Wandels bei Verben 4.1. Generalisierung aufgrund rekurrenter Muster und allgemeingültiger Prinzipien Gesetze des Bedeutungswandels, Zur Angemessenheit des Regularitätenbegriffs, HARMs Begriff der Regularität im verbalen Bedeutungswandel, Zum Status sozialer und kommunikativer Regeln beim verbalen Bedeutungswandel, LÜDTKEs universales Sprachwandelgesetz – Ein Modell für die Erklärung semantischen Wandels?, Die semantische Drift als Erklärungsmodell, Sozialtheoretische Fixierung vs. Natürliche Gesetzmäßigkeiten 4.2. Zur Frage der Unidirektionalität konkret > abstrakt
  • 4. Thesenpapier Abstrahierung als semantischer Effekt, Semantische Exkorporierung, Das Prinzip konkret > abstrakt 4.3. Die pragmasemantische Dimension des Bedeutungswandels – ein Fazit TEIL II: SPEZIELLER TEIL 5. Verbaler Bedeutungswandel im kulturellen und kommunikativen Kontext 5.1. Innovation und kultureller Fortschritt als Motor des Bedeutungswandels? Bedeutungsentleerung durch kulturellen Wandel, Metaphorisierung als kulturhistorischer Effekt, Bedeutungswandel als Spiegel des Kulturwandels? – Ein Zwischenfazit 5.2. Bedeutungswandel und Frequenz Qualitativer vs. quantitativer Aspekt 5.3. Kulturelle und kommunikative Prinzipien des Bedeutungswandels – ein Fazit 6. Verfahren des Bedeutungswandels bei Verben 6.1. Semantische Verfahren – eine Begriffsbestimmung 6.2. Figurative Rede: Metapher und Metonymie Verbale Metaphern, Metaphorisierung und Evaluation, Polysemie im Verbwortschatz, Metaphorische Verwendung von Präfixverben – zur Funktion innersprachlicher Bedeutungsparameter, Verbale Metonymien, Semantischer Wandel von PHYS-Verben zu Psychverben, Parameterdominanzverschiebung bei Psychverben, Zweifache figurative Operation beim Bedeutungswandel 6.3. Fazit 7. Grammatisch-syntaktische Aspekte beim verbalen Bedeutungswandel 7.1. Einbeziehung von Theoremen der Valenz- und Kasusgrammatik Zirkuläre Bedeutungsentwicklung 7.2. Diathesenwandel: Zur Geschichte der semantischen Entwicklung der Verben entschuldigen und erschrecken Zur Semantik des Entschuldigens, Zur Semantik des Erschreckens 7.3. Grammatische Paradigmatisierung von brauchen zum Modalverb Die semantische Funktion von brauchen innerhalb des Modalverbparadigmas – Besetzung einer Leerstelle, Funktionale Bedeutungsparameterkongruenz, Grammatische Paradigmatisierung als semantischer Effekt 7.4. Grammatisch-syntaktischer Wandel im Schatten des Bedeutungswandels – ein Fazit 8. Die Pfade des Bedeutungswandels bei Verben 8.1. Bedeutungswandel aus handlungstheoretischer Sicht 2-Ebenen-Modell der Bedeutung und Semantische Kopplung, Mittel-Zweck-Relation beim verbalen Bedeutungswandel, Sprachliche Realisierung, Das Modell der semantischen Pfade bei KELLER/KIRSCHBAUM 8.2. Wandelpfade als strukturelle Parameterverschiebungen Der expressiv-evaluative Pfad (Pfad 1), Der abschwächende Pfad (Pfad 2), Der evaluative Pfad (Pfad 3), Der expressive Pfad (Pfad 4), Der abstrahierende Pfad (Pfad 5), Der konkretisierende Pfad (Pfad 6), Die emotiven Pfade (Pfad 7a, 7b und 7c), Der illokutionäre Pfad (Pfad 8), Der sozial-diskursive Pfad (Pfad 9), Der Nullpfad (Pfad 10)
  • 5. Thesenpapier 8.3. Die Karte der semantischen Wandelpfade bei Verben – ein Fazit 9. Fazit und Ausblick 10. Bibliographie
  • 6. Thesenpapier III. Ergebnisse / Thesen Als zentrale Ergebnisse der Arbeit lassen sich insbesondere festhalten: 1. Verbaler Bedeutungswandel ist kein chaotisches Phänomen, er lässt sich als Mittel-Zweck-Relation auf vielfältige Weise abbilden. 2. Man gelangt darüber zu einer strukturellen Kategorisierung semantischen Wandels bei Verben; Mittel-Zweck-Relationen führen auf einer Abstraktionsebene zu semantischen Wandelpfaden. 3. Semantische Wandelpfade sind keine reinen Einbahnstraßen. In manchen Fällen ist Bedeutungswandel umkehrbar. In einem Fall kann sogar eine zirkuläre Bedeutungsentwicklung nachgewiesen werden. 4. Für die Herleitung von Pfaden des Bedeutungswandels ist ein gebrauchstheoretischer Ansatz zu wählen. 5. Bedeutungswandel manifestiert sich gebrauchstheoretisch als eine Veränderung der Dominanz von Bedeutungsparametern. 6. Bedeutungsparameter können als semantische wirksame Elemente Gebrauchsregeln strukturell abbilden. 7. Sprecherabsichten und die sprachliche Realisierung dieser Absichten sind über die Veränderungen der Parameterstruktur eines Wortes aneinander gekoppelt (Semantische Kopplung). 8. Als sprachliches Makrophänomen folgt Bedeutungswandel einem kumulativen Auswahlprozess (invisible-hand-Prozess). 9. Verben lassen sich mit Hilfe der entwickelten Bedeutungsparameter klar kategorisieren; die pragmatische Nutzungsfähigkeit eines Wortes wird entscheidend durch die semantische Struktur der Bedeutungsparameter bestimmt. 10. Assoziative Verfahren spielen beim Bedeutungswandel eine Rolle, können diesen aber nicht ausreichend erklären; sie liefern in erster Linie deskriptive Befunde. 11. Die Karte der semantischen Wandelpfade im Deutschen kann mit Hilfe der entwickelten Parameter als semantisch wirksame Elemente entscheidend erweitert werden: Besonders der oftmals als generelles Prinzip beschriebene Wandel vom Konkreten zum Abstrakten findet hier eine mögliche und erklärungsadäquate Abbildung. 12. Bedeutungswandel ist kein abgeschlossener Prozess und findet fortlaufend statt. Frequenz der Wortverwendung ist hier ein ebenso entscheidender Faktor wie Veränderungen der Sprecherabsichten.
  • 7. Thesenpapier 13. Bedeutungswandel ist daher nicht vorhersagbar, erlaubt über die Betrachtung von semantischen Pfaden allenfalls gewisse Trendextrapolationen. Daraus folgt als Kernthese: Wortbedeutungen lassen sich durch das Wirken von Bedeutungsparametern strukturell bestimmen. Nicht nur der Wandel und die Genese von neuen Wortbedeutungen können dadurch erklärt werden, auch die Struktur einer Gebrauchsregel kann mit Hilfe der entwickelten Bedeutungsparameter aufgebrochen werden.