Die These des Vortrags lautet: Aufgrund der historischen Katastrophen, die die Europäer erlitten haben, weil sie schicksalhaft in einem gemeinsamen, durch territoriale Nähe konstituierten Boot sitzen, haben sich die Völker Europas aus Not, wenn auch freiwillig entschlossen, sich – gleichsam wie in einer Galeere – auf Gedeih und Verderben aneinander zu ketten, um ihr Schicksal nicht von der Brüchigkeit wechselseitigen Wohlwollens abhängig zu machen, sondern motiviert von der Furcht gemeinsamen Untergangs zum Wohle aller zu gestalten. Das Europa der EU ist daher als eine Ethos-Gemeinschaft sui generis zu betrachten, nämlich eine Gemeinschaft nicht ex positivo, sondern eine Zweckgemeinschaft ex negativo („Notgemeinschaft“), die gleichwohl motiviert ist von der Hoffnung, dass aus der Not- und Zweckgemeinschaft zunehmend eine Ethos-Gemeinschaft werden. Dieser Ansatz vermeidet es, sich beim Europagedanken an einer zweifelhaft-romantischen retrotopen Utopie des “Christlichen Abendlandes” zu orientieren. Europa ist vielmehr als eine topische Heterotopie zu konzipieren, die die Realisierungsbedingungen eines menschenrechtsorientierten Staatenbundes in den Blick nimmt.
Das "Ethos" Europas: Historische und systematische Perspektiven der Rede von Europa als "Wertegemeinschaft"
1. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
Das „Ethos“ Europas
Historische und systematische Perspektiven
der Rede von Europa als „Wertegemeinschaft“
Prof. Dr. Armin G. Wildfeuer, Köln
Cadenabbia Juni 2018
2. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
Einleitung
Von der Wirtschaftsgemeinschaft zur politischen Union, oder:
Von der Zweck- zur Wertegemeinschaft
• Fokussiert auf die Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit(Ziel: Binnenmarkt) zur
Sicherung des Friedens (urspr. 6 Länder: B – D – F – I – L – N)
1958: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) [Römische Verträge]
• Weiterentwicklung zur politischen Union mit zahlreichen neuen Politikfeldern (Umwelt,
Gesundheit, Außenbeziehungen, Sicherheit, Justiz, Migration, gemeinsame Währung,
Beschäftigung und Soziales, Energie, Kultur und Bildung, Wissenschaft und Technologie, Verkehr
und reisen, Entwicklung und Humanitäre Hilfe etc.) und Ausbau der demokratischen
Institutionen (derzeit 28 Länder)
1993: Europäische Union (EU) [Maastrichter Vertrag]
• Die Europäische Union beruht in erster Linie auf Werten.
• Die Union schöpft „aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas“ und
verteidigt demnach die universellen Werte der unverletzlichen und unveräußerlichen Rechte des
Menschen sowie der Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit.
• Sie will „in Vielfalt geeint“ sein und offen für alle europäischen Staaten, die ihre Werte beachten.
Charta der Grundrechte (2000)/Vertrag von Lissabon/ (2009)
3. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
Einleitung
Von der Wirtschaftsgemeinschaft zur politischen Union, oder:
Von der Zweck- zur Wertegemeinschaft
• Fokussiert auf die Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit(Ziel: Binnenmarkt) zur
Sicherung des Friedens (urspr. 6 Länder: B – D – F – I – L – N)
1958: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) [Römische Verträge]
• Weiterentwicklung zur politischen Union mit zahlreichen neuen Politikfeldern (Umwelt,
Gesundheit, Außenbeziehungen, Sicherheit, Justiz, Migration, gemeinsame Währung,
Beschäftigung und Soziales, Energie, Kultur und Bildung, Wissenschaft und Technologie, Verkehr
und reisen, Entwicklung und Humanitäre Hilfe etc.) und Ausbau der demokratischen
Institutionen (derzeit 28 Länder)
1993: Europäische Union (EU) [Maastrichter Vertrag]
• Die Europäische Union beruht in erster Linie auf Werten.
• Die Union schöpft „aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas“ und
verteidigt demnach die universellen Werte der unverletzlichen und unveräußerlichen Rechte des
Menschen sowie der Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit.
• Sie will „in Vielfalt geeint“ sein und offen für alle europäischen Staaten, die ihre Werte beachten.
Charta der Grundrechte (2000)/Vertrag von Lissabon/ (2009)
4. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
Einleitung
Von der Wirtschaftsgemeinschaft zur politischen Union, oder:
Von der Zweck- zur Wertegemeinschaft
• Fokussiert auf die Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit(Ziel: Binnenmarkt) zur
Sicherung des Friedens (urspr. 6 Länder: B – D – F – I – L – N)
1958: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) [Römische Verträge]
• Weiterentwicklung zur politischen Union mit zahlreichen neuen Politikfeldern (Umwelt,
Gesundheit, Außenbeziehungen, Sicherheit, Justiz, Migration, gemeinsame Währung,
Beschäftigung und Soziales, Energie, Kultur und Bildung, Wissenschaft und Technologie, Verkehr
und reisen, Entwicklung und Humnitäre Hilfe etc.) und Ausbau der demokratischen Institutionen
(derzeit 28 Länder)
1993: Europäische Union (EU) [Maastrichter Vertrag]
• Die Europäische Union beruht in erster Linie auf Werten.
• Die Union schöpft „aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas“ und
verteidigt demnach die universellen Werte der unverletzlichen und unveräußerlichen Rechte des
Menschen sowie der Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit.
• Sie will „in Vielfalt geeint“ sein und offen für alle europäischen Staaten, die ihre Werte beachten.
Charta der Grundrechte (2000)/Vertrag von Lissabon/ (2009)
5. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
Einleitung
Von der Wirtschaftsgemeinschaft zur politischen Union, oder:
Von der Zweck- zur Wertegemeinschaft
• Fokussiert auf die Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit(Ziel: Binnenmarkt) zur
Sicherung des Friedens (urspr. 6 Länder: B – D – F – I – L – N)
1958: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG)
• Weiterentwicklung zur politischen Union mit zahlreichen neuen Politikfeldern (Umwelt,
Gesundheit, Außenbeziehungen, Sicherheit, Justiz, Migration, gemeinsame Währung,
Beschäftigung und Soziales, Energie, Kultur und Bildung, Wissenschaft und Technologie, Verkehr
und reisen, Entwicklung und Humanitäre Hilfe etc.) und Ausbau der demokratischen
Institutionen (derzeit 28 Länder)
1993: Europäische Union (EU)
• Die Europäische Union beruht in erster Linie auf Werten.
• Die Union schöpft „aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas“ und
verteidigt demnach die universellen Werte der unverletzlichen und unveräußerlichen Rechte des
Menschen sowie der Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit.
• Sie will „in Vielfalt geeint“ sein und offen für alle europäischen Staaten, die ihre Werte beachten.
Charta der Grundrechte (2000)/Vertrag von Lissabon/ (2007/2009)
6. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
Einleitung
Von der Wirtschaftsgemeinschaft zur politischen Union, oder:
Von der Zweck- zur Wertegemeinschaft
• Fokussiert auf die Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit(Ziel: Binnenmarkt) zur
Sicherung des Friedens (urspr. 6 Länder: B – D – F – I – L – N)
1958: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG)
• Weiterentwicklung zur politischen Union mit zahlreichen neuen Politikfeldern (Umwelt,
Gesundheit, Außenbeziehungen, Sicherheit, Justiz, Migration, gemeinsame Währung,
Beschäftigung und Soziales, Energie, Kultur und Bildung, Wissenschaft und Technologie, Verkehr
und reisen, Entwicklung und Humanitäre Hilfe etc.) und Ausbau der demokratischen
Institutionen (derzeit 28 Länder)
1993: Europäische Union (EU)
• Die Europäische Union beruht in erster Linie auf Werten.
• Die Union schöpft „aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas“ und
verteidigt demnach die universellen Werte der unverletzlichen und unveräußerlichen Rechte des
Menschen sowie der Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit.
• Sie will „in Vielfalt geeint“ sein und offen für alle europäischen Staaten, die ihre Werte beachten.
Charta der Grundrechte (2000)/Vertrag von Lissabon/ (2007/2009)
Vertrag über die Europäische Union (1992):
Artikel 2:
„Aufgabe der Gemeinschaft ist es , durch die
Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und
einer Wirtschafts- und Währungsunion
sowie durch die Durchführung der in den
Artikeln 3 und 3 a genannten gemeinsamen
Politiken oder Maßnahmen eine
harmonische und ausgewogene Entwicklung
des Wirtschaftslebens innerhalb der
Gemeinschaft, ein beständiges ,
nichtinflationäres und umweltverträgliches
Wachstum, einen hohen Grad an
Konvergenz der Wirtschaftsleistungen, ein
hohes Beschäftigungsniveau , ein hohes
Maß an sozialem Schutz, die Hebung der
Lebenshaltung und der Lebensqualität, den
wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt
und die Solidarität zwischen den
Mitgliedstaaten zu fördern."
7. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
Einleitung
Von der Wirtschaftsgemeinschaft zur politischen Union, oder:
Von der Zweck- zur Wertegemeinschaft
• Fokussiert auf die Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit(Ziel: Binnenmarkt) zur
Sicherung des Friedens (urspr. 6 Länder: B – D – F – I – L – N)
1958: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG)
• Weiterentwicklung zur politischen Union mit zahlreichen neuen Politikfeldern (Umwelt,
Gesundheit, Außenbeziehungen, Sicherheit, Justiz, Migration, gemeinsame Währung,
Beschäftigung und Soziales, Energie, Kultur und Bildung, Wissenschaft und Technologie, Verkehr
und reisen, Entwicklung und Humanitäre Hilfe etc.) und Ausbau der demokratischen
Institutionen (derzeit 28 Länder)
1993: Europäische Union (EU)
• Die Europäische Union beruht in erster Linie auf Werten.
• Die Union schöpft „aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas“ und
verteidigt demnach die universellen Werte der unverletzlichen und unveräußerlichen Rechte des
Menschen sowie der Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit.
• Sie will „in Vielfalt geeint“ sein und offen für alle europäischen Staaten, die ihre Werte beachten.
Charta der Grundrechte (2000)/Vertrag von Lissabon/ (2007/2009)
8. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
Einleitung
Von der Wirtschaftsgemeinschaft zur politischen Union, oder:
Von der Zweck- zur Wertegemeinschaft
• Fokussiert auf die Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit(Ziel: Binnenmarkt) zur
Sicherung des Friedens (urspr. 6 Länder: B – D – F – I – L – N)
1958: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG)
• Weiterentwicklung zur politischen Union mit zahlreichen neuen Politikfeldern (Umwelt,
Gesundheit, Außenbeziehungen, Sicherheit, Justiz, Migration, gemeinsame Währung,
Beschäftigung und Soziales, Energie, Kultur und Bildung, Wissenschaft und Technologie, Verkehr
und reisen, Entwicklung und Humanitäre Hilfe etc.) und Ausbau der demokratischen
Institutionen (derzeit 28 Länder)
1993: Europäische Union (EU)
• Die Europäische Union beruht in erster Linie auf Werten.
• Die Union schöpft „aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas“ und
verteidigt demnach die universellen Werte der unverletzlichen und unveräußerlichen Rechte des
Menschen sowie der Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit.
• Sie will „in Vielfalt geeint“ sein und offen für alle europäischen Staaten, die ihre Werte beachten.
Charta der Grundrechte (2000)/Vertrag von Lissabon/ (2007/2009)
Charta der Grundrechte der Europäischen Union): Präambel
„Die Völker Europas sind entschlossen, auf der Grundlage gemeinsamer Werte eine friedliche Zukunft zu
teilen, indem sie sich zu einer immer engeren Union verbinden.
In dem Bewusstsein ihres geistig-religiösen und sittlichen Erbes gründet sich die Union auf die
unteilbaren und universellen Werte der Würde des Menschen, der Freiheit, der Gleichheit und der
Solidarität. Sie beruht auf den Grundsätzen der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit. Sie stellt den
Menschen in den Mittelpunkt ihres Handelns, indem sie die Unionsbürgerschaft und einen Raum der
Freiheit, der Sicherheit und des Rechts begründet.
Die Union trägt zur Erhaltung und zur Entwicklung dieser gemeinsamen Werte unter Achtung der Vielfalt
der Kulturen und Traditionen der Völker Europas sowie der nationalen Identität der Mitgliedstaaten und
der Organisation ihrer staatlichen Gewalt auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene bei. Sie ist
bestrebt, eine ausgewogene und nachhaltige Entwicklung zu fördern und stellt den freien Personen-,
Dienstleistungs-, Waren- und Kapitalverkehr sowie die Niederlassungsfreiheit sicher.
Zu diesem Zweck ist es notwendig, angesichts der Weiterentwicklung der Gesellschaft, des sozialen
Fortschritts und der wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen den Schutz der Grundrechte
zu stärken, indem sie in einer Charta sichtbarer gemacht werden.
9. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
Einleitung
Von der Wirtschaftsgemeinschaft zur politischen Union, oder:
Von der Zweck- zur Wertegemeinschaft
Werte der Europäischen Union
Würde des Menschen
Freiheit
Gleichheit
Solidarität
Demokratie
Rechtsstaatlichkeit
Menschenrechte
10. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
Einleitung
Von der Wirtschaftsgemeinschaft zur politischen Union, oder:
Von der Zweck- zur Wertegemeinschaft
• Förderung des Friedens, der europäischen Werte und des Wohlergehens
ihrer Bürgerinnen und Bürger,
• Freiheit, Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit ohne Binnengrenzen,
• nachhaltige Entwicklung auf der Grundlage von ausgeglichenem
Wirtschaftswachstum und Preisstabilität, einer wettbewerbsfähigen
Marktwirtschaft bei Vollbeschäftigung, sozialem Fortschritt und Schutz
der Umwelt,
• Eindämmung sozialer Ungerechtigkeit und Diskriminierung,
• Förderung des wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts,
• Stärkung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts
und Solidarität zwischen den Mitgliedsländern,
• Achtung ihrer reichen kulturellen und sprachlichen Vielfalt,
• Gründung einer Wirtschafts- und Währungsunion, deren Währung der
Euro ist.
Ziele der Europäischen Union (LV Art. 2)
11. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
Einleitung
Von der Wirtschaftsgemeinschaft zur politischen Union, oder:
Von der Zweck- zur Wertegemeinschaft
• Förderung des Friedens, der europäischen Werte und des Wohlergehens
ihrer Bürgerinnen und Bürger,
• Freiheit, Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit ohne Binnengrenzen,
• nachhaltige Entwicklung auf der Grundlage von ausgeglichenem
Wirtschaftswachstum und Preisstabilität, einer wettbewerbsfähigen
Marktwirtschaft bei Vollbeschäftigung, sozialem Fortschritt und Schutz
der Umwelt,
• Eindämmung sozialer Ungerechtigkeit und Diskriminierung,
• Förderung des wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts,
• Stärkung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts
und Solidarität zwischen den Mitgliedsländern,
• Achtung ihrer reichen kulturellen und sprachlichen Vielfalt,
• Gründung einer Wirtschafts- und Währungsunion, deren Währung der
Euro ist.
Ziele der Europäischen Union
wirtschaftlich
politisch
12. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
Einleitung
Von der Wirtschaftsgemeinschaft zur politischen Union, oder:
Von der Zweck- zur Wertegemeinschaft
Alle EU-Mitgliedsländer teilen die Werte der EU:
Sie streben eine Gesellschaft an, in der Pluralismus, Inklusion, Toleranz,
Rechtstaatlichkeit, Solidarität, Gerechtigkeit, Nichtdiskriminierung und
Gleichheit von Mann und Frau selbstverständlich sind. (LV Art. 1a)
Diese Werte prägen unseren europäischen Lebensstil:
Werte der Europäischen Union
EU Staaten Gesellschaft
Grundsatz der Subsidiarität
13. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
Einleitung Gliederung
14. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
Einleitung
15. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
Einleitung Gliederung
16. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
Einleitung
17. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
Einleitung Gliederung
18. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
Einleitung Gliederung
19. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
Einleitung Die Frage nach dem „Ethos“ oder der Gesittung Europas
1885
Völkerrecht
1961
Abendländische Lebensform
Kultur
2010
Values
Laws
Justice
20. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
Einleitung Introduction:
“This examination of the values which govern the
European Union explores the current philosophy of EU law
and proposes a new set of principles upon which justice
might be brought more to the fore in the EU's
governance.”
Kurzbeschreibung
Can the EU become a 'just' institution? Andrew Williams
considers this highly charged political and moral question
by examining the role of five salient values said to be
influential in the governance and law of the Union: peace,
the rule of law, respect for human rights, democracy, and
liberty. He assesses each of these as elements of an
apparent 'institutional ethos' and philosophy of EU law
and finds that justice as a governing ideal has failed to be
taken seriously in the EU. To remedy this condition, he
proposes a new set of principles upon which justice might
be brought more to the fore in the Union's governance. By
focusing on the realization of human rights as a core
institutional value, Williams argues that the EU can better
define its moral limits so as to evolve as a more just
project.”
21. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
Einleitung
1. Das Problem
2. „Ethos“
3. „Europa“
4. Das „Ethos Europas“
5. Einige Thesen
Gliederung
22. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
Einleitung
1. Das Problem
2. „Ethos“
3. „Europa“
4. Das „Ethos Europas“
5. Einige Thesen
Gliederung
23. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
1. Das Problem: Europa – eine „Wertgemeinschaft“?
„Das Ethos Europas, wo ist es geblieben?
Wurde es verkannt und weggeworfen? Geht
der Weg, den die EU eingeschlagen hat,
gedankenlos in Richtung einer 'Sowjetunion
light‘? Konnten erfolgreiche Klagen gegen
den EU-Lissabon Vertrag dem einen Riegel
vorschieben?“
Aus: Kempf, Volker; Stettin, Rudolf; Dirsch, Felix (Hg.) (2012):
Die Europäische Union. Perspektiven mit Zukunft? 1. Auflage.
Bad Schussenried: Gerhard Hess Verlag. (Covertext)
24. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
1. Das Problem: Europa – eine „Wertgemeinschaft“?
„Zweckverband oder Wertegemeinschaft?“
(FAZ v.14.1.2007, Prof. Dr. Josef Isensee)
EUROPA - EU:
• Europa hat keine natürlichen Grenzen, weil es selbst keine natürliche Einheit bildet.
Die Qualität als Erdteil ergibt sich nicht aus der Geographie, sondern aus dem Selbstbewusstsein
und dem Ethos seiner Bewohner.
• „Zum Jahr 1957 warnte der Europäer Reinhold Schneider davor, die supranationalen
Einrichtungen, die sich auf der Grundlage der Römischen Verträge bildeten, mit Europa als
geistiger Lebensform zu identifizieren: „Alles kommt darauf an, dass Euratom, wenn diese
defensive Organisation unvermeidlich ist, nicht Inhalt werde, sondern Helm auf einem edlen,
denkenden Haupt, Schild vor einer lebendigen Brust, und dass die Börse des umstrittenen
europäischen Marktes nicht mehr gibt als das Herz, Europamarkt nicht mehr gibt als Europa. Von
der Verteidigung nämlich und vom wirtschaftlichen Zusammenschluss kann man nicht leben. Doch
bis heute hat sich die europäische Idee nicht in den supranationalen Organisationen inkarniert. Sie
dient ihnen allenfalls als historisch-rhetorische Zierleiste.“
• „Die Europäische Union hat keine Seele, und sie vermisst sie eigentlich auch nicht.“
• „Der EU ist es gelungen, den Begriff Europa an sich zu ziehen und zu bewirken, dass im
allgemeinen Sprachgebrauch der Name Europa für die Europäische Union steht und man sie meint,
wenn heute von Europa die Rede ist. Das entspricht denn auch dem Selbstverständnis der EU. Sie
flaggt ihre eigene Verfassung hochfahrend aus als „Verfassung für Europa“.“
25. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
1. Das Problem: Europa – eine „Wertgemeinschaft“?
Zweckverband oder Wertegemeinschaft?
(FAZ v.14.1.2007, Prof. Dr. Josef Isensee)
ETHOS EINES KULTURRAUMES
• Die Wirtschaftsgemeinschaft ist notwendig Rechtsgemeinschaft: „Raum der Freiheit, der
Sicherheit und des Rechts“.
• Die Verfassungshomogenität, die ein Beitrittsbewerber aufzuweisen hat, meint nicht allein die
geschriebene Verfassung, die das Land hat, sondern die reale Verfassung, in der das Land ist, seine
gelebte Ordnung. Damit werden auch außerrechtliche Faktoren bedeutsam, welche die Lebenswelt
des Gemeinwesens ausmachen. Gesellschaftliche Strukturen und Konventionen, Kultur und
geistige Überlieferung müssen europagerecht sein. Eine Ausdehnung der Union, die zu einer
Senkung des Homogenitätsniveaus führte, bedeutete Schwächung der Handlungsfähigkeit und
Lockerung des Zusammenhalts.
26. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
1. Das Problem: Europa – eine „Wertgemeinschaft“?
Zweckverband oder Wertegemeinschaft?
(FAZ v.14.1.2007, Prof. Dr. Josef Isensee)
• DEMOKRATIE:
• Die Straßburger Versammlung ist keine europäische Volksvertretung, weil es kein europäisches
Volk gibt, sondern nur die Völker der europäischen Staaten. Das Parlament setzt sich nach
föderativer Parität der Mitgliedstaaten zusammen, nicht nach demokratischer Egalität der
Unionsbürger. Die gemeinsame Unionsbürgerschaft, die durch die Staatsangehörigkeit der
Mitgliedstaaten vermittelt wird, ändert daran nichts. Sie schafft kein Unionsvolk als Demos einer
europäischen Demokratie.
27. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
1. Das Problem: Europa – eine „Wertgemeinschaft“?
Zweckverband oder Wertegemeinschaft?
(FAZ v.14.1.2007, Prof. Dr. Josef Isensee)
INTEGRATION und WIR-GEFÜHL:
• Wer heute von europäischer Integration spricht, meint die Integration der Volkswirtschaften, nicht
aber die der Völker, die Integration der Staaten, nicht aber die der Bürger. Das Wirken der
europäischen Institutionen, so erfolgreich es auch in ihren Kompetenzbereichen ist, stiftet kein
europäisches Wir-Gefühl und weckt kein allgemeines europapolitisches Engagement.
28. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
1. Das Problem: Europa – eine „Wertgemeinschaft“?
Zweckverband oder Wertegemeinschaft?
(FAZ v.14.1.2007, Prof. Dr. Josef Isensee)
EUROPA – EIN ZWECKVERBAND:
• Die Europäische Union ist auch auf ihrer heutigen Entwicklungsstufe im Kern ein Zweckverband
geblieben. (…) Ein solcher Zweckverband bewährt sich durch effiziente Erfüllung seiner Aufgabe,
durch störungsfreies Funktionieren und sparsamen Verbrauch. Er ist ethisch anspruchslos. Von
seinen Kunden verlangt er nicht Loyalität und nicht Integrationsbereitschaft, sondern nur
pünktliche Zahlung der Gebühren. Der Kunde bringt dem Zweckverband keine Gefühle entgegen,
und dieser erzeugt keine innere Bindung. Nicht der Zweckverband, den er benutzt, sondern die
Gemeinde, in der er wohnt, vermag ihm Heimat zu werden und Lokalpatriotismus zu wecken. So
stellt sich denn auch die supranationale Organisation als nützlicher, aber seelenloser
Zweckverband dar, der keine Emotionen und keine Dankbarkeit erntet, der keinen Gemeinsinn
und keine Solidarität hervorruft. Noch ist das Europa der Vaterländer, wie Charles de Gaulle es
sah, nicht abgelöst durch ein Vaterland Europa.
29. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
1. Das Problem: Europa – eine „Wertgemeinschaft“?
Zweckverband oder Wertegemeinschaft?
(FAZ v.14.1.2007, Prof. Dr. Josef Isensee)
Universalität und Partikuläre Identität
Doch die Europäische Union strebt über den Status des Zweckverbandes hinaus. Sie will
Wertegemeinschaft werden. In zunehmendem Maße weisen die Vertragstexte Bekenntnisse zu
Werten auf, so zu den „Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte
und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit“. Diese Grundsätze beanspruchen, über alle
Grenzen der Länder und Erdteile hinweg, weltweit Geltung. Das gilt insbesondere für die universale
Idee der Menschenrechte. Doch die Europäische Union ist keine globale Organisation, sondern eine
kontinentale. Universale Werte erklären und begründen keine kontinentale Wertegemeinschaft,
jedenfalls keine, die mehr wäre als die Provinz einer Weltgesellschaft.
30. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
1. Das Problem: Europa – eine „Wertgemeinschaft“?
Zweckverband oder Wertegemeinschaft?
(FAZ v.14.1.2007, Prof. Dr. Josef Isensee)
UNIVERSALE WERTE UND KONKRETES ETHOS
• Universale Werte sind abstrakt, inhaltsarm, mehrdeutig. Sie schillern in vielen Facetten. Daher
kommt es auf die Perspektive an, aus der die Europäische Union diese Werte sieht, wenn sie ein
eigenes Profil, spezifische Identität gewinnen will. Damit stellt sich die Frage, was eigentlich das
Europäische an der Europäischen Union sein soll. Der Entwurf des Verfassungsvertrags für Europa
hält sich in erhabener Undeutlichkeit, wenn er davon redet, dass Europa „in Vielfalt geeint“ sei; als
Kontinent offen für Kultur, Wissen und sozialen Fortschritt; dass die Völker Europas, stolz auf ihre
nationale Identität und Geschichte, alte Grundsätze überwinden und ihr Schicksal gemeinsam
gestalten wollten; dass der Verfassungsvertrag „aus dem kulturellen, religiösen und
humanistischen Erbe Europas schöpfe, aus dem sich die unverletzlichen und unveräußerlichen
Rechte des Menschen sowie Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit als universelle
Werte des Menschen“ entwickelt hätten.
31. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
1. Das Problem: Europa – eine „Wertgemeinschaft“?
Zweckverband oder Wertegemeinschaft?
(FAZ v.14.1.2007, Prof. Dr. Josef Isensee)
Definition des Europabegriffs?
• Doch der Verfassungsvertrag, der auf seinen mehr als 500 Seiten sonst so redselig ist, weicht der
Definition des Europabegriffs aus, dessen er sich bedient. Er schweigt darüber, wo die Grenzen
Europas verlaufen. Diese Grenzen aber sind prekär.
• Europa hat keine natürlichen Grenzen, weil es selber keine natürliche Einheit bildet. Im
Unterschied zu Asien, Afrika und Amerika ergibt sich für Europa die Qualität als Erdteil nicht aus
der Geographie, sondern aus dem Selbstbewusstsein seiner Bewohner. Europa ist die Erfindung
der Europäer, welche die Halbinsel, auf der sie leben, von der asiatischen Landmasse absetzen.
32. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
1. Das Problem: Europa – eine „Wertgemeinschaft“?
Zweckverband oder Wertegemeinschaft?
(FAZ v.14.1.2007, Prof. Dr. Josef Isensee)
• CHRISTLICHE HERKUNFT: Was Europa ist, das bestimmen von jeher die Europäer selbst.
Ihr Selbstbewusstsein speist sich aus dem Gemeinsamen ihrer Geschichte, ihrer Religion, ihrer
Kultur, ihrer Gesittung. Die wirkmächtigste geistige Kraft, die das europäische Bewusstsein direkt
oder indirekt geprägt hat, ist das Christentum. In ihm leben jüdische, römische und griechische
Traditionen weiter. Aus ihm heraus hat sich die Scheidung der säkularen Sphäre von der sakralen
entwickelt. Auf seinem Boden sind die Grundsätze der Menschenrechte, der Demokratie, der
Gewaltenteilung gewachsen, die heute das rechtliche Fundament der Union und ihrer
Mitgliedstaaten bilden.
• Die Europäische Union aber geniert sich der christlichen Herkunft Europas. Daher belässt sie es
bei einem vagen Hinweis auf ein „kulturelles, religiöses und humanistisches Erbe“ und sagt nicht,
worin dieses Erbe besteht, wie sie denn auch, ängstlich auf Laizität bedacht, das Wort „Gott“ in
der Präambel des Verfassungsvertrages vermeidet. Sie scheut diese hergebrachte Geste der Demut
des Verfassungsgebers, indes sie sich nicht scheut - eine Novität -, dem Hochmut der
Verfassungsautoren nachzugeben und ausdrücklich deren „Leistungen“ zu würdigen. Die Frage
nach ihrer europäischen Identität bleibt unentschieden, und die vielbeschworenen Werte Europas
hängen so hoch, dass sich niemand an ihnen stößt.
• Es wäre weise, wenn sich die Europäer wieder auf die europäische Idee besännen, die über die
33. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
1. Das Problem: Europa – eine „Wertgemeinschaft“?
Zweckverband oder Wertegemeinschaft?
(FAZ v.14.1.2007, Prof. Dr. Josef Isensee)EUROPÄISCHE IDENTITÄT:
• Es wäre weise, wenn sich die Europäer wieder auf die europäische Idee besännen, die über die
europäische Organisation in Vergessenheit geraten ist. Die Idee lässt sich nicht organisieren, und
sie geht nicht in Organisation auf. Doch sie kann wirksam werden als Leitbild und als Maßstab des
Handelns, als Quelle der Anregung wie der Kritik.
• Die Frage der europäischen Identität kommt unaufhaltsam auf die Europäische Union zu mit dem
Beitrittsgesuch der Türkei, also der möglichen Ausdehnung in den islamischen Kulturraum. Die
Probleme, die sich daraus für die EU ergäben, wären geringer (wenngleich immer noch gewaltig),
beschränkte sie sich darauf, weiter nichts zu sein als ein ökonomisch-technokratischer
Zweckverband. Doch sie erhebt heute den Anspruch, Wertegemeinschaft zu sein mit dem Ziel,
sich zur politischen Gemeinschaft zu entwickeln. Der Beitritt der Türkei ist der Ernstfall der
europäischen Identität.
Gliederung
34. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
1. Das Problem: Europa – eine „Wertgemeinschaft“?
Aufruf zur geistigen „Renovation“ Europas:
Verteidigung des „wahren Europas“ (2017)
Gliederung
Philippe Bénéton (France)
Rémi Brague (France)
Chantal Delsol (France)
Roman Joch (Česko)
Lánczi András (Magyarország)
Ryszard Legutko (Polska)
Roger Scruton (United Kingdom)
Robert Spaemann (Deutschland)
Bart Jan Spruyt (Nederland)
Matthias Storme (België)
Pierre Manent (France)
Dalmacio Negro Pavón (España)
Das „falsche Europa“ zeichnet sich durch eine
geschichtsvergessene und fortschrittsbesessene,
universalistische Überheblichkeit aus, die allein schon
den Hinweis auf kulturelle Differenzen reflexartig als
reaktionär diffamiert und insgeheim doch von der
eigenen zivilisatorischen Überlegenheit überzeugt ist.
Angeführt werde es von einer politischen Klasse, die –
trunken von den Versprechungen der Globalisierung –
supranationale Organisationen schaffe, um ungestört
von nationaler Souveränität agieren zu können.
Das Resultat ist in diesem Zeitbild eine diskursmüde,
konsum- und mediengesteuerte Gesellschaft ohne
ideellen Zusammenhalt, die ihren unerfüllten Willen zu
Solidarität und Bekenntnis durch eine fanatische
Fußballleidenschaft kompensiert. Von Vergangenheit
will sie nichts wissen, ihre eigene Lebenswelt nicht
verteidigen. Überall nur Lethargie. Rückzug. Weiße
Fahnen. Was also tun?
35. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
1. Das Problem: Europa – eine „Wertgemeinschaft“?
Aufruf zur geistigen „Renovation“ Europas:
Verteidigung des „wahren Europas“
Gliederung
„Die Arbeit an einer Erneuerung beginnt mit
theologischer Selbsterkenntnis“, lautet der die
„Tendenzwende“ markierende Schlüsselsatz des
Manifests. Der universalistische Anspruch des
„falschen Europass“ komme einer „Ersatzreligion“
gleich, so dass es gelte, „das öffentliche Leben in
Europa zu re-säkularisieren“. Gleichzeitig müsse das
„wahre Europa“ sich allerdings auch wieder darauf
besinnen, dass seine Haupttugenden – Gerechtigkeit,
Mitgefühl, Gnade – christlichen Ursprungs seien. Wo
vom Christentum die Rede ist, bleibt die Antike nicht
fern; der römische Stolz auf die bürgerliche
Mitbestimmung sowie der griechische Geist
philosophischen Zweifels seien „im wahren Europa
niemals vergessen worden“.
36. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
1. Das Problem: Europa – eine „Wertgemeinschaft“?
Aufruf zur geistigen „Renovation“ Europas:
Verteidigung des „wahren Europas“
Statt „einfältiger Zurückweisung der Vergangenheit“
fordern sie eine „Pflicht zur Erinnerung“. Die „hohe
Kultur“ und das „ästhetische Ideal“ Europas wollen
sie erneuern und die „Herabsetzung der Kunst zu
politischen Propagandazwecken“ rückgängig machen.
Eskalationsstufe:
Prof. Stanislaw Grygiel: über die Liebe der Polen zu ihrer Identität und zum
„wahren Europa“
„Die EU hasst Europa und seine Wurzeln“ (16. Oktober 2017)
37. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
1. Das Problem: Europa – eine „Wertgemeinschaft“?Problem
Das Ethos des
geschichtlich gewordenen
Europas
Die geschichtslose Institution
Europäische Union
als Pseudo-Wertegemeinschaft
Europa als „geistige Lebensform“ und
kulturell gewachsenes Gebilde
Spezifische Wertegemeinschaft
mit einem partikularistischen Anspruch
Europa als Institution
Wertegemeinschaft
mit universalistischem Anspruch?
38. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
1. Das Problem: Europa – eine „Wertgemeinschaft“?
Prof. Stanislaw Grygiel: über die Liebe der Polen zu ihrer Identität und zum
„wahren Europa“
„Die EU hasst Europa und seine Wurzeln“ (16. Oktober 2017)
Das „wahre“ Europa
Europa und der „Untergang des Abendlandes“:
„Heute befinden wir uns in einer ähnlichen verzweifelten Stimmung
wie 1919, als das Werk des Münchener Mathematiklehrers seinen
Siegeslauf durch Deutschland und dann durch ganz Europa antrat.
Wieder herrscht die Auffassung vor, daß Europa aus eigener Schuld
sein großes geschichtliches Erbe vertan und verspielt hat, daß seine
Zeit vorüber ist. Die gewaltige Überzeugungskraft des Buches von
Spengler beruhte darauf, daß es Gedanken, die in aller Herzen
lebendig waren, mit einem Ernst, einer Tatsachenfülle und einem
Gedankenreichtum belegte, die dem Durchschnittsleser wie eine
Offenbarung der letzten Hintergründe der Geschichte überhaupt
erschienen.“ (Chefredakteur Ernst Samhaber, in: DIE ZEIT 13/1946)
Gliederung
39. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
1. Das Problem: Europa – eine „Wertgemeinschaft“?
PRESSEMITTEILUNG
„Das Ethos Europas“
53. Tagung des Internationalen Instituts für Europäische Studien „Antonio
Rosmini“, Bozen, 16. bis 18. Oktober 2014 an der Freien Universität Bozen
„Dass die Integration nicht mehr nur durch den freien Markt, den
Wettbewerb und die gemeinsame Währung erreichbar ist, scheint eine
Tatsache für alle Beobachter zu sein. Gibt es eine gemeinsame Ethik als
Bindeelement und Fundament der Europäischen Union?
Nach „Sprache“, „Kultur“ und „Religion“ befasst sich das Internationale
Institut für Europäische Studien „Antonio Rosmini“ heuer mit dem Ethos
Europas, zwischen Mythos, Geschichte, Recht, Kultur.
Das Thema ist also von zwingender Aktualität für das heutige Europa, das
eher sich mit wirtschaftlichen Themen beschäftigt und somit ihre
kulturellen Grundlagen vernachlässigt. Die vom Bewusstsein sittlicher
Werte geprägte Gesinnung und Gesamthaltung, das ethische Bewusstsein,
also die Ethik steht im Mittelpunkt der Tagung.“
Gliederung
40. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
1. Das Problem: Europa – eine „Wertgemeinschaft“?
THESE:
Aufgrund der historischen Katastrophen, die die Europäer erlitten haben,
weil sie schicksalhaft im Boot territorialer Nähe sitzen, haben sich die
Völker Europas aus Not, wenn auch freiwillig entschlossen, sich –
gleichsam wie in einer Galeere - auf Gedeih und Verderben aneinander zu
ketten, um ihr Schicksal nicht von der Brüchigkeit wechselseitigen
Wohlwollens abhängig zu machen, sondern motiviert von der Furcht
gemeinsamen Untergangs zum Wohle aller zu gestalten.
Das Europa der EU ist eine Ethos-Gemeinschaft sui generis, nämlich nicht
ex positivo, sondern ex negativo („Notgemeinschaft“), aber motiviert
durch die Hoffnung, dass aus einer Zweckgemeinschaft eine Ethos-
Gemeinschaft wird.
41. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
Einleitung
1. Das Problem
2. „Ethos“
3. „Europa“
4. Das „Ethos Europas“
5. Einige Thesen
Gliederung
42. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
2. „Ethos“
Bedeutung im Griechischen:
urspr. Sinn: der Aufenthaltsort von Menschen, bei Tieren deren Stall (Stallgeruch)
Übertr. Sinn: 1. Gewöhnung, Gewohnheit
2. Charakter und Denkweise von Menschen
2. Verinnerlichte Sitte, Brauch
Etymologie verweist auf den sozialen Kontext, in welchem das Ethische, Moralische bzw. Sittliche
ursprünglich als die gemeinsame Sitte, als Herkommen, als Brauch, Gewohnheit und Gesetz der
Gemeinschaft eingebettet ist.
Soziale Seite: „Ethos“ ist das Gesamtmuster der in einer Gruppe, Institution, Gesellschaft etc.
vorhandenen, tatsächlich akzeptierten und von Alters her bewährten Verhaltensweisen und
Handlungsmuster (z.B. Ethos der Demokratie, der Christen, des Islam, Europas)
Individuelle Seite: Erst später erhält die Bedeutung dieser Wörter jenen subjektiv-individuellen Aspekt
persönlicher moralischer Gesinnung und Charakterprägung. Ethos drückt aus, dass man so handelt,
wie man es durch seine Erziehung, Gewöhnung und Herkunft für richtig hält. Der Handelnde hat die
dem Handeln zugrunde liegenden Werte innerlich akzeptiert, sich zu ihnen "in ein Verhältnis gesetzt
hat" und befolgt sie nun aus einer inneren Einsicht heraus. Eine so angeeignete ethische Einstellung
drückt dann den Charakter bzw. die Tugend bzw. die Moralität des Handelnden aus.
ethos (εθος) - êthos (ηθος)
2.1 Bedeutung und Verwendung des Begriffs
43. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
2. „Ethos“
ethos (εθος) - êthos (ηθος)
2.1 Bedeutung und Verwendung des Begriffs
Grund der Geltung eines gelebten Ethos:
- bestimmt tatsächlich das Handeln und wird gewünscht
- Individuen und Gruppen lassen sich vom Ethos bei ihrer
Handlungswahl und ihrer Weltgestaltung leiten
- es erweist sich als unabdingbar oder mit Blick auf
kontingent (historisch, situativ, kulturell) bedingte
Bedürfnis- und Handlungskontexte als zuträglich
44. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
2. „Ethos“ 2.2 Zwei Ethos-Varianten
Gemeinsame Spielregeln von Ordnungssystemen
durch Autorität oder Vereinbarung
(Vertrag) absichtlich/willentlich etabliert
durch Tradition, Brauch, Sitte, Kultur und
Gewöhnung historisch als Ethos der
Gemeinschaft unabsichtlich im Rücken
der Akteure gewachsen
Spielregeln (noch) nicht verinnerlicht und
das eigene Handeln und Denken (noch)
nicht von selbst lenkend
(Zwangsbewehrung)
Spielregeln verinnerlicht und
das eigene Handeln und Denken von
selbst/wie selbstverständlich lenkend
(Habitus)
RechtsgemeinschaftEthosgemeinschaft
Rechtlich verfasste Gesellschaften leitende
Normen/Gesetze
Emotionsbasierte, identitätsstiftende, historisch
etablierte Werte
Institutionalisiertes EthosGewachsenes Ethos
45. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
2. „Ethos“
Ethos Recht
Recht beeinflusst das Ethos
Recht wird Teil des Ethos
in einem Prozess der Gewöhnung
Ethos beeinflusst Recht
Recht bildet sich am Ethos heraus,
indem es dessen gelebte Normen
rechtlich institutionalisiert
2.2 Zwei Ethos-Varianten
46. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
2. „Ethos“
46
Ethos
2.2 Konstitutionsfaktoren: das kulturethische Dreieckegriffs
n. Lothar Roos (1991)
47. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
2. „Ethos“
47
Ethos
2.2 Konstitutionsfaktoren: das kulturethische Dreieckegriffs
48. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
2. „Ethos“
Ethos und soziale Systeme:
Ein Ethos hat für ein soziales System eine vierfache Bedeutung:
1. eine normative Funktion für das Verhalten ihrer Mitglieder
2. eine konstitutive Funktion für die Bildung einer eigenen
kulturellen Identität
3. eine integrative, gemeinschaftsstiftend-soziative Funktion
4. eine motivational-emotionale Funktion
5. eine geschichtsbezügliche Kontinuitätsfunktion
2.2 Funktion eines wertebasierten Ethos
49. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
Einleitung
1. Das Problem
2. „Ethos“
3. „Europa“
4. Das „Ethos Europas“
5. Einige Thesen
Gliederung
50. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “
Von welchem
Europa sprechen
wir überhaupt,
wenn wir nach
dem
„Ethos Europas“
fragen?
1. Europa als sinnstiftende historisches Narrativ:
als naturwüchsige „Ethos-Gemeinschaft“
2. Europa als friedensstiftende Institution:
als politische Rechts- und Wertegemeinschaft
51. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “
Historische Einflussfaktoren:
• Es gibt keine endgültige zeitliche und räumliche Gestalt von „Europa“
• Die Identität Europas ist ein historisches Problemdenkmal: Die „exzentrische Identität“
Europas (R. Brague)
• Europas als Ethos-Gemeinschaft hat keine klare Kontur (nicht „clare et distincte“).
• Europa als Ethos-Gemeinschaft ist kein gemeinsamer Akteur
• Europa hat keinen natürlichen Sprecher und keinen autoritativen Vertreter
• Europa kann bestenfalls geglaubt (normativer Aspekt) oder verstanden
(hermeneutischer Aspekt) werden.
3.1 Europa als sinnstiftende historisches Narrativ
52. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “ 3.1 Europa als sinnstiftendes historisches Narrativ
Historische Versatzstücke:
• In der Antike: irrelevante Orientierungsgröße
• „Translatio imperii“: Europa als Nachfolger des
Imperium Romanum
• Mittelalter: „Jaffetien“
• 1453: Das „Haus Europa“ – Europa als christlicher
Kontinent
• Ende 18./Anfang 19. Jh.: Europagedanke der
Romantik – „Gemeinschaft“ in der Geschichte –
„Abendland“ (Gebr. Schlegel)
• 19. Jh.: Drei Städte – drei Hügel (Gregorovius 1872)
• Kritischer Geist der Aufklärung (20. Jh.)
53. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “ 3.1 Europa als sinnstiftendes historisches Narrativ
Historische Versatzstücke:
• In der Antike: irrelevante Orientierungsgröße
• „Translatio imperii“: Europa als Nachfolger des
Imperium Romanum
• Mittelalter: „Jaffetien“
• 1453: Das „Haus Europa“ – Europa als christlicher
Kontinent
• Ende 18./Anfang 19. Jh.: Europagedanke der
Romantik – „Gemeinschaft“ in der Geschichte –
„Abendland“ (Gebr. Schlegel)
• 19. Jh.: Drei Städte – drei Hügel (Gregorovius 1872)
54. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “ 3.1 Europa als sinnstiftendes historisches Narrativ
Historische Versatzstücke:
• In der Antike: irrelevante Orientierungsgröße
• „Translatio imperii“: Europa als Nachfolger des
Imperium Romanum
• Mittelalter: „Jaffetien“
• 1453: Das „Haus Europa“ – Europa als christlicher
Kontinent
• Ende 18./Anfang 19. Jh.: Europagedanke der
Romantik – „Gemeinschaft“ in der Geschichte –
„Abendland“ (Gebr. Schlegel)
• 19. Jh.: Drei Städte – drei Hügel (Gregorovius 1872)
55. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “ 3.1 Europa als sinnstiftendes historisches Narrativ
Historische Versatzstücke:
• In der Antike: irrelevante Orientierungsgröße
• „Translatio imperii“: Europa als Nachfolger des
Imperium Romanum (ex positivo)
• Mittelalter: „Jaffetien“
• 1453: Das „Haus Europa“ – Europa als christlicher
Kontinent
• Ende 18./Anfang 19. Jh.: Europagedanke der
Romantik – „Gemeinschaft“ in der Geschichte –
„Abendland“ (Gebr. Schlegel)
• 19. Jh.: Drei Städte – drei Hügel (Gregorovius 1872)
56. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “ 3.1 Europa als sinnstiftendes historisches Narrativ
Historische Versatzstücke:
• In der Antike: irrelevante Orientierungsgröße
• „Translatio imperii“: Europa als Nachfolger des
Imperium Romanum (ex positivo)
• Mittelalter: „Jaffetien“
• 1453: Das „Haus Europa“ – Europa als christlicher
Kontinent
• Ende 18./Anfang 19. Jh.: Europagedanke der
Romantik – „Gemeinschaft“ in der Geschichte –
„Abendland“ (Gebr. Schlegel)
• 19. Jh.: Drei Städte – drei Hügel (Gregorovius 1872)
57. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “ 3.1 Europa als sinnstiftendes historisches Narrativ
Historische Versatzstücke:
• In der Antike: irrelevante Orientierungsgröße
• „Translatio imperii“: Europa als Nachfolger des
Imperium Romanum
• Mittelalter: „Jaffetien“
• 1453: Das „Haus Europa“ – Europa als christlicher
Kontinent
• Ende 18./Anfang 19. Jh.: Europagedanke der
Romantik – „Gemeinschaft“ in der Geschichte –
„Abendland“ (Gebr. Schlegel)
• 19. Jh.: Drei Städte – drei Hügel (Gregorovius 1872)
58. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “ 3.1 Europa als sinnstiftendes historisches Narrativ
Historische Versatzstücke:
• In der Antike: irrelevante Orientierungsgröße
• „Translatio imperii“: Europa als Nachfolger des
Imperium Romanum
• Mittelalter: „Jaffetien“
• 1453: Das „Haus Europa“ – Europa als christlicher
Kontinent
• Ende 18./Anfang 19. Jh.: Europagedanke der
Romantik – „Gemeinschaft“ in der Geschichte –
„Abendland“ (Gebr. Schlegel)
• 19. Jh.: Drei Städte – drei Hügel (Gregorovius 1872)
„Aber jetzt, da die Stadt Konstantinopel in die Hände der Feinde geraten
ist, da so viel Christenblut floss und so viele Menschen in die Sklaverei
getrieben wurden, ist der katholische Glaube auf beklagenswerte Weise
verletzt worden (. . ). Wenn wir die Wahrheit gestehen wollen, hat die
Christenheit seit vielen Jahrhunderten keine größere Schmach erlebt als
jetzt. Denn in früheren Zeiten sind wir nur in Asien und Afrika, also in
fremden Ländern geschlagen worden, jetzt aber wurden wir in Europa,
also in unserem Vaterland, in unserem eigenen Haus, an unserem eigenen
Wohnsitz, aufs schwerste getroffen.
Enea Silvio Piccolomini, 1453 auf dem Reichstag zu Frankfurt
„Did Europe exist before 1453?“
59. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “
59
• Die Wahrnehmung des Eigenen und des Fremden verläuft in dieser Zeit eher an der
Demarkationslinie von christlichen Gläubigen und Heiden – folglich definierten sich die
Zeitgenossen als Angehörige des christlichen „Abendlands“ respektive „Okzidents“ in
Abgrenzung zu dem nicht‐christlichen „Morgenland“ bzw. „Orient“.
• Dennoch konstituiert sich in einem vielschichtigen Prozess, in dem antike, heidnische,
jüdische und christliche Wurzeln miteinander verschmelzen, das christliche Europa als
ein gemeinsamer Zivilisationsraum, der sich vom nicht‐europäischen deutlich
unterscheiden lässt (Brague: „exzentrische Identität“).
• In der Konfrontation mit Nicht‐Christen bildet sich jene spezifisch europäische
Mentalität heraus. So Jacques LeGoff (Die Geburt Europas im Mittelalter, München
2004, 13 :
„[D]as Mittelalter [war] die Epoche der ersten Entwürfe, der Genese Europas als
Realität und als Vorstellung, [...] die entscheidende Phase der Geburt, der
Kindheit und der Jugend Europas [...], ohne dass die Menschen jener
Jahrhunderte die Idee oder den Willen gehabt hätten, ein einheitliches Europa zu
schaffen.“
3.1 Europa als sinnstiftendes historisches Narrativ
60. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “ 3.1 Europa als sinnstiftendes historisches Narrativ
1799/1802
Historische Versatzstücke:
• In der Antike: irrelevante Orientierungsgröße
• „Translatio imperii“: Europa als Nachfolger des
Imperium Romanum
• Mittelalter: „Jaffetien“
• 1453: Das „Haus Europa“ – Europa als christlicher
Kontinent
• Ende 18./Anfang 19. Jh.: Europagedanke der
Romantik – „Gemeinschaft“ in der Geschichte –
„Abendland“ (Gebr. Schlegel)
• 19. Jh.: Drei Städte – drei Hügel (Gregorovius 1872)
• Kritischer Geist der Aufklärung (20. Jh.)
61. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “ 3.1 Europa als sinnstiftendes historisches Narrativ
1799/1802
Historische Versatzstücke:
• In der Antike: irrelevante Orientierungsgröße
• „Translatio imperii“: Europa als Nachfolger des
Imperium Romanum
• Mittelalter: „Jaffetien“
• 1453: Das „Haus Europa“ – Europa als christlicher
Kontinent
• Ende 18./Anfang 19. Jh.: Europagedanke der
Romantik – „Gemeinschaft“ in der Geschichte –
„Abendland“ (Gebr. Schlegel)
• 19. Jh.: Drei Städte – drei Hügel (Gregorovius 1872)
• Kritischer Geist der Aufklärung (20. Jh.)
• Aus der Asche Europas kann ein neues, besseres Europa („Goldenes
Zeitalter“) entstehen.
• Glückliche „Urzeit“ = Phase des frühmittelalterlichen Christentums.
• Katholisches Christentum konstituiert die Einheit Europas.
• Das letztendliche Ziel ist eine Regeneration Europas und ewiger Frieden
durch eine neue Religion.
• Antiaufklärerische Tendenz.
• Wiedergeburt Europas aus dem Geist der Religion: Ideal der „sakralen
Zeit“.
• Europa als Gemeinschaft der Völker.
• „Abendland“: Europakonzeption der Gebr. Schlegel, die sich auf kulturelle
Traditionen stützte. Das Abendland umfasste ihrer Vorstellung nach alle
Länder, die durch ihr romanisches, germanisches und christliches Erbe zu
einem einzigen europäischen Kulturraum in Antinomie zu einem islamisch
gedachten Orient oder Morgenland vereint waren. Besondere Bedeutung
maßen sie dabei Karl dem Großen als vermeintlichem Einiger Europas und
Herrn über das christliche Abendland zu.
62. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “
62
Das Mittelalter als goldenes europäisches Zeitalter
= eine romantische Überhöhung + Utopie:
„Es waren schöne glänzende Zeiten, wo Europa ein christliches
Land war, wo Eine Christenheit diesen menschlich gestalteten
Weltteil bewohnte; Ein großes gemeinschaftliches Interesse
verband die entlegensten Provinzen dieses weiten geistlichen
Reichs.“[Friedrich von Hardenberg – Novalis, Europa, 1799)
Novalis verlieh damit der typisch romantischen Sehnsucht nach einer Zeit Ausdruck,
in der die von ihm gebrandmarkte Reformation die Christenheit noch nicht gespalten
hatte – gleichzeitig erteilte er damit den Ideen der Französischen Revolution eine
deutliche Absage.
3.1 Europa als sinnstiftendes historisches Narrativ
63. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “
Historische Versatzstücke:
• In der Antike: irrelevante Orientierungsgröße
• „Translatio imperii“: Europa als Nachfolger des
Imperium Romanum
• Mittelalter: „Jaffetien“
• 1453: Das „Haus Europa“ – Europa als christlicher
Kontinent
• Ende 18./Anfang 19. Jh.: Europagedanke der
Romantik – „Gemeinschaft“ in der Geschichte –
„Abendland“ (Gebr. Schlegel)
• 19. Jh.: Drei Städte – drei Hügel (Gregorovius 1872)
• Kritischer Geist der Aufklärung (20. Jh.)
3.1 Europa als sinnstiftendes historisches Narrativ
64. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “
64
Jerusalem
Rom
Athen
F. Gregorovius : Geschichte der
Stadt Rom im Mittelalter (1872):
„Unbedingt europäisch ist alles, was
von drei Quellen – Athen, Rom und
Jerusalem – herrührt.“
3.1 Europa als sinnstiftendes historisches Narrativ
65. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “
Historische Versatzstücke:
• In der Antike: irrelevante Orientierungsgröße
• „Translatio imperii“: Europa als Nachfolger des
Imperium Romanum
• Mittelalter: „Jaffetien“
• 1453: Das „Haus Europa“ – Europa als christlicher
Kontinent
• Ende 18./Anfang 19. Jh.: Europagedanke der
Romantik – „Gemeinschaft“ in der Geschichte –
„Abendland“ (Gebr. Schlegel)
• 19. Jh.: Drei Städte – drei Hügel (Gregorovius 1872)
• Kritischer Geist der Aufklärung (20. Jh.)
3.1 Europa als sinnstiftendes historisches Narrativ
66. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “
gemeinsame
Geschichte
gemeinsame(s)
Werte / Ethos
gemeinsame
Abgrenzungen
gemeinsames
Wissensvollzüge und Bildungsideale
gemeinsame
Religion
Idee der gemeinsamen Wahrheit:
Einheit der Teilsysteme
66
Kollektive kulturelle Identität
• „Europa“ nie als geschichtlich
handelndes Subjekt in Erscheinung
getreten.
• Kollektive kulturelle Identität gilt nur
für einen Kernbereich Europas
(protestantische und katholische
Länder)
•
• Die Suche nach seiner „Identität“,
nach seinem „Wesen“ ist eine Idee
der Neuzeit.
• Europa ist eine historische und
damit dynamisch veränderbare
Größe, ein Produkt einer kulturellen
Entwicklung.
• Europa hat eine „exzentrische
Identität“ (R. Brague)
3.1 Europa als sinnstiftendes historisches Narrativ
67. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
2. „Ethos“
Wenige Länder erfüllen die Kriterien der
Zugehörigkeit zu diesem kulturell-historischen
Narrativ?
3.1 Europa als sinnstiftendes historisches Narrativ
68. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “ 3.2 Europa als friedensstiftende Notgemeinschaft
1.
Europa als sinnstiftendes historisches Narrativ:
als naturwüchsige „Ethos-Gemeinschaft“
2.
Europa als friedensstiftende
politische Institution:
als „Rechtsgemeinschaft“
69. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “
69
Erste Pläne einer
Europäischen Einigung
Dante Aligheri:
Über die Monarchie (Anf. 14. Jh.)
Pierre Dubois:
Über die Wiedererlangung
des Heiligen Landes (ca. 1306)
Enea Silvio Piccolomini:
Aufruf zum Kreuzzug (1454)
Georg von Podibrad:
Bündnis- und Föderationsvertrag … Michael Wolgemut (Zeichner) und Wilhelm Pleydenwurff (Stecher)
‚Eneas pius papa Frideric(us) terci(us) romanor(um) i(m)perator': Papst und Kaiser
In: Hartmann Schedel: Liber Chronicarum (lat. Ausgabe), Nürnberg: Anton Koberger 1493
Die gemeinsame Herrschaft von Papst Pius II. (reg. 1458-1464) und Kaiser Friedrich III. (reg. 1440-1493)
versinnbildlicht die christliche Reichsidee des Mittelalters von Ausgleich und Versöhnung. Der Kaiser hatte in
göttlichem Auftrag mit dem Papst Frieden und Recht in der Welt unter dem Schutz seiner Kirche zu sichern.
70. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “
70
•Klage des Friedens (1517)
Erasmus von Rotterdam
•Der große Plan (1632)
Maximilien de Béthune, Herzog v. Sully
•Bedenken (1670)
Gottfried Wilhelm Leibniz
•Essay über den gegenwärtigen und künftigen Frieden Europas (1692)
William Penn
•Auszug aus dem Plan des ewigen Friedens (1756)
Jean-Jacques Rousseau
•Neues Staatsgebäude (1767)
Jakob Heinrich von Lilienfeld
•Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht (1784)
und Zum ewigen Frieden (1795)
Immanuel Kant
•Gespräche unter vier Augen (1798)
Christoph Martin Wieland
•Schriften zum europäischen Gleichgewicht (1800/1801)
Friedrich Gentz
71. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “
71
•Klage des Friedens , der bei allen Völkern verworfen und
niedergeschlagen wurde (1517)
Erasmus von Rotterdam (1465-1536)
Renaissance: die europäische Gelehrtenrepublik
als übernationale Gemeinschaft
Darstellung der Schrecken des Krieges und der Vorteile des Friedens:
- Menschliche Niedertracht und Unvernunft als Auslöser des Krieges
- gültig bis ins 18. Jh.
- Krieg als Geißel Europas
- kein „gerechter Krieg“ (Augustinus) möglich
- Krieg ist immer sündhaft und gegen die Menschenwürde
Zulässig ist nur der Kampf gegen andersgläubige
Ablehnung von Bündnissen und institutionellen Vorkehrungen zur Friedenssicherung
Vertrauenswürdig ist allein die Vernunft und die Frömmigkeit
72. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “
72
•Der große Plan (1632)
Maximilien de Béthune, Herzog v. Sully (1560-1641)
Abkehr von der Idee des Abendlandes:
- Dominanz von Nationalismus und Konfessionalismus
- Zwist der Religionen treibt Nationalstaaten und
Säkularismus hervor
- Aufkeimen des absolutistischen Staates
Gefahr der „Universalmonarchie“: Vormacht eines einzelnen Herrscherhauses in
Europa (Haus Habsburg)
Gegenreaktion: Zusammenschluss der bedrohten Staaten zur „republique chrétienne“
= Völkerverein (geht von Frankreich aus)
Text: Mystifikation Heinrich IV (1610 ermordet) durch dessen ehemaligen
Finanzminister
Phantasieprodukt Sullys: ungeheuere Nachwirkung (Fälschung erst im 20. Jh. erkannt)
73. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “
73
•Bedenken, welchergestalt Securitas publica interna et externa et Status
praesens im Reich jetzigen Umständen nach auf festen Fuß zu stellen
(1670)
Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716)
Chaotische Zustände im 16. und 17. Jahrhundert
- Glaubenskriege
- Europa als Mittelpunkt der Welt (mit Blick auf Kolonien)
Säkularismus hervor
- Entstehung eines Weltbürgersinns – Gefühl gemeinsamer Größe
- Nebeneinander von Europäertum und Nationalgefühl
Leibniz: - frühe Beschäftigung mit europäischer Politik
- Versuch der Überwindung der Gegensätze
- Propaganda für eine Allianz der deutschen Kleinstaaten
- der Universalmonarchie sollte durch den Bund deutscher Kleinstaaten
entgegengetreten werden (deutscher Reichsbund)
- These: ganz Europa findet durch ein starkes deutsches Reich zur Einheit
- Einigkeit Europas im Streben nach Unterwerfung fremder Länder der Welt
- Jeder europäische Staat hat dabei eine besondere Aufgabe
- eine gemeinsame europäische Regierung ist nicht zu erhoffen
- lediglich Etablierung eines europäischen Gerichtshofs
74. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “
74
•Essay über den gegenwärtigen und künftigen Frieden Europas (1692)
William Penn (1644-1718)
Zunahme der Unionspläne im 17/18. Jh.
Kreuzzugsidee als Motiv der Einigung tritt in den Hintergrund (1683 Wien)
und wird durch die Idee der Aufklärung und des Pazifismus abgelöst.
Konsequenz: Idee eines Weltbundes (Kosmopolitismus).
1735: Letzter Unionsplan gegen die Türken (span. Kardinal Alberoni)
1632: Mönch Emeric Crucé („Nouveau Cynée) – Idee des Weltbundes aller Völker der
Erde
- Postulat der Handelsfreiheit
- Vereinheitlichung von Währung, Maßen und Gewichten
John Bellars: „Some Reasons for an European State“ – Europa als Vorstufe des
Weltbundes
Penn: -Unionsplan mit demorkatischem Gesicht
- genossenschaftliche Ordnung – alleine auf Recht gegründet
- parlamentarischer Betrieb (Vorbild: Unterhaus) statt Fürstenkongress
75. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “
Europaidee - Prof. Dr. Armin G. Wildfeuer 75
•Auszug aus dem Plan des ewigen Friedens des Herrn Abbé de Saint-
Pierre und Urteil über den ewigen Frieden (1756)
Jean-Jacques Rousseau (1712-1778)
Plan des Abbé: - Unionsplan (wie Sully)
- Schlagwort vom „Ewigen Frieden“
(der Lächerlichkeit preisgegeben)
- 1713 Plan in 2 Bden, 1716 3. Bd. …. 23 Bde.
- weitschweifig
Wiedergabe und Zusammenfassung durch Rousseau (postum):
- Gesandtenkongress
- Schiedsgericht
- Sanktionen gegen Friedensbrecher
- NEU: Innenpolitik erhält absoluten Vorrang
- Krieg ist nicht eigentliche Krankheit Europas, sondern nur deren Symptom
- Kriege verhindern das entstehen guter Regierungsformen, Fürsten
versklaven die Völker und machen sie zum Werkzeug ihrer Niedertracht
- Europa ist nur eine zufällige Einheit, der die Vernunft erst eine Ordnung
geben muss
- Einigung nicht der Fürsten, sondern der Völker
76. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “
Europaidee - Prof. Dr. Armin G. Wildfeuer 76
•Neues Staatsgebäude (1767)
Jakob Heinrich von Lilienfeld (1716-1785)
Baltischer Baron
66 Paragrafen eines kuriosen Bucheds: „Übelstand Europas“
- der „wilde“ Soldatenstand
- die Ursachen des Krieges
(„Eigene Macht reizet zum Krieg. Fremde Macht desgleichen“)
- Schrecken des Krieges
- absonderliche Zukunftsaussichten – und Visionen Europas
- Idee des Schiedsgerichts
- Institutionelle Rahmenbedingungen
Tradition: Utopien (Sonnenstaat, Utopia)
--- TEXT im Detail ---
77. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “
Europaidee - Prof. Dr. Armin G. Wildfeuer 77
•Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht
(1784) und Zum ewigen Frieden (1795)
Immanuel Kant (1724-1804)
Aufklärungsdenken:
- Menschliche Glückseligkeit tritt in den Hintergrund
- … was der Mensch aus sich machen kann
- Höherentwicklung des Menschengeschlechts zur moralischen Gesellschaft
- Recht der Völker sich eine moralische Verfassung zu geben
- republikanische Verfassung (im Gegensatz zur despotischen)
- Idee einer internationalen Förderativverfassung
„weltbürgerliche Absicht“ (nicht: „Europa“, aber eurozentrisch)
„Zum ewigen Frieden“
Gegensatz: - „orientalischer Despotenstaat“
- Kooperation zwischen Staaten mit unterschiedlichen
Staatsformen nicht möglich
Frz. Revolution als Verwirklichung seiner Lehre von der Freiheit – Ansatz zu einem
republikanischen Europa
78. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “
Europaidee - Prof. Dr. Armin G. Wildfeuer 78
•Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters (1804/5)
Johann Gottlieb Fichte
•ÜberVolkshaß (1813)
Ernst Moritz Arndt
•Entwurf eines europäischen Staatenbundes (1814)
Karl Christian Friedrich Krause
•Ratschläge an seinen Sohn (1821)
Napoleon Bonaparte
•Die Akte der Heiligen Allianz (1815)
Heilige Allianz
•Deutschland und die Revolution (1819)
Joseph Görres
•Europa und Amerika und Der Europäische Bund (1820/21)
C. F. von Schmidt-Phiseldek
•Verbrüderung der Völker (1832)
Giuseppe Mazzini
•Das nationale System der politischen Ökonomie (1840)
Friedrich List
79. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “
Europaidee - Prof. Dr. Armin G. Wildfeuer 79
•Rede in der Frankfurter Paulskriche (1840)
Arnold Ruge
•Kleine politische Schriften (1855/59)
Julius Fröbel
•Die Zukunft (1867)
Viktor Hugo
80. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “
Europaidee - Prof. Dr. Armin G. Wildfeuer 80
Viktor Hugo (1802-1885):
Der Europa-Gedanke im 19. Jh.
„Wir errichten diese großen Vereinigten Staaten von
Europa, die die Alte Welt krönen werden, so wie die
Vereinigten Staaten von Amerika die Neue Welt
krönen. Wir werden den Eroberungsgeist in
Entdeckergeist umwandeln; wir werden die
großzügige Brüderlichkeit der Nationen pflegen, statt
der entsetzlichen Bruderschaften der Kaiser; wir
werden ein Vaterland ohne Grenzen haben, einen
Staatshaushalt ohne Schmarotzertum, Handel ohne
Zoll, Zirkulation ohne Kasernierung, Mut ohne Kampf
[...] Auf die Welt wird eine Lichtwelle treffen. Und
was ist dieses Licht? Es ist die Freiheit. Und was ist
diese Freiheit? Es ist der Friede.“
81. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “
Europaidee - Prof. Dr. Armin G. Wildfeuer 81
Die Geburt Europas aus seinem Untergang
14. 5. 1947 - Royal Albert Hall in London -
Gründungsakt des „United Europe Movement“
statt. Der prominenteste Redner war Churchill:
„Was ist Europa heute? ... eine Brutstätte von Pestilenz und Hass. Überkommene
nationalistische Fehden und moderne ideologische Zerwürfnisse verwirren und erzürnen
die unglückliche, hungrige Bevölkerung. […] Ist Europas Mission beendet? Werden die
Staaten Europas ewig fortfahren, die erstbesten Früchte ihrer Arbeit zu verschwenden
für die Errichtung neuer Grenzbarrieren, für neue militärische Befestigungsanlagen, neue
Zollmauern und die Ausgabe neuer Pässe? […] Wenn die Bevölkerung Europas den
Entschluss fasst, sich zusammenzuschließen und zusammenzuarbeiten zum
gemeinsamen Vorteil, Segnungen auszutauschen anstelle von Flüchen, dann liegt es
noch in ihrer Macht, die Schrecken und Nöte, die sie umgeben, hinwegzufegen und die
Ströme der Freiheit, des Glückes und Überflusses wieder heilsam zu beleben.“
82. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3. „Europa “ 3.2 Europa als politische Institution
83. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3.2 Europa als politische Institution
84. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
3.2 Europa als politische Institution
86. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
Einleitung
1. Das Problem
2. „Ethos“
3. „Europa“
4. Das „Ethos Europas“
5. Einige Thesen
Gliederung
87. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
4. Das „Ethos Europas “
88. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
Vielfalt (Pluralität) in Einheit
(Union) durch gemeinsames
Recht und gemeinsame
Strukturprinzipien
89. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
2. „Ethos“
89
Ethos
einer Rechtsgemeinschaft
Solidarität
Subsidiarität
Supranationalität
Rechtstreue
Bereitschaft zum Kompromiss
Degressive Proportionalität
90. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
2. „Ethos“
90
Ethos
einer Rechtsgemeinschaft
Solidarität
Subsidiarität
Supranationalität
Rechtstreue
Bereitschaft zum Kompromiss
Degressive Proportionalität
Menschenwürde
Freiheit
Gleichheit
Solidarität
91. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
2. „Ethos“
91
Ethos
einer Rechtsgemeinschaft
Solidarität
Subsidiarität
Supranationalität
Rechtstreue
Bereitschaft zum Kompromiss
Degressive Proportionalität
Partizipation
Menschenwürde
Freiheit
Gleichheit
Solidarität
Demokratie
Rechtstaatlichkeit
Binnenmarkt
Soziale Marktwirtschaft
Kulturelle Vielfalt
Soziale Gerechtigkeit
92. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
4. Das „Ethos Europas “
Von der Wirtschaftsgemeinschaft zur politischen Union, oder:
Von der Zweck- zur Wertegemeinschaft
Werte der Europäischen Union
Würde des Menschen
• Recht auf Leben
• Recht auf Unversehrtheit
• Verbot von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder
Behandlung
• Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu
achten und zu schützen. Sie bildet das eigentliche
Fundament der Grundrechte.
93. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
4. Das „Ethos Europas “
Von der Wirtschaftsgemeinschaft zur politischen Union, oder:
Von der Zweck- zur Wertegemeinschaft
Werte der Europäischen Union
Freiheit(en)
• Recht auf Freiheit und Sicherheit
• Achtung des Privat- und Familienlebens
• Schutz personenbezogener Daten
• Recht, eine Ehe einzugehen und eine
Familie zu gründen
• Gedanken-, Gewissens- und
Religionsfreiheit
• Freiheit der Meinungsäußerung und
Informationsfreiheit
• Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit
Die Freizügigkeit ermöglicht Bürgerinnen und
Bürgern, innerhalb der EU zu reisen und ihren
Wohnsitz zu wählen. Persönliche Freiheiten wie die
Achtung des Privatlebens, Gedankenfreiheit,
Religionsfreiheit, Versammlungsfreiheit, die Freiheit
der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit sind
durch die EU-Charta der Grundrechte geschützt.
• Freiheit der Kunst und der Wissenschaft
• Recht auf Bildung
• Berufsfreiheit und Recht zu arbeiten
• Unternehmerische Freiheit
• Eigentumsrecht
• Asylrecht
• Schutz bei Abschiebung, Ausweisung und
Auslieferung
94. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
4. Das „Ethos Europas “
Von der Wirtschaftsgemeinschaft zur politischen Union, oder:
Von der Zweck- zur Wertegemeinschaft
Werte der Europäischen Union
Demokratie
Die Arbeitsweise der Union beruht auf der
repräsentativen Demokratie. Als europäische Bürgerin
oder europäischer Bürger genießen Sie auch
bestimmte politische Rechte. Jeder erwachsene EU-
Bürger hat das aktive und passive Wahlrecht für die
Wahlen zum Europäischen Parlament. Er oder sie kann
sich sowohl im Wohnsitzland als auch im
Herkunftsland zur Wahl stellen.
• Aktives und passives Wahlrecht bei den
Wahlen zum Europäischen Parlament
• Aktives und passives Wahlrecht bei den
Kommunalwahlen
• Recht auf eine gute Verwaltung
• Recht auf Zugang zu Dokumenten
• Der Europäische Bürgerbeauftragte
• Petitionsrecht
• Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit
• Diplomatischer und konsularischer Schutz
95. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
4. Das „Ethos Europas “
Von der Wirtschaftsgemeinschaft zur politischen Union, oder:
Von der Zweck- zur Wertegemeinschaft
Werte der Europäischen Union
Rechtstaatlichkeit
Die EU beruht auf dem Grundsatz der
Rechtsstaatlichkeit. Alle ihre Tätigkeiten stützen sich
auf freiwillig und demokratisch von ihren
Mitgliedsländern vereinbarte Verträge. Recht und
Gesetz werden von einer unabhängigen Justiz
aufrechterhalten. Die Mitgliedsländer haben dem
Europäischen Gerichtshof die Befugnis übertragen, in
letzter Instanz zu entscheiden. Seine Urteile müssen
von allen respektiert werden.
• Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht
• Unschuldsvermutung und Verteidigungsrechte
• Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit im
Zusammenhang mit Straftaten und Strafen
• Recht, wegen derselben Straftat nicht zweimal strafrechtlich verfolgt oder
bestraft zu werden
96. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
4. Das „Ethos Europas “
Von der Wirtschaftsgemeinschaft zur politischen Union, oder:
Von der Zweck- zur Wertegemeinschaft
Werte der Europäischen Union
Gleichheit
• Gleichheit vor dem Gesetz
• Nichtdiskriminierung
• Vielfalt der Kulturen, Religionen, Sprachen
• Gleichheit von Mann und Frau
• Rechte des Kindes
• Rechte älterer Menschen
• Integration von Menschen mit Behinderung
Bei der Gleichstellung geht es um gleiche Rechte aller
Bürgerinnen und Bürger vor dem Gesetz. Die
Gleichstellung von Frauen und Männern ist Teil aller
politischen Maßnahmen der EU und Grundlage der
europäischen Integration. Sie gilt für alle Bereiche. Der
Grundsatz des gleichen Lohns für gleiche Arbeit wurde
bereits 1957 vertraglich festgeschrieben. Zwar ist die
Gleichstellung noch nicht vollständig verwirklicht,
doch hat die EU bedeutende Fortschritte erzielt.
97. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
4. Das „Ethos Europas “
Von der Wirtschaftsgemeinschaft zur politischen Union, oder:
Von der Zweck- zur Wertegemeinschaft
Werte der Europäischen Union
Solidarität
• Recht auf Unterrichtung und Anhörung der
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im
Unternehmen
• Recht auf Kollektivverhandlungen und
Kollektivmaßnahmen
• Recht auf Zugang zu einem
Arbeitsvermittlungsdienst
• Schutz bei ungerechtfertigter Entlassung
• Gerechte und angemessene
Arbeitsbedingungen
• Verbot der Kinderarbeit und Schutz der
Jugendlichen am Arbeitsplatz
• Familien- und Berufsleben
• Soziale Sicherheit und soziale Unterstützung
• Gesundheitsschutz
• Zugang zu Dienstleistungen von
allgemeinem wirtschaftlichen Interesse
• Umweltschutz
• Verbraucherschutz
98. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
4. Das „Ethos Europas “
Von der Wirtschaftsgemeinschaft zur politischen Union, oder:
Von der Zweck- zur Wertegemeinschaft
Werte der Europäischen Union
Menschenrechte
Die Menschenrechte sind durch die Charta der
Grundrechte der Europäischen Union garantiert. Dazu
gehören das Recht auf Freiheit von Diskriminierung
aufgrund des Geschlechts, der Rasse oder der
ethnischen Herkunft, der Religion oder der
Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder
der sexuellen Ausrichtung sowie das Recht auf den
Schutz personenbezogener Daten oder des Zugangs
zur Justiz.
99. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
2. „Ethos“
99
Ethos
einer Rechtsgemeinschaft
Solidarität
Subsidiarität
Supranationalität
Rechtstreue
Bereitschaft zum Kompromiss
Degressive Proportionalität
Partizipation
Menschenwürde
Freiheit
Gleichheit
Solidarität
Demokratie
Rechtstaatlichkeit
Binnenmarkt
Soziale Marktwirtschaft
Kulturelle Vielfalt
Soziale Gerechtigkeit
Europäische Institutionen
Normen und Standards
Europäische Gerichtshöfe
Institutionalisierte
Partizipationsmöglichkeiten
Etc., etc.
100. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
2. „Ethos“
100
Ethos
einer Rechtsgemeinschaft
Solidarität
Subsidiarität
Supranationalität
Rechtstreue
Bereitschaft zum Kompromiss
Degressive Proportionalität
Partizipation
Menschenwürde
Freiheit
Gleichheit
Solidarität
Demokratie
Rechtstaatlichkeit
Binnenmarkt
Soziale Marktwirtschaft
Kulturelle Vielfalt
Soziale Gerechtigkeit
Europäische Institutionen
Normen und Standards
Europäische Gerichtshöfe
Institutionalisierte
Partizipationsmöglichkeiten
Etc., etc.
101. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
Einleitung
1. Das Problem
2. „Ethos“
3. „Europa“
4. Das „Ethos Europas“
5. Einige Thesen
Gliederung
102. Das Ethos Europas – aus historischer und systematischer Perspektive
5. Einige Thesen zum Ethos Europas
1. Europa als friedensstiftende politische Institution ist eine auf
vertraglicher Rechtsetzung basierende Wertegemeinschaft
(„Europäischer Gesellschaftsvertrag“).
2. Europa als friedensstiftende politische Institution ist weder
eine Utopie, noch eine Eutopie, sondern als Raum der Freiheit,
der Sicherheit und des Rechts eine aus der geschichtlichen
Erfahrung dystopischer Zustände geborene „Heterotopie“
(Michel Foucault).
3. Das instituionalisierte, rechtlich fixierte Ethos Europas wird das
zukünftige naturwüchsige Ethos Europas sein.