Betriebswirtschaftslehre (B.Sc.) an der Universität Duisburg Essen
Der Umstieg auf Alma - Einblicke und Ausblicke
1. Der Umstieg auf Alma – Einblicke und Ausblicke
Jürgen Christof | Vortrag an der ULB Bonn am 24.7.2019
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Creative Commons Namensnennung 4.0 International | https://creativecommons.org/licenses/by/4.0
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Gliederung
1. Alma – das Produkt
2. Einführung von Alma – das Projekt
3. Erfahrungsberichte – Alma aus der Sicht der Mitarbeiter*innen der UB der TU Berlin
4. Alma im Ökosystem der deutschsprachigen Verbundlandschaft
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Produkt Alma: Cloudanwendung
• Alma als Software as a Service-Lösung verlagert den Betrieb konsequent nach außen
• Fachkräfte, die unter Aleph Bedingungen für den Betrieb des Lokalsystems (Hard- und
Software) eingesetzt wurden, können neue Aufgaben übernehmen
• Monatliche Updates, Verbesserungen werden schneller wirksam
• Abhängigkeit gegenüber dem Anbieter deutlich erhöht: Zugang zum Lokalsystem
ausschließlich via Internet
• Reduzierte Möglichkeiten zur Datenabfrage und Datenmanipulation: kein Root-Zugriff mehr
auf die Datenbank, Verlust von Möglichkeiten der Einflussnahme auf das System
• Schwerwiegende Grundsatzentscheidung, die nicht leicht revidierbar ist
• Auslagerung der Betriebsverantwortung, Konzentration auf Bibliotheksfachliches
• Durch Updates zyklische Anpassungen des Systems => „Alma lebt“
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Produkt Alma: Erwerbung, Katalogisierung, Ausleihe
• Alle Erwerbungsvorgänge in einem System, egal ob e-Medien oder Printmedien
• Deutliche Vorteile in der Verwaltung von e-Medien
• Ausleihe nach Betriebsaufnahme stabil
• Mehrwerte der Alma-Infrastruktur aus Institution Zone, Network Zone und Community Zone
erkennbar
• Erwerbungsprozesse müssen unter Alma-Bedingungen neu durchdacht werden, erhebliche
Veränderungen an einzelnen Arbeitsplätzen
• Primärkatalogisierung erfolgt weiter mittels Aleph Client: Kreiskonvertierung MAB-MARC-
MAB nicht erfolgreich (im Österreichischen Bibliothekenverbund aber erfolgreich umgesetzt)
• Umgestaltung der Erwerbungsprozesse steht im Fokus, mehr als erwartet
• Katalogisierung aus Alma als Desiderat, MAB-MARC Problematik wurde vor allem
von Ex Libris deutlich unterschätzt
• Ausleihmodul läuft stabil, viele Klicks erschweren den Alltagsbetrieb
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Produkt Alma: Fernleihe
• Trennung der aktiven Fernleihe von der Ausleihe ermöglicht spezifische Konfigurationen
bei Mahnroutinen, Abholorten, Nutzerkommunikation etc.
• Anwendungen und Funktionen basieren auf einem Leihverkehr, der hauptsächlich über
E-Mail abgewickelt wird (Muster: anglo-amerikanischer Leihverkehr)
• System musste an die Spezifika des deutschen Leihverkehrs angepasst werden
(= Steuerung des Leitwegs über einen Zentralen Fernleihserver)
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Produkt Alma: Analytics
• Analysewerkzeug Analytics als ein Versprechen, erste Tests zeigen großes Potenzial
• Nachnutzung der von anderen Alma Anwendern erstellten Reports möglich:
eventuell künftige Zeitersparnis
• Erfolgreicher Einsatz von Analytics erfordert zeitintensive Einarbeitung
• Handhabung in der Praxis erweist sich als deutlich komplizierter als gedacht und als von
Ex Libris angekündigt
• Bedienung der Deutschen Bibliotheksstatistik DBS über Analytics in der Praxis
komplizierter als vermutet
• Ob alle notwendigen Statistiken, die mittels direktem Datenbankzugriff in Aleph
erzeugt werden konnten (Oracle), auch mit Analytics möglich sind, ist noch offen
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Produkt Alma: Zusammenspiel mit Primo
• Bibliotheksmanagementsystem Alma und Recherchesystem Primo sind zwei Seiten einer
Medaille: Verwaltungswerkzeug und Recherchesystem sind besser aufeinander
abgestimmt und miteinander verzahnt
• Änderungen in Alma lösen als Seiteneffekte unerwartete Anzeigeprobleme in Primo aus
• Zusammenspiel von Alma und Primo muss teilweise im trial-and-error Verfahren durch die
Verantwortlichen herausgefunden werden, die Dokumentation ist defizitär
• Der Einsatz von Alma erfordert zwingend den Umstieg mit Primo in die gleiche
Cloudumgebung, ein eigenes Primo-Hosting entfällt
• Hat man sich für Primo als Recherchesystem entschieden, können mittelfristig
Mehrwerte aus dem Zusammenspiel der Systeme generiert werden
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Produkt Alma: Schnittstellen zu Drittsystemen
• Alma ist eingebunden in ein Systemumfeld mit zahlreichen Drittsystemen (RFID,
Kassenautomat, Finanzsysteme, Identitätsmanagement u.a.m.)
• Ex Libris hat seine Schnittstellen offengelegt, Standards sind hier unabdingbar
• Erfolgreiche Anbindung im Zusammenspiel zwischen UBs, Ex Libris und den Anbietern der
Drittsysteme
• Alle Schnittstellen zu Drittsystemen müssen im Prozess der Einführung identifiziert werden
• Teilprojekte mit Verantwortlichkeiten, Ressourcen- und bei Bedarf Budgetplanung sowie
Tests müssen aufgesetzt werden. Der Aufwand ist nicht zu unterschätzen
• Frühzeitige Absprachen mit weiteren Beteiligten (z.B. Rechenzentren) sind notwendig
• Standardschnittstellen erleichtern die Anbindung von Drittsystemen
• Vor dem Umstieg müssen zeitaufwendige Teilprojekte eingetaktet werden, um die
Anbindung fristgerecht umgesetzt zu haben
• Eigenes Budget nötig für Beauftragung von Programmierleistungen
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Gliederung
1. Alma – das Produkt
2. Einführung von Alma – das Projekt
3. Erfahrungsberichte – Alma aus der Sicht der Mitarbeiter*innen der UB der TU Berlin
4. Alma im Ökosystem der deutschsprachigen Verbundlandschaft
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Alma Projekt: Projektverlauf
• Onboarding, Kick-off
• Formulare zur Migration ausfüllen: Besonderheiten beim Mapping von MAB2 zu MARC21,
Angaben zu Drittanbietersystemen
• Testmigration in ein Alma-Pre-Production-System
• Stopp Live-System, Migration, Go-live
• Sehr hohe zeitliche Inanspruchnahme aller Projektbeteiligten, deutlich mehr als geplant
und von Ex Libris vorausgesagt
• Nur wenig Möglichkeiten zur Entlastung der Projektteams von Regelaufgaben
• Belastung am Limit und teilweise darüber hinaus, sehr hoher zeitlicher und
psychischer Druck über einen Zeitraum von 14 Monaten
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Alma Projekt: Kommunikationsstrukturen
• Regelmäßige Calls auf der Ebene der Projektleitungen mit Ex Libris
• Kommunikation mit Ex Libris über Salesforce
• Kommunikation über Salesforce: umständlich, anstrengend, ausnahmslos auf Englisch
• Direkte Absprachen mit Vor-Ort-Mitarbeitern von Ex Libris zu selten
• Projektteam von Ex Libris war mit Menge (Tausende Tickets) und Komplexitätsgrad der
Anfragen zum Teil überfordert
• Kommunikationslösungen von Ex Libris für ein Projekt dieser Größenordnung eher
nicht geeignet, mehr Vor-Ort-Termine wären hilfreich gewesen
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Alma Projekt: Schulungskonzepte
• Unterschiedliche Herangehensweise: Videos, Aufgaben, Schulungsveranstaltungen
• Schulende aus den Projektteams: hohe Vertrautheit mit Alma (aber: zusätzliche Belastung)
• Verbindliches Certification Training von Ex Libris für Systembibliothekar*innen: steile
Lernkurve
• Ex Libris überlässt das Ausrollen in die Fläche den Kunden
• Unsicherheiten bei den Schulenden: Geschäftsprozesse noch nicht abgebildet in Alma
• Schulungen für das gesamte Personal erst kurz vor Go-live sinnvoll
• Schulungsaufwand enorm, genug Zeit einplanen
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Alma Projekt: Datenschutz
• Erstellung des Sicherheitskonzeptes (Siko) große fachliche und zeitliche Herausforderung:
Durch das Engagement der Berliner UBs konnte eine Lösung erarbeitet werden, die den
kritischen Augen des Landesdatenschutzes und der behördlichen
Datenschutzbeauftragten Stand hält. Vermutlich beispielgebend für Alma Anwender.
• Hoher Aufwand für die Erstellung des Siko
• Anfangs mangelndes Verständnis bei Ex Libris für die große Bedeutung des
Datenschutzes, Überzeugungsarbeit über die Notwendigkeit des Vorgehens musste
geleistet werden
• Frühe Einbindung der behördlichen Datenschutzbeauftragten wichtig
• Berliner Alma-Siko bietet Nachnutzungspotential
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Alma Projekt: Dienstvereinbarungen mit den Personalräten
• Hohe Aufmerksamkeit auf Seiten der Personalräte für das Alma-Projekt
• Aufwand und Ertrag stehen in keinem guten Verhältnis, hoher Zeitaufwand für das
Bibliotheksmanagement bis zum Abschluss der Dienstvereinbarungen
• Erwartungen der Beschäftigten wurden enttäuscht, da sich Herausforderungen bei der
Alma Einführung nicht über Dienstvereinbarungen lösen lassen
• Frühzeitiges Einbinden der Personalräte in das Alma Projekt erforderlich,
Mitwirkung im operativen Projektablauf sehr hilfreich
• Im Ergebnis lassen sich keine Alma-spezifischen Besonderheiten in den
Dienstvereinbarungen erkennen, Potential für Enttäuschungen
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Gliederung
1. Alma – das Produkt
2. Einführung von Alma – das Projekt
3. Erfahrungsberichte – Alma aus der Sicht der Mitarbeiter*innen der UB der TU Berlin
4. Alma im Ökosystem der deutschsprachigen Verbundlandschaft
18. „Welches war im Nachhinein gesehen die größte
Herausforderung bei der Einführung von Alma?“
• „Anpassung der Workflows an Alma“
• „Workflows der einzelnen Bereiche an Alma anzupassen. Jahrelang gewohnte Arbeitsabläufe
mussten und müssen angepasst werden“
• „…dass man bei der Migration Entscheidungen treffen musste, ohne das neue System wirklich zu
kennen“
• „Planung des Personaleinsatzes, Tagesgeschäft und Projektgeschäft in starker Konkurrenz“
Empfehlung:
• Nehmen Sie die ganze Bibliothek mit auf die Alma-Reise
• Bereitschaft mitbringen, bestehende Geschäftsprozesse zu hinterfragen und zu ändern
• Alma-Kernteam komplett vom Tagesgeschäft frei stellen, sehr wichtig ist das Onboarding
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19. „Was ist die größte Veränderung in Ihrem Arbeitsalltag bei
der Arbeit mit Alma gegenüber Aleph?“
• Systemadministratoren: „dass wir Potential im neuen Bibliothekssystem Alma sehen, die in den
UBs genutzt werden könnten“
• Systemadministratoren: „Änderungen sind permanent und müssen auch permanent in die
Fachabteilungen kommuniziert werden“
• Erwerbung: „Einbindung der elektronischen Ressourcen als separates Medium, höherer
Zeitaufwand bei täglichen Prozessen“
• Benutzung: „An der Infotheke und an der Leihstelle gibt es nur wenige Veränderungen“
Empfehlung:
• Neue Rolle der SysAdmins (Alma Administration Certification) strategisch berücksichtigen
• Erwerbungsvorgänge zu Beginn deutlich zeitintensiver, Rückgang Bestellvolumen einplanen
• Aufwand für die monatlichen Releases einkalkulieren
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20. „Welche konkrete Verbesserung hat sich für Sie durch die
Arbeit mit Alma ergeben?“
• „Die E-Books können als elektronische Ressourcen verwaltet werden“
• „Die Einbindung und Abbildung der elektronischen Ressourcen“
• „In der Fernleihe besseres Monitoring der aktiven und passiven Bestellungen“
• „Ständige Veränderungen am Produkt, häufig recht zeitnahe Umsetzung von Änderungen“
Empfehlung:
• Keine hohe Erwartungshaltung aufbauen, die konkret erfahrbaren Mehrwerte sind am Anfang eher
bescheiden => Alma ist eine Investition in die Zukunft
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21. „Was ist aus Ihrer Sicht der größte Schwachpunkt von Alma?“
• „Alma hat keinen Client, sondern ist Browser-basiert. Das hat viele Vorteile aber auch den
Nachteil, dass mit den modernen Web-Engines sehr viel mehr Ressourcen auf den Rechnern vor
Ort benötigt werden“
• „Das System ist etwas überdimensioniert für Bibliotheken unserer Größenordnung“
• „Das Erstellen von Statistiken ist deutlich komplizierter geworden“
• „Schwächen in der Verwaltung von gedruckten Zeitschriften“
Empfehlung:
• Prüfen Sie die Leistungsfähigkeit der PC-Ausstattung
• Überprüfen Sie Ihre Geschäftsprozesse
• Engagieren Sie sich in der Alma Community, damit die Belange der Bibliotheken im
deutschsprachigen Raum besser berücksichtigt werden (z.B. Verwaltung von Print-Ressourcen)
• Planen Sie ein, dass Analytics-Expertise aufgebaut werden muss
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22. „Welchen konkreten Hinweis würden Sie einer Einrichtung
geben, die am Beginn der Einführung von Alma steht?“
• „Austausch mit anderen Alma-Bibliotheken, um deren Erfahrungen bei der Einführung zu nutzen“
• „Vorher noch die Daten aufräumen und ggf. an die Datenstruktur in Alma anpassen. Wichtig ist zu
überlegen, wo bei der betreffenden Bibliothek eine besondere Situation ist“
• „Ansonsten würden wir empfehlen, sich damit abzufinden, dass man in ein System migriert, das
man noch nicht wirklich kennt, und auf die Expertise von Ex Libris zu vertrauen“
• „Der Umfang des Projekts und der Arbeitsaufwand sollten nicht übertrieben aber auch nicht
beschönigt werden“
• „Kennen Sie Ihre Daten und lösen Sie sich von alten Prozessen“
Empfehlung:
• Schicken Sie das Kernteam auf Dienstreisen
• Setzen Sie ein eigenes Vorprojekt zur Datenbereinigung auf
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Gliederung
1. Alma – das Produkt
2. Einführung von Alma – das Projekt
3. Erfahrungsberichte – Alma aus der Sicht der Mitarbeiter*innen der UB der TU Berlin
4. Alma im Ökosystem der deutschsprachigen Verbundlandschaft
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Alma und die deutschsprachige Verbundlandschaft:
Anbindung Verbundkatalog
• Versorgungsschnittstelle Verbundkatalog / Alma funktioniert
• Ursprüngliches Ziel, mit Alma im Verbundkatalog zu katalogisieren, musste aufgegeben
werden
• Die Katalogisierung erfolgt außerhalb der ALMA-Welt in einem Aleph-Client
• Versorgungsschnittstelle ist im Regelbetrieb
• Manueller Aufwand für Nacharbeiten entspricht dem Level aus Aleph-Zeiten
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Alma und die deutschsprachige Verbundlandschaft:
Gemeinsame Normdatei GND
• GND ist in die Community Zone von Alma integriert
• Nummernverknüpfungen zur GND funktionieren
• Anreicherung mit Verweisungsformen beim Export nach Primo nach Anlaufschwierigkeiten
jetzt umgesetzt
• Bislang keine Bearbeitungsmöglichkeiten in der GND aus Alma
• Einbindung der GND in die Alma Welt bislang nur in Ansätzen erfolgt
• Fortschritte bei der Recherche nach Verweisungsformen in Primo
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Alma und die deutschsprachige Verbundlandschaft:
Elektronische Zeitschriftenbibliothek EZB
• EZB enthält alle Bestandsinformationen von umfassenden Verträgen (National, Allianz-,
Bundes- und Konsortiallizenzen) für elektronische Zeitschriften. Im Zusammenwirken von
EZB, Alma-Bibliotheken und Ex Libris wurden ein Weg definiert, wie diese
Bestandsinformationen in die bestehende Struktur der CKB in der Community Zone
regelmässig übertragen werden
• Einige Problemfelder sind identifiziert, z.B. abweichende Split-Regelungen EZB vs. ZDB
• EZB-Einbindung in Alma ist auf einem guten Weg
• Mit der Einbindung von National- und Allianzlizenzen bestehen große Potentiale
in der Verwaltung elektronischer Ressourcen
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Alma und die deutschsprachige Verbundlandschaft:
Zeitschriftendatenbank ZDB
• Projekt mit vielen Beteiligten, Erkenntnisse und Workflows können nachgenutzt werden
• Primärkatalogisierung in ALMA realisiert mit entsprechenden Updates
• ZDB wurde zwar als deutsche „Sonderlocke“ identifiziert
• MARC-Datensatzstruktur und damit ALMA-Konzeption passt nicht zur ZDB-Konzeption,
daher viel Aufwand notwendig
• Es gab 2 Jahre Verzögerung bis zur Implementierung
• ZDB bleibt ein Fremdkörper im Alma Universum
• Konstrukt ZDB muss kritisch hinterfragt werden