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ADHS
im Kindesalter -
Diagnostik,
Behandlung,
Prävention
Magdeburger Elternwerkstatt
9.6.2015
Dr. Wolfgang Pilz
Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut
MAPP-Institut
2
Welche psychischen Störungen kommen bei Kindern
vor?
Angststörungen
Dissozial-aggressive Störungen
Depressive Störungen
Essstörungen
Hyperkinetische Störungen
Tics und Stereotypien
Einnässen und Einkoten
Entwicklungsstörungen
Häufig Komorbidität
3
6-Monatsprävalenz in der internationalen Forschung
(Europa, Nordamerika, Neuseeland): 15-22%
(Ihle / Esser 2002)
„Folgt man konservativen Störungen, dann kann davon
ausgegangen werden, dass ca. 5% der Kinder und
Jugendlichen zu einem gegebenen Stichtag aufgrund
psychischer Störungen als dringend behandlungs-
bedürftig einzuschätzen sind.“
(Ihle / Frenzel / Esser 2006)
Wie häufig sind psychische Störungen bei Kindern?
4
Welche Kinder werden psychisch krank?
Risikofaktorenforschung (Beispiele):
Niedriger sozialer Status bzgl. Armut, Bildung
Niedrige Intelligenz
Chronische Erkrankungen
Fehlen eines Elternteiles
Psychische / körperliche Erkrankungen der Eltern
Prä-, peri- und postnatale Schädigungen
Kritische Lebensereignisse (Unfälle, Tod)
5
… und außerdem:
Verstrickte Beziehungskonstellationen, fehlende Bindung,
Kommunikationsprobleme, schwierige Temperamente ....
6
Die Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung
zählt zu den häufigsten Erkrankungen im Kindes-
und Jugendalter.
In Deutschland ca. 5-6 % Prävalenzrate bei Kindern
und Jugendlichen laut KiGGS-Studie.
Die verordnete Menge von Methylphenidat hat sich in
den letzten zwei Jahrzehnten verfünfzigfacht.
7
2009 2010 2011 2012
4.700
4.800
4.900
5.000
5.100
5.200
5.300
5.400
5.500
2009
2010
2011
2012
Versichertenentwicklung AOK SAN mit Diagnose ADHS
Jahr
AnzahlVersicherter
8
0
50
100
150
200
250
300
350
400
2003 2005 2007 2009 2012
Tagestherapiedosen Methylphenidat AOK SAN in 1000
9
10
Kernforderungen für die Diagnose nach ICD-10
(WHO)
Trias aus Aufmerksamkeitsstörung, Hyperkinese (?) und
Impulsivität
Beginn vor 7. Lebensjahr
Auffälligkeiten mehr als ½ Jahr
Mindestens zwei Bereiche betroffen
Klinisch bedeutsame Beeinträchtigung
Beachte: keine Subtypen im ICD-10 vorgesehen,
dagegen DSM-IV: Mischtyp, vorwiegend
unaufmerksam, vorwiegend hyperaktiv-impulsiv
11
13
14
Erklärungsmodelle
Dopaminmangelhypothese (Beleg:
Medikamentengabe)
Exekutives Defizit: Schwierigkeit, Reaktionen zu
unterdrücken (Inhibition), prägender motivationaler
Stil (Beleg: EEG)
Biopsychosoziales Modell: genetische Disposition im
Neurotransmitterstoffwechsel führt zu exekutiven
und motivationalen Dysfunktionen – negativer
Einfluss auf Interaktionen; Psychosoziale
Bedingungen beeinflussen Schweregrad.
Säkulare Effekte? Gesellschaftliche
Rahmenbedingungen?
15
16
17
Ist ADHS eine Krankheit?
Das Psychische ist weit stärker als das Körperliche
auch kulturell vermittelt, psychische Krankheiten
hängen stärker von sozialen und kulturellen
Zusammenhängen ab. Der Krankheitsbegriff im
Bereich des Psychischen ist anders
Jede Zeit hat ihre Krankheiten - „ADHS“ ist eine für
unsere Zeit und Gesellschaft typische, bezeichnende
Störung und beschreibt wahrnehmbare Phänomene
mit vielfältigen Zusammenhängen
Die Gehirnreifungsverzögerung ist mit modernen
bildgebenden Verfahren nachweisbar, kann allerdings
vielfältige Gründe haben (u. a. Bindungsentwicklung,
Trauma, chronischer Stress, Anpassungsstörung).
18
Was beeinflusst Konzentration?
Zum Beispiel ...

Körperliches Befinden

Ernährung und Schlaf

Tagesverlauf

Umgebungsbedingungen

Über- oder Unterforderung

Fehlendes Wissen, fehlende Fertigkeiten

Persönlicher Arbeitsstil

Interessen, Motivation

Wünsche, Ziele

Ängste, Befürchtungen

Persönliche Probleme

Belastungsgrad

Einstellung / Anforderungen der sozialen Umwelt
19
20
Was wäre zu bedenken?
Leistungsdiagnostik ist obligatorisch – will ich das?
Möchte ich den Gesamt-IQ meines Kindes wissen?
Wird meine unbefangene Sichtweise auf mein Kind
dadurch verstellt?
Rückschluss aus standardisierter Diagnostik auf den
Alltag ist oft nicht hinreichend und hängt extrem stark
vom gewählten Verfahren ab.
Eine Diagnose kann Möglichkeiten der Hilfe eröffnen,
aber auch Stigma werden und Wege verstellen.
21
Was wäre zu bedenken?
Binsenweisheiten, die manchmal vergessen werden:
• Alle Kinder sind (trotz Inklusion und Partizipation)
verschieden
• Die Entwicklung von Kindern ist im Regelfall
diskontinuierlich
• Erziehung / Unterricht ist oft anstrengend und
Konflikte sind dabei unvermeidlich
• Ort und Zeit haben Einfluss auf jede Symptomatik
• Im Sport gilt Doping als unfair
22
Einige Kriterien, externe Hilfe zu suchen:
Schulische Leistungsprobleme, die andauern und das
schulische Fortkommen bedrohen
Symptome, die zu einer deutlichen Beeinträchtigung der
Interaktion mit Bezugspersonen führen
Drohende soziale Isolierung durch Konflikte mit anderen
Kindern und Verlust von Freundschaften
Frühes und erhebliches dissoziales Verhalten (z. B.
Sachbeschädigungen, Verletzungen anderer)
Emotionale Belastung des Kindes und deutliche
Beeinträchtigung seiner Lebensqualität
Zusätzliche belastende Lebensereignisse im Leben
eines bislang nur gering Betroffenen
23
Welche therapeutischen Hilfestellungen gibt
es?
• Training von Aufmerksamkeit, insbesondere bzgl.
geteilter Aufmerksamkeit und Unablenkbarkeit
(selektive Aufmerksamkeit)
• Soziale Kompetenzen erweitern durch Rollenspiele
und Videofeedback
• Einüben strukturierter Abläufe durch
Punkteprogramme, vorzugsweise soziale Verstärker
und eigene Zielsetzungen
• Verbesserung der Interaktion mit den
Bezugspersonen durch Video-Interaktionstraining
• Beratung von Lehrern (Sitzordnung, Arbeitshilfen,
Auszeiten, Dosierung von Anforderungen)
24
25
Was kann ich für mein Kind tun?
Zum Beispiel ...
- Überprüfung Ernährungsgewohnheiten
(Feingold-Diät)
- Einschränkungen elektronischen Konsums
(Spitzer: Digitale Demenz)
- Für körperliche Bewegung sorgen
- Selbstinstruktion einüben
- Selbstwertgefühl stärken durch Blick auf Positives
- Aushalten negativer Gefühle lernen
- Aktives Zuhören, Evaluieren von Gefühlen
- Regeln festlegen und dabei Wichtiges von weniger
Wichtigem unterscheiden
26
27
Warum behandeln?
(Gesundheitsökonom Schlander 2011)
- ADHS scheint unbehandelt ins Erwachsenenalter
fortzubestehen (Persönlichkeitsstörungen?)
- Erhebliche gesamtgesellschaftliche Folgekosten durch
- Psychische Erkrankungen der Angehörigen
- Später: wechselnde und prekäre
Arbeitsverhältnisse
- Beziehungsbrüche
- Unfälle
- Arbeitslosigkeit
- Erziehungsschwierigkeiten
28
29
Umschriebene Entwicklungsstörungen als
psychische Störungen
- Dyskalkulie
- Lese-Rechtschreibschwäche
(- Entwicklungsstörung motorischer Funktionen)
WHO-Definition: Diskrepanzmodell
– Teilleistung selbst ist unterdurchschnittlich
– Teilleistung weicht vom IQ um 1,5
Standardabweichungen ab
– Es besteht Leidensdruck
– Schulische Hilfestellungen sind
ausgeschöpft
– Gegebenenfalls kann eine psychische
Behinderung gemäß §35a KJHG drohen
30
Danke für Ihr Kommen und
Ihre Aufmerksamkeit!

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Oct08 Burnout
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ADHS090615

  • 1. 1 ADHS im Kindesalter - Diagnostik, Behandlung, Prävention Magdeburger Elternwerkstatt 9.6.2015 Dr. Wolfgang Pilz Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut MAPP-Institut
  • 2. 2 Welche psychischen Störungen kommen bei Kindern vor? Angststörungen Dissozial-aggressive Störungen Depressive Störungen Essstörungen Hyperkinetische Störungen Tics und Stereotypien Einnässen und Einkoten Entwicklungsstörungen Häufig Komorbidität
  • 3. 3 6-Monatsprävalenz in der internationalen Forschung (Europa, Nordamerika, Neuseeland): 15-22% (Ihle / Esser 2002) „Folgt man konservativen Störungen, dann kann davon ausgegangen werden, dass ca. 5% der Kinder und Jugendlichen zu einem gegebenen Stichtag aufgrund psychischer Störungen als dringend behandlungs- bedürftig einzuschätzen sind.“ (Ihle / Frenzel / Esser 2006) Wie häufig sind psychische Störungen bei Kindern?
  • 4. 4 Welche Kinder werden psychisch krank? Risikofaktorenforschung (Beispiele): Niedriger sozialer Status bzgl. Armut, Bildung Niedrige Intelligenz Chronische Erkrankungen Fehlen eines Elternteiles Psychische / körperliche Erkrankungen der Eltern Prä-, peri- und postnatale Schädigungen Kritische Lebensereignisse (Unfälle, Tod)
  • 5. 5 … und außerdem: Verstrickte Beziehungskonstellationen, fehlende Bindung, Kommunikationsprobleme, schwierige Temperamente ....
  • 6. 6 Die Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung zählt zu den häufigsten Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. In Deutschland ca. 5-6 % Prävalenzrate bei Kindern und Jugendlichen laut KiGGS-Studie. Die verordnete Menge von Methylphenidat hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten verfünfzigfacht.
  • 7. 7 2009 2010 2011 2012 4.700 4.800 4.900 5.000 5.100 5.200 5.300 5.400 5.500 2009 2010 2011 2012 Versichertenentwicklung AOK SAN mit Diagnose ADHS Jahr AnzahlVersicherter
  • 8. 8 0 50 100 150 200 250 300 350 400 2003 2005 2007 2009 2012 Tagestherapiedosen Methylphenidat AOK SAN in 1000
  • 9. 9
  • 10. 10 Kernforderungen für die Diagnose nach ICD-10 (WHO) Trias aus Aufmerksamkeitsstörung, Hyperkinese (?) und Impulsivität Beginn vor 7. Lebensjahr Auffälligkeiten mehr als ½ Jahr Mindestens zwei Bereiche betroffen Klinisch bedeutsame Beeinträchtigung Beachte: keine Subtypen im ICD-10 vorgesehen, dagegen DSM-IV: Mischtyp, vorwiegend unaufmerksam, vorwiegend hyperaktiv-impulsiv
  • 11. 11
  • 12.
  • 13. 13
  • 14. 14 Erklärungsmodelle Dopaminmangelhypothese (Beleg: Medikamentengabe) Exekutives Defizit: Schwierigkeit, Reaktionen zu unterdrücken (Inhibition), prägender motivationaler Stil (Beleg: EEG) Biopsychosoziales Modell: genetische Disposition im Neurotransmitterstoffwechsel führt zu exekutiven und motivationalen Dysfunktionen – negativer Einfluss auf Interaktionen; Psychosoziale Bedingungen beeinflussen Schweregrad. Säkulare Effekte? Gesellschaftliche Rahmenbedingungen?
  • 15. 15
  • 16. 16
  • 17. 17 Ist ADHS eine Krankheit? Das Psychische ist weit stärker als das Körperliche auch kulturell vermittelt, psychische Krankheiten hängen stärker von sozialen und kulturellen Zusammenhängen ab. Der Krankheitsbegriff im Bereich des Psychischen ist anders Jede Zeit hat ihre Krankheiten - „ADHS“ ist eine für unsere Zeit und Gesellschaft typische, bezeichnende Störung und beschreibt wahrnehmbare Phänomene mit vielfältigen Zusammenhängen Die Gehirnreifungsverzögerung ist mit modernen bildgebenden Verfahren nachweisbar, kann allerdings vielfältige Gründe haben (u. a. Bindungsentwicklung, Trauma, chronischer Stress, Anpassungsstörung).
  • 18. 18 Was beeinflusst Konzentration? Zum Beispiel ...  Körperliches Befinden  Ernährung und Schlaf  Tagesverlauf  Umgebungsbedingungen  Über- oder Unterforderung  Fehlendes Wissen, fehlende Fertigkeiten  Persönlicher Arbeitsstil  Interessen, Motivation  Wünsche, Ziele  Ängste, Befürchtungen  Persönliche Probleme  Belastungsgrad  Einstellung / Anforderungen der sozialen Umwelt
  • 19. 19
  • 20. 20 Was wäre zu bedenken? Leistungsdiagnostik ist obligatorisch – will ich das? Möchte ich den Gesamt-IQ meines Kindes wissen? Wird meine unbefangene Sichtweise auf mein Kind dadurch verstellt? Rückschluss aus standardisierter Diagnostik auf den Alltag ist oft nicht hinreichend und hängt extrem stark vom gewählten Verfahren ab. Eine Diagnose kann Möglichkeiten der Hilfe eröffnen, aber auch Stigma werden und Wege verstellen.
  • 21. 21 Was wäre zu bedenken? Binsenweisheiten, die manchmal vergessen werden: • Alle Kinder sind (trotz Inklusion und Partizipation) verschieden • Die Entwicklung von Kindern ist im Regelfall diskontinuierlich • Erziehung / Unterricht ist oft anstrengend und Konflikte sind dabei unvermeidlich • Ort und Zeit haben Einfluss auf jede Symptomatik • Im Sport gilt Doping als unfair
  • 22. 22 Einige Kriterien, externe Hilfe zu suchen: Schulische Leistungsprobleme, die andauern und das schulische Fortkommen bedrohen Symptome, die zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Interaktion mit Bezugspersonen führen Drohende soziale Isolierung durch Konflikte mit anderen Kindern und Verlust von Freundschaften Frühes und erhebliches dissoziales Verhalten (z. B. Sachbeschädigungen, Verletzungen anderer) Emotionale Belastung des Kindes und deutliche Beeinträchtigung seiner Lebensqualität Zusätzliche belastende Lebensereignisse im Leben eines bislang nur gering Betroffenen
  • 23. 23 Welche therapeutischen Hilfestellungen gibt es? • Training von Aufmerksamkeit, insbesondere bzgl. geteilter Aufmerksamkeit und Unablenkbarkeit (selektive Aufmerksamkeit) • Soziale Kompetenzen erweitern durch Rollenspiele und Videofeedback • Einüben strukturierter Abläufe durch Punkteprogramme, vorzugsweise soziale Verstärker und eigene Zielsetzungen • Verbesserung der Interaktion mit den Bezugspersonen durch Video-Interaktionstraining • Beratung von Lehrern (Sitzordnung, Arbeitshilfen, Auszeiten, Dosierung von Anforderungen)
  • 24. 24
  • 25. 25 Was kann ich für mein Kind tun? Zum Beispiel ... - Überprüfung Ernährungsgewohnheiten (Feingold-Diät) - Einschränkungen elektronischen Konsums (Spitzer: Digitale Demenz) - Für körperliche Bewegung sorgen - Selbstinstruktion einüben - Selbstwertgefühl stärken durch Blick auf Positives - Aushalten negativer Gefühle lernen - Aktives Zuhören, Evaluieren von Gefühlen - Regeln festlegen und dabei Wichtiges von weniger Wichtigem unterscheiden
  • 26. 26
  • 27. 27 Warum behandeln? (Gesundheitsökonom Schlander 2011) - ADHS scheint unbehandelt ins Erwachsenenalter fortzubestehen (Persönlichkeitsstörungen?) - Erhebliche gesamtgesellschaftliche Folgekosten durch - Psychische Erkrankungen der Angehörigen - Später: wechselnde und prekäre Arbeitsverhältnisse - Beziehungsbrüche - Unfälle - Arbeitslosigkeit - Erziehungsschwierigkeiten
  • 28. 28
  • 29. 29 Umschriebene Entwicklungsstörungen als psychische Störungen - Dyskalkulie - Lese-Rechtschreibschwäche (- Entwicklungsstörung motorischer Funktionen) WHO-Definition: Diskrepanzmodell – Teilleistung selbst ist unterdurchschnittlich – Teilleistung weicht vom IQ um 1,5 Standardabweichungen ab – Es besteht Leidensdruck – Schulische Hilfestellungen sind ausgeschöpft – Gegebenenfalls kann eine psychische Behinderung gemäß §35a KJHG drohen
  • 30. 30 Danke für Ihr Kommen und Ihre Aufmerksamkeit!