Vortrag "Transparenz in der Zusammenarbeit mit der Industrie aus Sicht der Patienten", gehalten auf der Deutschen KrebsKonferenz 2016 am 26.2.2016 in Berlin.
Similarities and differences between Rare Cancers and Rare Diseases
Transparenz in der Zusammenarbeit mit der Industrie aus Sicht der Patienten (DKK2016, Jan Geissler)
1. Transparenz in der
Zusammenarbeit mit der
Industrie aus Sicht der
Patienten
Berlin, 27.02.2016
Jan Geißler
Geschäftsführer European Patients’ Academy on Therapeutic Innovation (EUPATI)
Mit-Gründer leukaemie-online.de / CML Advocates Network / Leukemia Patient Advocates
Foundation / European Cancer Patient Coalition
jan@patientsacademy.eu
2. Patientenorganisationen:
Von „Selbsthilfe“ zum Vertreter und Partner
"Klassische" Selbsthilfe
Informieren, helfen, unterstützen,
navigieren
Patientenvertretung
Bessere Gesundheitspolitik, Versorgung,
Forschung
Mitwirkung in der Forschung
In Partnerschaft mit Forschung, Klinik
und Industrie
3. Die Zusammenarbeit zwischen allen
Akteuren ist essentiell
Die Herausforderungen für Patienten erfordern die
Zusammenarbeit ausnahmslos zwischen allen Akteuren:
• Ärzten
• Klinischen Forschern
• Wissenschaftlern
• Patienten
• Behörden
• Öffentlichen Förderern und Stiftungen
• Industrie
Jede Partei hat Interessen.
Die Beziehung ist fragil, dynamisch, unkomfortabel,
ambitioniert und (hoffentlich) lösungsorientiert
4. >200 Krebsarten, >5200 seltene Erkrankungen:
Arzneimittelentwicklung darf nicht im
Elfenbeinturm stattfinden
Struktur
der DNA
Restriction
enzymes
DNA
Sequen-
zierung
Rekombinante
DNA
Human-
insulin
Dolly
das Schaf
Human
genome v1Meilensteine
Quelle: Nature – How to improve R&D productivity: the pharmaceutical industry's grand challenge
Gesamttrend in R&D-Effizienz (inflationsbereinigt)
AnzahlArzneimittelproMilliardeUSDR&D-Ausgaben
FDA verstärkt
Regulierung
nach Thalidomid
FDA arbeitet
Rückstand nach
PDUFA Regulierung und
einiger HIV-Arzneimittel auf
Erste Welle
biotechbasierter
Therapien
5. Vermeidbare Verschwendung in der Produktion
und Nutzung von Forschungsergebnissen
Iain Chalmers, Paul Glasziou, The Lancet, 15 June 2009, doi:10.1016/S0140-6736(09)60329-9
>30% der Studien-
interventionen nicht
hinreichend beschrieben
>50% der geplanten
Studien-Outcomes nicht
veröffentlicht
Die meisten neue
Forschungsprojekte nicht
interpretiert im Kontext von
systematischer Prüfung
von anderer relevanter
Evidenz
Unverzerrte
und nutzbare
Publikation?
85% Verschwendung in der Forschung = >$85 Mrd./Jahr
Niedrigprioritäre
Fragestellungen
adressiert
Wichtige Outcomes
nicht adressiert
Kliniker und Patienten
nicht involviert in
Definition der
Forschungstätigkeit
Fragen
relevant für
Kliniker &
Patienten?
>50% der Studien
designed ohne Referenz
zu systematischer
Bewertung existierender
Evidenz
>50% der Studien ohne
adequate Schritte zur
Vermeidung von
Verzerrungen, z.B. offene
Therapiewahl
Angemessenes
Design und
Methoden?
>50% der Studien niemals
vollständig veröffentlicht
Verfälschtes
Underreporting von
Studien mit
enttäuschenden
Ergebnissen
Zugängliche
vollständige
Publikation?
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6. Grundprinzipien und Werte
- und die Codes
Transparenz, Unabhängigkeit und
Autonomie, gegenseitiger Respekt,
Verlässlichkeit und Partnerschaft auf
Augenhöhe
Viele Leitlinien und Codes versuchen
diese zu definieren,
aber Schwerpunkte häufig
unterschiedlich
7. Grundregeln zur Transparenz
und Unabhängigkeit
Regeln der Zusammenarbeit mit allen Akteuren:
zur finanziellen Transparenz
• Schriftliche Vereinbarungen
(Grundlage der Zusammenarbeit, Art der Förderung)
• Regeln zur Veröffentlichung der Unterstützung
(Web, Jahresberichte)
zur Bewahrung der Unabhängigkeit
• Unabhängigkeit bei Entscheidungsfindung
• Eigenverantwortlichkeit für Inhalte, Qualität, wissenschaftliche
Integrität von Inhalten, Veröffentlichungen, Veranstaltungen
• Regeln zur Verwendung des Logos der Organisation
• Verbot der Empfehlung von Produkten
8. Grundregeln für Reputation
und Glaubwürdigkeit
Kein Kompromiss bzgl der Kernwerte Unabhängigkeit,
Integrität und Transparenz
Zu wissen, wann man NEIN sagt
Lernen, Teilen und Professionalisierung
statt Bevormundung
Diversifizierung der Fundingquellen, so dass nie
Abhängigkeit von EINEM öffentlichen oder privaten
Sponsor besteht
Kodex für die Zusammenarbeit mit der Industrie nutzen
oder entwickeln
Finanzielle und inhaltliche Rechenschaftsberichte
9. Checkliste für die Zusammenarbeit
von Patientenorgs mit der Industrie
Bei Unsicherheitsgefühl, ob etwas ethisch ist, ist es das
vermutlich nicht. Was sich grenzwertig anfühlt besser lassen
Klar sein, wo gemeinsame und wo divergierende
Interessen bestehen
Verantwortung für Inhalte übernehmen
Zusammenarbeit klar kommunizieren
Auf Partnerschaft auf Augenhöhe bestehen –
Patientenorganisationen haben einzigartige Expertise,
Wissen, Erfahrung
Jede Aktivität sollte öffentlicher Beobachtung Stand halten
– nicht nur Fakten, sondern auch Wahrnehmung
Transparenz, aber nicht (juristische) Tyrannei
10. Zusammenfassung
Patientenorganisationen sind professionelle
Organisationen in Selbsthilfe, Politik und Forschung
Zusammenarbeit mit der Industrie ist in vielen Bereichen
erforderlich und wichtig
Patientenorganisationen brauchen Glaubwürdigkeit,
Kollaboration und Finanzmittel, keine Bevormundung
Jede Partei hat Interessen, nicht nur die Industrie.
Transparenz, klare Regeln und ethisches Handeln sind
essentiell.