2010 - C.N.P.A.S. Accidente de Muncă şi Boli Profesionale
2011 - Aktivitäten im Zusammenhang mit der Verbesserung der Umsetzung der Koordinierungsvorschriften
1. Dr. Bernd Schulte
Marbachstraße 15 A
D-81369 München
Tel.: ++49 (0) 89 – 760 57 91
(Mobil: ++49 (0) 179 – 59 38 596)
E-Mail: dr.bernd.schulte@t-online.de
“Training and Reporting on European Social Security” (TRESS)
Deutsch-Polnisches Seminar
Hotel Kyriad Prestige, „Saal Symfonia”
Warschau, Towarowa Straße 2
17. Juni 2011, 8.30 – 16.00 Uhr
Aktivitäten im Zusammenhang mit der Verbesserung
der Umsetzung der Koordinierungsvorschriften
– Einführung –
1. Danksagungen
− Europäische Kommission, vertreten durch Herrn Tagger
− TRESS-Netzwerk, vertreten durch Herrn Dr. Felten
− Kooperationspartner: Prof. Gertruda Uścińska u. a.
− Sprecher, Diskutanten und sonstige Teilnehmer
− Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg, die sich bereit erklärt hatte,
ein deutsch-polnisches TRESS-Seminar in Frankfurt/Oder zu unterstützen (Herr
Breyer)
2. Anstoß für das Seminar
− Teilnahme als TRESS-Vertreter an dem Polnischen TRESS-Seminar
”Co-ordination of Social Security Schemes: New Regulation (EC) 883/2004”,
Warsaw, 3 December 2010, Social Insurance Institution (ZUS), Conference Hall,
Szamocka Street, 3 – 5
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2. − Eine der Lehren, die aus diesem Seminar gezogen worden sind, war der Wunsch
nach einem Ausbau der bilateralen Kontakte zwischen Polen und den EU-
Staaten, mit denen die meisten Berührungspunkte im Bereich der Koordinierung
der Systeme der sozialen Sicherheit bestehen, insbesondere mit Deutschland
− Hinweis auf die beiden erfolgreichen bilateralen deutsch-österreichischen
TRESS-Seminare in München und Salzburg
3. Rückblick auf die deutsch-polnischen Sozialrechtsbeziehungen
− 1970: Warschauer Vertrag
− 1975: Deutsch-Polnisches Abkommen über Renten- und Sozialversicherung
− In der Folgezeit: Tätigkeit polnischer Werkvertragsarbeitnehmer in Deutschland
− 1997: Politischer „Startschuss“ zur Vorbereitung des Beitritts mittel- und osteuro-
päischer Staaten einschließlich Polens zur Europäischen Union
− Europa-Abkommen (exemplarisch: Abkommen mit Polen)
4. Diskussion in Deutschland über die sog. „Osterweiterung“ der Europäischen
Union und die Zukunft des Sozialstaats
− Befürchtungen vor einer „Masseneinwanderung“ Arbeitsuchender aus den mittel-
und osteuropäischen Beitrittsstaaten zur Europäischen Union einschließlich
Polens in den deutschen Arbeitsmarkt und das deutsche Sozialleistungssystem
− Diskussion über die Einführung des sog. „Heimatprinzips“ im Hinblick auf Zu-
wanderer aus den MOE-Staaten anstelle des Wohnsitzprinzips in Bezug auf
bestimmte Sozialleistungen (namentlich Sozialhilfeleistungen) und angesichts
der Unvereinbarkeit dieser Regelung mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht
Einschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit für eine Übergangszeit
5. Entwicklung seit dem EU-Beitritt Polens
− 16.4.2003: Unterzeichnung des Beitrittsvertrages
− 1.5.2004: Beitritt Polens zur Europäischen Union (und sieben weiterer MOE-
Staaten, Malta und Zypern)
− Aussetzung der Arbeitnehmerfreizügigkeit im Hinblick auf die Bundesrepublik
Deutschland und die mittel- und osteuropäischen Beitrittsstaaten einschließlich
Polens wegen Befürchtungen im Hinblick auf eine Belastung des deutschen
Arbeitsmarktes und des deutschen Sozialleistungssystems
− 1.12.2009: Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon (anstelle des gescheiterten
„Vertrags über eine Verfassung für Europa“)
− Änderungen des Vertrags über die Europäische Union (EUV) und des Vertrags
über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV), der zugleich in
Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) umbenannt
worden ist
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3. − Wichtig für die Europäische Sozialrechtskoordinierung die Ersetzung des Ein-
stimmigkeitsprinzips durch das Mehrheitsprinzip im Rahmen des sog. ordent-
lichen Gesetzgebungsverfahrens von Rat und Europäischem Parlament, einge-
schränkt durch ein „qualifiziertes Vetorecht“ zugunsten der Mitgliedstaaten in
Art. 48 AEUV sowie damit einhergehend im Ergebnis eine Erleichterung der
Rechtsetzung im Bereich des Europäischen Koordinierungsrechts.
− 1.5.2010: Wirksamwerden der neuen Verordnungen (EG) Nrn. 883/2004 und
987/2009, die für ihren Anwendungsbereich an die Stelle der Verordnungen
(EWG) Nrn. 1408/71 und 574/72 getreten sind (wobei letztere Verordnungen
gegenüber Drittstaatsangehörigen sowie im Hinblick auf die nicht EU-angehöri-
gen Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) Island, Liechten-
stein und Norwegen sowie im Hinblick auf die durch Freizügigkeitsabkommen mit
der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten in die Sozialrechts-
koordinierung einbezogene Schweiz weiterhin anwendbar sind).
− 1.5.2011: Uneingeschränkte Freizügigkeit in Deutschland auch für die acht im
Jahre 2004 der Europäischen Union beigetretenen mittel- und osteuropäischen
Staaten einschließlich Polens.
6. Aktuelle Probleme
a) Arbeitnehmerfreizügigkeit
Soweit ersichtlich aufgrund der Erfahrungen in den ersten sechs Wochen seit
Bestehen der uneingeschränkten Freizügigkeit hat es keine „Zuwanderungs-
welle“ aus den MOE-Staaten und insbesondere auch aus Polen gegeben, wie
dies z. T. Ende der 1990er Jahre/Anfang des neuen Millenniums und insbeson-
dere auch im Beitrittsjahr 2004 in Deutschland befürchtet worden war. Sowohl
deutsche als auch polnische Prognosen lassen auch für die Zukunft keine
Einwanderungswelle erwarten.
Angesichts der Sozialversicherungs- und damit insbesondere auch Beitrags-
pflichtigkeit der abhängigen Beschäftigung in Deutschland mag es eingedenk der
geringeren Beitragsbelastung der abhängigen Beschäftigung in Polen auch
künftig attraktiv sein, die Beitragspflicht zur Sozialversicherung in Deutschland zu
umgehen.
Auch illegale Beschäftigung und Scheinselbstständigkeit mögen als Erschei-
nungsformen der Beschäftigung EU-ausländischer Unionsbürger in Deutschland
auch künftig noch anzutreffen sein. Dies gilt insbesondere für den Pflegesektor,
wo die Zahl der in einer rechtlichen „Grauzone“ Tätigen auf zwischen 100.000
und 300.000 Personen geschätzt wird.
Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die koordinations-
rechtliche Regelung der Leistungen bei Arbeitslosigkeit, die nach wie vor im
Wesentlichen auf die Gewährung von Geldleistungen abgestimmt ist, hingegen
die in den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten in jüngster Zeit ver-
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4. stärkt eingeführten Aktivierungsmaßnahmen weitestgehend unberücksichtigt sind
(Prof. Dr. Maximilian Fuchs).
b) Verordnungen (EG) 883/04 und 987/09: Übergangsvorschriften
Komplexes und kompliziertes Mit- und Nebeneinander der Verordnungen (EG)
Nrn. 883/04 und 987/09 sowie (EWG) Nrn. 1408/71 und 574/72 (Herr Horn)
c) Saisonarbeiter
Saisonarbeiter sind insbesondere in der Landwirtschaft, „auf dem Bau“ und im
Tourismus tätig und werfen dann Fragen auf nach dem zuständigen Staat für die
Versicherung des betroffenen Personenkreises. (Im Jahre 2005 lag der Anteil
von Polen an den mittel- und osteuropäischen Saisonarbeitskräften in der
deutschen Landwirtschaft dem Vernehmen nach bei über 90 v. H. Seinerzeit und
auch heute stellt sich die Frage, inwieweit Polen oder Deutschland für die Sozial-
versicherung dieses Personenkreises zuständig ist.)
Nach wie vor fehlt eine Rechtsgrundlage für die Tätigkeit von Saisonarbeits-
kräften, namentlich in der Landwirtschaft, dem Baugewerbe und dem Tourismus-
bereich.
Eine Richtlinie wird seit dem Jahre 2005 erarbeitet.
d) Entsendung
Auch die Arbeitnehmerentsendung, die durch die Verordnung 883/2004 u. a.
dergestalt geändert worden ist, dass der regelmäßige Entsendezeitraum zwei
Jahre beträgt (während nach der Verordnung 1408/71 der Entsendezeitraum bei
einem Jahr mit einer weiteren 1-jährigen Verlängerungsmöglichkeit liegt), wirft
Probleme auf.
e) Dienstleistungsfreiheit
Gemäß Art. 56 AEUV können Dienstleister aus den EU-Staaten ihre Leistungen
auch in anderen Mitgliedstaaten anbieten und erbringen.
Davon wird in zunehmendem Maße im Gesundheitswesen sowie im Pflege-
bereich Gebrauch gemacht, nachdem der Europäische Gerichtshof in seiner
„Decker/Kohll et seq.“-Judikatur klargestellt hat, dass die Dienstleistungsfreiheit
auch für die ambulante wie stationäre Erbringung („aktive Dienstleistungsfreiheit“)
und Inanspruchnahme („passive Dienstleistungsfreiheit“) von Gesundheits- und
Pflegeleistungen gilt.
In diesem Zusammenhang ist auf die große Bedeutung der Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofes für die Fortentwicklung des Europäischen Rechts
überhaupt und für diejenige des Europäischen Koordinierungsrechts im Beson-
deren hinzuweisen (Herr Dr. Schuler)
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5. f) Grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung
Durch die im Jahre 2011 in Kraft getretene Patientenrechte-Richtlinie, die jetzt
von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden muss, ist die vorstehend ange-
sprochene Judikatur des Europäischen Gerichtshofs zur grenzüberschreitenden
Erbringung und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen kodifiziert worden
(Frau Hernekamp). Die Haltung der deutschen und polnischen Seite zu dieser
Richtlinie ist angesichts des Umstandes, dass insbesondere von polnischer Seite
entsprechende Leistungen im Nachbarland nachgefragt werden, aufgrund der
sich daraus ergebenden sehr divergenten Interessenlagen sehr unterschiedlich
und deshalb diskussionswürdig und -bedürftig.
Hier sind die praktischen Probleme der Kooperation zwischen den beteiligten
Staaten, ihren Ministerien, Sozialleistungsträgern und –erbringern und sonstigen
betroffenen Stellen zu erörtern (Frau Aupperle, Herr Rydzewski).
g) Leistungen bei Pflegebedürftigkeit
Die neue Verordnung 883/04 sieht in Art. 34 eine Vorschrift vor, die sich mit dem
Zusammentreffen von Pflegesach- und –geldleistungen befasst.
Es stellt sich hier die Frage, ob nicht für die Leistungen bei Pflegebedürftigkeit
künftig eine ausführliche Regelung in der Verordnung erforderlich ist. (Dieses
Thema ist Gegenstand einer Untersuchung, die vom TRESS-Think Tank unter-
sucht wird.)
h) Judikatur des Europäischen Gerichtshofs
Auf die Rolle des Europäischen Gerichtshofs für die Fortentwicklung des Euro-
päischen Sozialrechts ist bereits aus Anlass der grenzüberschreitenden Erbrin-
gung und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen – „Decker/Kohll et seq.“-
Rechtsprechung seit 1998 – hingewiesen worden.
Die deutsche Sozialgerichtsbarkeit liegt, was Vorlagen zum Europäischen
Gerichtshof im Rahmen des sog. Vorabentscheidungsverfahrens angeht,
quantitativ EU-weit in Führung (was zum einen auf die große „Betroffenheit“
Deutschlands durch einschlägige Fragestellungen, zum anderen aber auch auf
die Bereitschaft der deutschen Sozialgerichte zurückzuführen ist, den Europäi-
schen Gerichtshof dort, wo es notwendig ist, anzurufen).
In jüngster Zeit gibt es auch vermehrt Fälle vor dem Europäischen Gerichtshof,
die Polen betreffen und jüngst auch – Rechtssache C-340/09 Tomaszewska –
eine polnische Vorlage an den Gerichtshof (in der es um die Auslegung der
rentenrechtlichen Vorschrift des Art. 45 VO 1408/71 ging).
In diesem Zusammenhang sollte die Art und Weise diskutiert werden, in der der
Europäische Gerichtshof mit einschlägigen Fragen angegangen werden kann.
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6. i) Weitere Zielsetzung des Seminars
Schlussendlich geht es auch um die Vorbereitung der Aktivitäten, die von der
Polnischen Seite während der Polnischen EU-Präsidentschaft auf dem Gebiet
des Europäischen koordinierenden Sozialrechts sowie im Zusammenhang mit
der (aus polnischer Sicht besonders problematischen) Patientenrechte-Richtlinie
entfaltet werden müssen.
B. Sch. 17.06.2011
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